Jahresrückblick 2024

Große Veränderungen: Betriebe im Altkreis Halle machen Schlagzeilen

Krise, Insolvenz, Inhaberwechsel oder Geschäftsaufgabe. Die Wirtschaft in Borgholzhausen, Halle, Steinhagen, Versmold und Werther zwischen Problemen und neuen Perspektiven.

Matthias Stüve, Gründer und Geschäftsführer der Stüve Versorgungstechnik GmbH, hat sein Unternehmen für die Zukunft aufgestellt. | © Uwe Pollmeier

31.12.2024 | 31.12.2024, 12:03

Borgholzhausen: Feinkosthersteller Specht insolvent

Die Insolvenz des Borgholzhausener Feinkostherstellers Specht bewegt die Arbeitswelt weit über die Grenzen Borgholzhausens hinaus. Das Unternehmen mit Sitz nahe der A33 muss zum 1. April 2024 die Reißleine ziehen. Das Aus kommt plötzlich: „Eigentlich hatten wir immer gedacht, es würde weiter gehen“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter im Gespräch mit dem HK. Etwa 80 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Aus Branchenkreisen heißt es zunächst, die Zurmühlen-Gruppe (Tönnies) habe Interesse an Specht. Die Gruppe gibt aber kein Angebot ab. Inzwischen ist das Unternehmen auch aus dem Internet nahezu verschwunden: Die Website ist offline.

Für den Borgholzhausener Fleischwarenhersteller Specht gab es im Frühjahr 2024 keine Perspektive mehr. - © Andre Schneider
Für den Borgholzhausener Fleischwarenhersteller Specht gab es im Frühjahr 2024 keine Perspektive mehr. (© Andre Schneider)

Haller Handwerksbetrieb stellt die Weichen

Matthias Stüve regelt im Spätsommer die Zukunft seines Handwerksbetriebs mit mittlerweile mehr als 60 Mitarbeitern. Er schließt sich einer Unternehmensgruppe an, ein Betrieb aus Vlotho übernimmt offiziell die Regie. Es bleiben der Name, die Mitarbeiter und der Service von Versorgungstechnik Stüve, auf den die Haller seit 1998 vertrauen.

Wende beim kriselnden Versmolder Wursthersteller?

Zwei Werksschließungen innerhalb weniger Monate, reduzierte Produktionsmengen, personelle Veränderungen an der Spitze - der Versmolder Fleischwarenhersteller „The Family Butchers“ befindet sich mitten im Transformationsprozess. Den schmerzhaften Einschnitten folgen zuletzt positive Signale. TFB kündigt im Herbst Investitionen in den Versmolder Standort an und sieht sich auch sonst auf Kurs.

Schüco plant Stellenabbau in Borgholzhausen

Im Oktober kündigt die Firma Schüco an, den Standort Borgholzhausen personell verkleinern zu wollen. Von bis zu 80 Stellen weniger bei der Schüco Interior Systems KG, einem Tochterunternehmen der Schüco International KG, ist die Rede. Das Unternehmen begründet den geplanten Schritt mit der schwierigen Marktlage. Der Stellenabbau soll aber weitestgehend nicht durch betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Die Rede ist stattdessen von einem „attraktiven Freiwilligenprogramm“.

Die Schüco Interior Systems KG beschäftigt in Borgholzhausen Anfang des Jahres 2024 noch rund 270 Menschen. Hier das Werk 2. - © Claus Meyer
Die Schüco Interior Systems KG beschäftigt in Borgholzhausen Anfang des Jahres 2024 noch rund 270 Menschen. Hier das Werk 2. (© Claus Meyer)

Haller Vorzeigefirma schrumpft weiter

Der Sparkurs beim Modehersteller Gerry Weber setzt sich auch in diesem Jahr fort. Im April werden 50 weitere Arbeitsplätze abgebaut. Rund die Hälfte davon betreffen die Zentrale in Halle, die andere Hälfte verteilt sich auf die Filialen. Die Zentrale ist bereits im Januar samt Parkplätzen und der Kita „Kids World“ an die Ekol Invest GmbH aus Stuttgart verkauft worden. Auch dies als Teil eines umfangreichen Sanierungsprozesses. Von den einst 7.000 Mitarbeitern weltweit sind aktuell noch etwa 3.000 geblieben.

Handwerkstradition in Werther endet

Seit 1885 wird auf dem Gelände an der Straße Auf der Bleeke Tischlerei-Handwerk betrieben. Ende November ist an der bekannten Adresse im Wertheraner Ortsteil Häger Schluss. Etwas früher, als es sich Unternehmer Reimar Küstermann ursprünglich vorgenommen hatte. Der Tischler begann mit seinem „Raumwerk“ einst auf dem Weco-Gelände; 2008 zog er aus Platzgründen mit dem Betrieb in die früheren Vollmer-Hallen nach Häger. Mit den Zahlen zeigt sich Reimar Küstermann zufrieden - warum die Schließung dennoch genau der richtige Schritt sei, erzählt er dem HK.

Schaeffler-Werk in Steinhagen unter Druck

Für die rund 250 Mitarbeiter des Steinhagener Werks des Weltunternehmens Schaeffler gehören die Zukunftssorgen schon fast zum Alltag. 150 Stellen sind in den vergangenen Jahren weggefallen, nun kommen erneut Hiobsbotschaften aus der Chefetage. 2.800 Stellen will das Metall-Unternehmen allein in der Heimat Deutschland abbauen, weltweit sind es noch deutlich mehr. Was bedeutet das für Steinhagen? Der Betriebsratsvorsitzende erklärt dieser Zeitung, wie es weitergehen soll.

