
Halle. Noch ehe der „Info-Markt“ der Stadtwerke Münster zu den von ihnen geplanten sechs Windkraftanlagen im Haller Süden nahe verschiedener Naturschutzgebiete begonnen hatte, war die Zeit der großen Gesten angebrochen. Die Bürgerinitiative Barrelpäule sagte ihre Teilnahme ab, weil sie nach eigenem Bekunden eine „Werbeveranstaltung“ erwartete.
Und kurz darauf legte die BUND-Kreisgruppe nach, die ihre Ablehnung des Projektes ebenfalls mit Blick auf die Zerstörung intakter Naturflächen bekräftigte. BUND und Bürgerinitiative hoffen - wie berichtet - darauf, dass eine Gesetzesänderung den Bau der Anlagen unmöglich macht. Aktuell deutet jedoch vieles darauf hin, dass die Stadt in diesem Fall die planerische Hoheit behalten und über die Änderung eines Flächennutzungsplanes das Projekt realisieren könnte.
Die Stadtwerke Münster präsentierten wie angekündigt ihr Artenschutzgutachten - und wie erwartet sieht es für fünf der sechs Standorte keine Konflikte, beim sechsten könnten mit Blick auf den im Gebiet vermuteten Wespenbussard Ausgleichsmaßnahmen den Weg zur Genehmigung bahnen. Rechtlich mag das am Ende so stimmen - aber was ist mit der Unversehrtheit wertvoller Naturflächen, die durch Anlagen mit einer Nabenhöhe von 200 bis 250 Meter natürlich massiv verändert würden?
Stadtwerke zahlen Gutachten für Halle - haben sie dann auch Ansprüche?
Freimütig bekannten die Stadtwerke Münster im Rahmen der Veranstaltung auch, bei Projekten dieser Größenordnung im Vorfeld „300.000 bis 500.000 Euro“ in Artenschutzgutachten und weitere Voruntersuchungen zu stecken. Wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch, wie sie klingt, könnten an dieser Stelle all jene unterstellen, die dem Mega-Projekt misstrauisch bis ablehnend gegenüberstehen.
Wohl kaum jemand rechnete damit, dass die von ihnen selbst in Auftrag gegebenen Gutachten den Stadtwerken Münster jetzt die Unmöglichkeit ihres Vorhabens bescheinigen würden. Nicht zuletzt deshalb gibt es zahlreiche Projekte, in denen eine Schlacht zwischen Gutachten und Gegengutachten entbrennt - und Experten über ein und denselben Sachverhalt völlig unterschiedlicher Meinung sind.
Denn wie könnte es sonst zu solchen Misstönen kommen? Hier die Einstufung der Gutachter, dort die Überzeugung der Umweltschützer, dass die Windräder Lebensräume zerstören würden. Motto der Kritiker: War doch klar, was bei der Untersuchung rauskommt.
Viele Unterschriften der Haller, wenige Besucher bei Veranstaltung
Aber wer so argumentiert, macht es sich viel zu einfach. Zunächst einmal muss betont werden, dass hier fachkundige Experten am Werk waren. Obendrein ist es wohl unstrittig, dass die Kosten für ein Genehmigungsverfahren, das von einem Investor ins Rollen gebracht wurde, nicht den Behörden und letztlich dem Steuerzahler in Rechnung gestellt werden dürfen.
Aus dem Umfeld der Bürgerinitiative gab es nach der Berichterstattung im „Haller Kreisblatt“ eine Rückmeldung mit dem Vorwurf, wir hätten die Sichtweise der Gegner im Artikel ausgeblendet und vernachlässigt, dass es bereits 1.400 Unterschriften aus Halle gegen das Projekt gebe.
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Doch zum einen waren die Gegner bei uns in den Tagen vor dem Info-Markt ausführlich zu Wort gekommen. Und zum anderen wurde die Veranstaltung selbst dann von nur 40 Interessierten besucht. Von einer breiten Proteststimmung konnte man an diesem Samstagnachmittag also nicht sprechen.
Alternative Standorte auf dem Kamm des Teutoburger Waldes?
Trotzdem bewegt das Thema zu recht viele Menschen im Altkreis Halle. Und bei ihnen sollte jetzt nicht der Eindruck entstehen, dass Investoren wie die Stadtwerke Münster solche Großprojekte in Eigenregie und mit selbst herbeigeführter Legitimation durchdrücken können. Denn zum einen bedarf es für den Bau der Windräder einer Änderung des Flächennutzungsplanes, der in Halle politisch noch beraten werden muss. Und zum anderen wird auch der Kreis Gütersloh die Umweltverträglichkeit der Anlage prüfen. Niemand macht es sich mit der Energiewende an dieser Stelle leicht.
Im Gegenteil, viele denken mit und versuchen sich an konstruktiven Vorschlägen. Unser HK-Drohnenfotograf und Geografie-Experte Ulrich Fälker etwa hat sich Gedanken für alternative Standorte der Windkraftanlagen gemacht und mit KI-Unterstützung eine Montage gebastelt, die drei Anlagen auf dem Kamm des Teutoburger Waldes zeigt.
Die Vorteile aus seiner Sicht sind eine deutlich höhere Windenergie-Ausbeute als im Flachland, eine deutlich niedrigere Bauhöhe der Anlagen als in den bisher diskutierten Standorten, eine weniger aufwendige Anbindung an die Netzinfrastruktur und nur eine Zuwegung zu allen Anlagen. Fälker schwebt zudem eine genossenschaftliche Lösung vor, welche die Akzeptanz der Beteiligten und der Bevölkerung erhöhen würde.
Am Ende womöglich Kompromissfähigkeit gefragt
Problem nur: Auch gegen ähnliche Gedankenspiele für die Haller Egge regte sich früh Widerstand, die Bürgerinitiative „Haller Teuto“ verwies auf effizientere Projekte für die Energiewende, befürchtete die Zerstörung eines „Erholungswaldes“ und verwies auf mögliche Erosionen im Berg beim Bau der Anlagen.
Anwohner besorgt - Millionenprojekt im Teuto: Windpark auf dem Hermannsweg in Halle geplant
Und anders als beim aktuellen Vorhaben gab es hier noch nicht einmal einen konkreten Investor, der sich auch bekannte. Hier wird klar: Die Energiewende und mit ihr verbundene, ambitionierte Projekte werden es an keiner Stelle leicht haben. Und es gibt - anders als sich das manche Beteiligte in einem solchen Verfahren vielleicht wünschen - auch keine einfachen Antworten auf von beiden Seiten gestellte, berechtigte Fragen. Am Ende wird womöglich Kompromissfähigkeit gefragt sein, um beide Parteien miteinander zu versöhnen.