Bekannter Handwerksbetrieb aus Steinhagen schließt nach fast 100 Jahren

Steinhagen. Eine letzte Abrechnung liegt noch auf dem Schreibtisch. In der Werkstatt stapeln sich einige übrig gebliebene Eimer mit Farbe. Die Dienstfahrzeuge werden nach und nach verkauft. Anja Nierhoff-Install ist in diesen Tagen damit beschäftigt, den Malerbetrieb Nierhoff aufzulösen. Es ist das, was man einen klassischen Familienbetrieb nennt, der hier gerade abgewickelt wird. Darum hält Anja Nierhoff-Install beim Aufräumen auch immer wieder Dokumente in der Hand, die sie an ihre Kindheit und Jugend an der Bahnhofstraße 87 erinnern. Hier hatte einst ihr Großvater August Nierhoff das Handwerksunternehmen gegründet, und hier wohnte auch die Familie. An der Wand hing immer die Meisterurkunde von Opa August. &bdquo;Die kommt natürlich mit“, sagt Anja Nierhoff-Install und legt sie vorsichtig in einen der Kartons, die auf dem Boden stehen. Ihr Vater Wilhelm Nierhoff hatte die Firma später übernommen. Nach dessen plötzlichem Tod führte ihre Mutter Ursula mit einem angestellten Meister den Betrieb weiter. 2006 übernahm Anja Nierhoff-Install, die 1991 erfolgreich ihre Meisterprüfung abgelegt hatte, die Geschäftsführung. Im Handwerksbetrieb der Eltern groß geworden &bdquo;Ich habe hier schon als Kind in den Farbtöpfen gerührt“, erinnert sie sich schmunzelnd. Dass sie irgendwann selbst Malerin und Lackiererin wird, stand außer Frage. Zumindest für die handwerklich begabte Steinhagenerin. &bdquo;Meine Mutter war da anderer Meinung. Die hätte es lieber gesehen, wenn ich eine eher frauentypische Ausbildung gemacht hätte. Ich sollte Hotelfachfrau werden. Aber in dem Beruf wäre ich nicht glücklich geworden“, ist sich Anja Nierhoff-Install sicher. Als sie 1983 ihre Ausbildung zur Malerin und Lackiererin begann, war sie noch allein unter Männern. Heute sei der Frauenanteil im Malerhandwerk nahezu bei 50 Prozent. &bdquo;Super“ findet das Anja Nierhoff-Install, die nie eine Quotenfrau sein wollte. &bdquo;Allein den Begriff Quotenfrau finde ich schlimm. Es geht schließlich um Qualität, nicht um Quote.“ Als Chefin von sechs bis acht Angestellten führte die Steinhagenerin den Familienbetrieb erfolgreich weiter. Etwa ein Dutzend junge Leute habe sie während dieser Zeit ausgebildet. Nicht nur in Privathäusern, auch an vielen Unternehmen und öffentlichen Gebäuden in Steinhagen haben sie und ihr Team (Farb-)Spuren hinterlassen. Nach 100 Jahren ist endgültig Feierabend Nun ist für immer Schluss. &bdquo;Ja, ich mache Feierabend. Der Betrieb ist bereits eingestellt. Die Mitarbeiter sind alle bei befreundeten Kollegen untergekommen. Das Gebäude steht zum Verkauf“, bestätigt Anja Nierhoff-Install. Eine Gemengelage aus mehreren Gründen habe sie mit jetzt fast 59 Jahren zum Aufhören bewegt. Grundsätzlich habe sie den Beruf immer sehr gerne ausgeübt. Doch zuletzt sei sie immer mehr mit bürokratischen Aufgaben beschäftigt gewesen, statt Kunden zu beraten und Wände zu streichen. &bdquo;Als selbstständige Handwerksmeisterin steht man einem wahren Bürokratiemonster gegenüber. Die Auflagen werden immer absurder. Wir mussten hier sogar einen Leiter-Beauftragten bestimmen. Was soll das? Wenn eine Leiter kaputt ist, dann schmeiße ich die weg.“ Um Auffangbecken für Öltanks oder Fahrschulschächte lackieren zu dürfen, bräuchte es inzwischen eine eigene Weiterbildung. &bdquo;Der Meistertitel reicht da nicht mehr“, berichtet die Unternehmerin und schüttelt den Kopf. Ein Unfall auf der Autobahn mit Wirkung Der Umgang mit den Kunden habe ihr immer sehr viel Freude gemacht, erzählt Anja Nierhoff-Install. Aber gerade bei Neukunden sei der Konkurrenzdruck immer größer geworden, das Geld sitze eben nicht mehr so locker. Anfang des Jahres führte ein Schulterbruch die Malermeisterin an ihre Grenzen. &bdquo;Ich war 20 Jahre nie krank. Als Chefin kann ich ja auch nicht einfach einen gelben Schein einreichen. Der Betrieb musste aber weiterlaufen. Also habe ich mir Schmerzmittel eingeworfen und mich von meinem Mann von Enger jeden Tag nach Steinhagen bringen und wieder abholen lassen“, erzählt Anja Nierhoff-Install. In Enger lebt sie mit ihrem Mann, der dort einen landwirtschaftlichen Betrieb besitzt. &bdquo;Den Hof hat inzwischen unser ältester Sohn übernommen. Mein Mann ist bereits in Rente“, erzählt sie. Als das Paar vor ein paar Monaten auf der Autobahn unverschuldet in einen Auffahrunfall gerät, kommt Anja Niefhoff-Install ins Grübeln. &bdquo;Wir sind da heil rausgekommen. Aber da war wirklich der Punkt erreicht, zu sagen: Ich will mein Leben neu sortieren und meinen Lebensmittelpunkt in Enger bei meinem Mann haben.“ Weil die Übernahme des Malerbetriebs innerhalb der Familie nicht so funktioniert habe, wie zunächst geplant, sei ihr nur die Schließung geblieben. Steinhagenerin darf nicht Innungs-Obermeisterin bleiben Auch die Mitarbeit in der Innung hat ihr immer sehr viel bedeutet. &bdquo;Man kann nicht immer nur meckern, sondern sollte sich auch einbringen, um etwas verändern zu können“, ist Anja Nierhoff-Install überzeugt. Darum war sie von 2010 an stellvertretende Obermeisterin und ab 2019 Obermeisterin der Maler-, Lackierer- und Raumausstatterinnung Gütersloh. In diesem Amt ist sie das Bindeglied zwischen den Innungsbetrieben und der Kreishandwerkerschaft und kümmert sich unter anderem auch um die Nachwuchsgewinnung. Den Job hätte sie gerne behalten, doch auch damit ist Ende des Jahres Schluss. &bdquo;Das Amt darf ich nicht mehr fortführen, weil ich künftig kein eigenes Gewerbe mehr angemeldet habe“, bedauert die 58-Jährige. Gespannt blickt sie auf die Zukunft ihrer Branche, die sie auf jeden Fall weiter verfolgen wird. &bdquo;Wo früher eine Tapete an die Wand geklebt wurde, ist es heute möglich, ein Wandbild ganz nach Wunsch und individuell aufzuarbeiten. Da reicht ein Foto, und eine Maschine bringt es in feinster Spritztechnik auf die Wand“, erklärt Anja Nierhoff-Install. In Enger will sich die Unternehmerin eine neue berufliche Aufgabe suchen. &bdquo;Aber eben nicht mehr als selbstständige Handwerksmeisterin“, sagt Anja Nierhoff-Install. Dann setzt sich die Malermeisterin an den Schreibtisch, um die allerletzte Abrechnung zu bearbeiten.

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