Steinhagener Interstil nun in süddeutscher Hand

Mit Vorhang-Technik ist das Unternehmen Interstil eher in einer Nische unterwegs. Dort sind die Steinhagener allerdings sehr erfolgreich. Regelmäßig räumen sie Design-Preise ab. Im Sommer verkauft Chef Jens Diedrichsen seinen Familienbetrieb an einen Konkurrenten aus Süddeutschland. Kein „Kannibalismus“ wie er betont, sondern eine freie und gute Entscheidung. Diedrichsen bleibt Geschäftsführer, sieht Interstil nun aber noch besser aufgestellt.

Firma aus Borgholzhausen ist insolvent, dabei existiert sie gar nicht mehr

Eigentlich wollten die Vollblut-Unternehmer, Eveline und Jürgen Kampmann, die sich mit Stickerei sowie Bedruckung und Veredelung von Textilien deutschlandweit einen Namen gemacht haben, nach mehr als 40 Jahren ihr Geschäftsleben in Ruhe und Frieden beenden und sich in den Altenstand verabschieden. Doch das Ende ihres Berufslebens geht gänzlich schief. Ein wirklich kurioser Fall.

Eveline und Jürgen Kampmann sind wenig begeistert von den Ereignissen der vergangenen Monate. Kürzlich hatten sie Besuch vom Insolvenzverwalter, der klebte rote Schilder auf die verbliebene Ware und bietet diese nun im Internet an. - © Matthias Foede
Eveline und Jürgen Kampmann sind wenig begeistert von den Ereignissen der vergangenen Monate. Kürzlich hatten sie Besuch vom Insolvenzverwalter, der klebte rote Schilder auf die verbliebene Ware und bietet diese nun im Internet an. (© Matthias Foede)

Versmolder Fachhandel schließt

Nach der Schließung des Lebensmittelgeschäftes Margenau (2022) und dem Wegzug des Biobauernmarktes Hoffmeier (2023) muss Oesterweg in diesem Jahr eine weitere schlechte Nachricht aus der Geschäftswelt verkraften. Im Traditionsgeschäft Altmann gehen die Lichter aus. Motiviert und mit neuen Ideen war Jonas Ziervogel vor vier Jahren als neuer Pächter gestartet. Doch der Fachhandel für Haus, Hof und Garten entwickelt sich zuletzt nicht mehr so wie erwartet. Zudem ergibt sich für den Unternehmer eine lukrative neue berufliche Perspektive. In dem Moment steht fest, dass das Geschäft schließen wird. Kleiner Lichtblick: Ein Altbekannter wird an der Oesterweger Straße zumindest in einem Bereich bald wieder tätig sein.

Bei diesem Haller Global Player geht es wieder bergauf

Der Druckdienstleister Flexicon mit Stammsitz im Haller Ortsteil Gartnisch kämpft sich im Sommer aus der Krise zurück. Nachdem ein Dreivierteljahr zuvor das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet worden war, stimmen die Gläubiger der Sanierung zu. Nach einigen betriebsbedingten Kündigungen war die Zahl der Mitarbeiter von einst mehr als 200 auf 136 gesunken. Abzüglich der Fälle von Elternzeit und Rente bleibt ein Mitarbeiterstamm von 120 Personen.

Flexicon setzt die Sanierung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung am 1. September fort. - © Uwe Pollmeier
Flexicon setzt die Sanierung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung am 1. September fort. (© Uwe Pollmeier)

Turbulentes Jahr für Steinhagener Weltunternehmen Hörmann

Immer wieder schafft es der Tür- und Tor-Hersteller Hörmann 2024 in die Zeitungen - mit guten und schlechten Nachrichten. So verliert das Unternehmen gleich zwei wichtige Persönlichkeiten, Seniorchef Thomas J. Hörmann und seinen jüngeren Bruder Stephan Hörmann. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft: Ein Tochterunternehmen soll die Russland-Sanktionen umgangen haben. Später wird das Verfahren eingestellt. Anfang Dezember muss dann auch noch die Feuerwehr zum Brand bei Hörmann ausrücken. Er geht verhältnismäßig glimpflich aus.

Haller Handwerksbetrieb gibt nach 149 Jahren auf

Für das Unternehmen Ottensmeier Elektrotechnik kommt nach 149 Jahren das Aus. Die 1875 von August Strüwer als Schlosserei gegründete Firma meldet kurz vor dem runden Firmenjubiläum Insolvenz an. Im Herbst 2019 hatte Elektromeister Christian Ottensmeier seinen Betrieb von der Langen Straße an die Bahnhofstraße 29 verlegt. Dort, wo zuvor viele Jahre lang die Haller Gerry-Weber-Filiale ansässig war. Die Immobilie gegenüber vom Rathaus steht jedoch nach dem Ende von Ottensmeier nur wenige Wochen leer. Ende Oktober eröffnet bereits ein neues Geschäft im Erdgeschoss des Eckhauses.

Maler-Meisterin Anja Nierhoff-Install schließt ihren Familienbetrieb in Steinhagen. - © Frank Jasper
Maler-Meisterin Anja Nierhoff-Install schließt ihren Familienbetrieb in Steinhagen. (© Frank Jasper)

Steinhagener Malerbetrieb Nierhoff verabschiedet sich

Maler Nierhoff ist in Steinhagen über Jahrzehnte eine feste Größe. Künftig muss das Dorf allerdings ohne die Erfahrung von Anja Nierhoff-Install auskommen. Im Sommer schließt sie das Geschäft, das ihr Großvater einst eröffnet hatte. Das „Bürokratie-Monster“ sei ein Grund dafür gewesen, dass sie keine Zukunft mehr sehe, erklärt die Malermeisterin. Außerdem hätten die Konkurrenz und die allgemein schwere wirtschaftliche Lage Druck ausgeübt.