Der Wochenkommentar

Geplantes Großprojekt in Halle - müssen wir mächtige Windräder ertragen?

Es war zu erwarten, dass die Pläne der Stadtwerke Münster in Halle für Wirbel sorgen. Der Widerstand hat sich bereits in einer ersten Initiative formiert. Doch gibt es hier kein Richtig und Falsch.

Die von den Stadtwerken Münster geplanten Windräder sollen an der Grenze zu Naturschutzgebieten entstehen. Das stößt auf heftige Kritik. | © Tobias Barrelmeyer

Marc Uthmann
02.12.2023 | 06.12.2023, 14:55

Ach kommen Sie, den Schenkelklopfer gönne ich mir zum Einstieg: Wird um dieses Thema nicht viel zu viel Wind gemacht, obwohl es noch gar nicht richtig Fahrt aufnimmt? Sie verstehen schon, Wind wegen Windkraftanlagen und so. Aber Schluss mit lustig - denn den Menschen, die sich am Mittwoch auf den Weg in den Haupt- und Finanzausschuss der Stadt gemacht hatten, war nicht zum Scherzen zumute.

So langsam wird deutlich, dass die dringend benötigte Energiewende eben nicht zum Nulltarif zu haben sein wird. Konflikte waren programmiert, und jetzt entfalten sie sich in ihrer ganzen Brisanz. Umso wichtiger sind Abende wie der in der Mensa des Haller Schulzentrums. Weil hier Planer, Befürworter und Gegner des ambitionierten Großprojektes der Stadtwerke Münster in Halle aufeinandertrafen.

Und dann sachlich, aber bestimmt ihre Argumente austauschten. Solche Debatten machen unseren demokratischen Diskurs aus - und wenn sie angemessen geführt werden, können sie zumindest Verständnis für die entgegengesetzte Position schaffen.

Unglückliche Kommunikation mit Menschen in Halle

Umso unglücklicher ist es da, wenn mancher Anlieger erst aus dem „Haller Kreisblatt“ von einem Projekt erfährt, bei dem in Kölkebeck und Hörste sechs Windkraftanlagen für 60 Millionen Euro entstehen sollen. Die Post kam später. Kai Bußmann, Sprecher der Bürgerinitiave Barrelpäule, kritisiert hier zu Recht eine mangelhafte Kommunikation. Denn gerade die ist so wichtig, wenn die Energiewende als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ tatsächlich gelingen soll.

Dass die Initiative ihrerseits den Klageweg schon androht, bevor sie überhaupt die Pläne im Detail präsentiert bekommt, ist natürlich auch eine enorme Drohkulisse. Das Prinzip ist bekannt - werden Eingriffe in die Natur diskutiert, formieren sich Interessensgruppen und versuchen möglichst lautstark ihre Position vorzubringen. Je mehr Widerstand angekündigt ist, umso abschreckender wirkt er womöglich.

Konstruktiv ist das nicht, aber aus Sicht der Projektgegner taktisch klug. Doch dient es der Allgemeinheit? Mächtige Windräder sollen am Rand von Naturschutzgebieten stehen - das ist der Fakt. Und der wird am Ende auch nicht wegzudiskutieren sein. Es bleibt eine Abwägungsfrage: Ist die Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Quellen höher einzuschätzen als die Unversehrtheit von wertvollen Naturräumen?

Widerstand gegen Windräder ist legitim

Wer das verneint, wird auch von Berechnungen oder Artenschutzgutachten nicht umzustimmen sein. Was die Gegner übrigens keinesfalls in das Lager der Trotzköpfe verbannen würde. Es ist absolut legitim, sich eine von Windrädern unbeeinträchtigte Natur in den Außenbereichen von Hörste und Kölkebeck zu wünschen. Und dafür eben für Windräder keine Abstriche zu machen, auch wenn sie die Energiewende antreiben.

Marc Uthmann - © Nicole Donath
Marc Uthmann (© Nicole Donath)

Und da darf es auch ruhig emotionaler werden: Wenn der Kölkebecker Friedel Bußmann etwa den Kölner Dom bemüht (157 Meter Höhe), um die Dimensionen der geplanten Windräder zu verdeutlichen. Denn nur so wird auch klar, wie betroffen sich Menschen von Projekten fühlen, die in der Zukunft definitiv häufiger auf sie zukommen werden.

Bürgermeister Thomas Tappe, Verwaltung und Politik stecken jetzt in der Zwickmühle. Denn einerseits gilt es, die Sorgen und Kritikpunkte der Menschen ernst zu nehmen. Und andererseits sind Klimaziele verbindlich zu erreichen. Erfreulicherweise redete Tappe denn auch nicht drumherum. Energiewende ja, „aber nicht vor meiner Haustür“, das sei eben nicht machbar. Zugleich erkannte er die Kritikpunkte der Gegner an.

Handeln ist mit Blick auf Energiebilanz Pflicht

Man werde „objektiv“ prüfen, beschied er den Menschen, die nahe der geplanten Anlagen wohnen. Das gilt natürlich nur in Bezug auf die Kriterien, die vom Gesetzgeber angelegt werden. Aber der Blick auf Eingriffe in die Natur bleibt je nach Art der Betroffenheit immer ein subjektiver. Fest steht, dass Windkraftanlagen derzeit per Definition ein „überragendes öffentliches“ Interesse darstellen. Die Stadt muss mit Blick auf ihre Energiebilanz handeln - und sie wird. Zumal jetzt auch Geld dafür da ist.

Ob jedes einzelne Projekt die Prüfungen passiert und auch gegen zu erwartende Klagen besteht, bleibt abzuwarten. Allerdings ist davon auszugehen, dass ein in solchen Projekten erfahrener Versorger wie die Stadtwerke Münster die Standorte mit sehr viel Bedacht gewählt hat - den gesetzlichen Rahmen voll ausschöpfend. Doch dass es nun auch im Bereich Ravenna-Park offenbar interessierte Unternehmen für Windkraftprojekte gibt, belegt ein wirtschaftliches Interesse.

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Dass die Stadt jetzt nicht einfach in Industriegebiete hineinregieren und dort unbeliebte Windräder platzieren kann, dürfte wohl einleuchten. Denn dort sind jetzt die am Zug, denen die Flächen gehören. Windparks wird es in Halle nicht geben - die wären im Kreis Gütersloh allenfalls in Rheda-Wiedenbrück oder Harsewinkel möglich, hat die Bezirksregierung entschieden. Ob sechs versprengte Riesenanlagen jetzt den Durchbruch in der Energiewende weisen können, wird sich noch zeigen müssen: Auch die Stadtwerke Münster werden noch rechnen, ob das Projekt betriebswirtschaftlich am Ende für sie aufgeht.

Klar scheint nur: Die Energiewende wird sichtbarer - und neben all denen, die profitieren, auch Enttäuschungen hervorbringen.