Handwerkstradition in Werther endet - trotz allem ist der Chef guter Dinge

Werther-Häger. Eigentlich sind Termine wie dieser immer mit einem Hauch von Wehmut verbunden. Ganz ohne Wehmut ging auch für Reimar Küstermann das Ende seines Betriebs nicht über die Bühne. Doch diese Phase liegt hinter ihm. &bdquo;Innerlich habe ich mich schon vor einiger Zeit von meinem Baby verabschiedet“, sagt er. Sein Baby - das ist die Tischlerei Raumwerk. Vor 26 Jahren hat der Tischlermeister seinen Betrieb gegründet. Auf dem Weco-Gelände in Werther startete der Jöllenbecker 1998 mit einem kleinen Team. Als der Platz dort nicht mehr ausreichte, zog das Unternehmen 2008 in die Halle der Tischlerei Vollmer in Häger um. Die hatte dort bereits seit 1885 ihren Sitz und sich kontinuierlich erweitert. Reimar Küstermann übernahm die 800 Quadratmeter große Halle und den charakteristischen hohen Spänebunker. Zwar hatte der heute 57-Jährige das Handwerk in allen Details erlernt, &bdquo;doch meine Leidenschaft lag immer im Gestalten“, sagt er. &bdquo;Ich habe meine Tätigkeit als Tischler immer als dienende Tätigkeit empfunden. Mir war es stets wichtig, Entwürfe zu machen, die zu den Familien passen“, erklärt er sein Berufsethos. Verantwortlich für Gedenkstätten und Museen in ganz NRW Deshalb war er aus der Werkstatt ins Büro umgezogen, kümmerte sich um den kaufmännischen Teil und vor allem um die Kunden und Kundinnen, denen er maßgeschneiderte Entwürfe zauberte. Dabei ging es nicht nur um Möbelstücke. &bdquo;Die haben ungefähr ein Drittel des Umsatzes ausgemacht. Das zweite Drittel brachte der Objektbau“, erklärt Reimar Küstermann und gerät ins Schwärmen. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK &bdquo;Die letzten Jahre haben richtig Spaß gemacht“, sagt er und zählt auf, was das Hägeraner Unternehmen umgesetzt hat: angefangen vom Ausbau der Gedenkstätte Gestapokeller in Osnabrück sowie der Pulverfabrik in der Gedenkstätte Liebenau über die Einrichtung einer Klinik unter den Tribünen des Bremer Weserstadions bis zu Ausstellungen im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum und dem Historischen Museum in Minden. Auch die Schalterhalle von MoBiel im Bielefelder Jahnplatz stammt aus Häger. Der dritte Teil der Einnahmen stammte schließlich aus dem Küchenbau. &bdquo;Da hatte ich in Elisabeth Krüger-Tscherpel eine herausragende Mitarbeiterin. Küchen hängen immer von den Personen ab, die sie verkaufen und konzipieren“, sagt der Firmenchef und resümiert insgesamt: &bdquo;Ich bin da gelandet, wo ich hinwollte.“ Lesen Sie auch: Nach 101 Jahren: Versmolder Traditionsbetrieb bekommt neuen Inhaber &bdquo;Das Unternehmen steht gut da“ Aber warum schließt die Tischlerei, die noch im vergangenen Jahr 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte, denn überhaupt? &bdquo;Das Unternehmen steht tatsächlich super da“, sagt Küstermann. &bdquo;Aber ich hatte mir sowieso einen Endpunkt gesetzt und mir vorgenommen, ab meinem 60. Lebensjahr weniger zu arbeiten.“ Nun setzt er diesen Endpunkt schon drei Jahre früher. &bdquo;Alle Leute, die mit Möbeln zu tun haben, haben zurzeit wenig zu lachen. Das ist die Quittung für die letzten guten Jahre. Unter Corona haben sich die Leute gut eingerichtet, jetzt haben sie andere Themen wie neue Heizungen oder Fenster. Und die Rezession geht weiter - da müssen wir nicht mehr mitmachen.“ Durch die schlechtere Auftragslage tummelten sich zudem viele andere Tischler auf dem Möbelmarkt und das sorge dafür, dass die Preise, zu denen man die Leistung anbieten müsse, nicht mehr auskömmlich seien. &bdquo;Wenn ich also noch in diesem Jahr zumache, habe ich viel weniger Risiko, und es bleibt mehr Geld da“, erklärt der Geschäftsmann. Der einräumt, dass er in einer komfortablen Situation sei, da er mit seinem zweiten Unternehmen, dem Bestattungshaus Küstermann noch ein weiteres Standbein habe. Keine Nachfolge in Häger in Sicht &bdquo;Mein Traum wäre immer gewesen, dass jemand die Tischlerei fortführt. Dann hätte ich als Senior weitergemacht“, sagt er. Aber von seinen vier Kindern möchte keines in die Fußstapfen des Vaters treten. Zudem sei die Firma zu klein, um interessant für Investoren zu sein, und zu groß, als dass ein Newcomer sie finanziell übernehmen könne. &bdquo;Die Maschinen, die ein Tischler braucht, sind ja viel teurer als bei Malern oder Elektrikern.“ Die rund 15 verbliebenen Angestellten, zu denen auch Auszubildende gehörten, hat Reimar Küstermann bereits im Juni über das Ende der Firma zum 30. November auf einer Betriebsversammlung informiert. Zunächst sei der Schock groß gewesen, aber bereits am nächsten Tag habe sich in der firmeninternen Whatsapp-Gruppe Aufbruchstimmung breitgemacht, und es wurden Tipps zu freien Stellen ausgetauscht, berichtet der Chef. Tischler seien auf dem Arbeitsmarkt rar und inzwischen hätten alle einen neuen Job gefunden. So ist es schon seit einiger Zeit sehr ruhig in der Werkstatthalle. Ein Mitarbeiter war in den vergangenen Wochen noch da, um die letzten Aufträge abzuarbeiten. Reimar Küstermann hat im Büro alles Nötige erledigt und sich um den Verkauf der Maschinen gekümmert. Was aus der Halle wird, steht noch nicht fest. Lesen Sie auch: In dieser Haller Tischlerei steht der Umweltschutz im Mittelpunkt Mitgefühl ist nicht nötig Reimar Küstermann freut sich auf die Zeit &bdquo;danach“, wenn er sich mit dem Klein-klein, das der Tischlereibetrieb mit sich bringt, nicht mehr auseinandersetzen muss und er im privaten Bereich oder im Bestattungshaus seine Gestaltungsideen umsetzen kann. &bdquo;Die meisten Leute sind mir in den letzten Wochen mit einem mitleidigen Blick begegnet, wenn es um die Firma ging“, sagt er, &bdquo;aber das brauchen sie nicht. Das Ende von Raumwerk ist nicht dramatisch.“

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