Windräder in Halle: Anwohner befürchten falsches Gutachten durch Fällungen

Halle. Als Friedrich Bußmann vor einigen Tagen beobachtete, wie sich riesige Holzerntemaschinen (Harvester) durch das Waldgebiet unweit seines Hauses wühlten, traute er seinen Augen kaum. &bdquo;Solche umfangreichen Arbeiten haben in den vergangenen 20 oder 30 Jahren nie stattgefunden. Das Holz wurde immer maßvoll rausgenommen und jetzt das“, sagt das Mitglied der Bürgerinitiative Barrelpäule, die sich gegen den Bau von sechs Windrädern zwischen Kölkebeck und Bokel durch die Stadtwerke Münster wehrt. Die Maßnahme, bei der einige breite Schneisen geschlagen wurden, um das schwere Gerät bewegen zu können, sorge nicht nur bei der lokalen Bevölkerung für erhebliche Irritation und Unruhe. Sie werfe laut Bußmann außerdem die Frage auf: &bdquo;Inwieweit werden dadurch relevante Lebensräume – möglicherweise schon vor Abschluss einer ordnungsgemäßen naturschutzfachlichen Prüfung – beeinträchtigt oder gar zerstört?“ Denn aktuell läuft noch die Kartierung der in dem Gebiet lebenden Vögel, von deren Ergebnis auch der Bau der Windräder abhängt. Gerade der sehr empfindliche Wespenbussard spielt dabei eine entscheidende Rolle, da seine Existenz in den Hörster Feuchtwiesen bisher nicht eindeutig nachgewiesen wurde und es diesbezüglich widersprüchliche Aussagen gibt.&bdquo;Der Wespenbussard kommt etwa Mitte Mai zurück und bereitet sich dann auf den Horstbau vor“, sagt Vogelexperte Andreas Bader. Ein Eingriff in das Gebiet könnte also für den Vogel erhebliche Folgen haben. &bdquo;Das Artenschutzgutachten müsste jetzt eigentlich um ein Jahr verschoben werden“, fordert Bader. Das Ergebnis sei sonst verfälscht. Der Hobby-Ornithologe habe den Wespenbussard schon selbst vor Ort gesehen und sei somit von dessen Existenz überzeugt. Windradgegner aus Halle können Zeitpunkt nicht nachvollziehen &bdquo;Auch wenn es sich bei den Fällarbeiten technisch gesehen nur um eine größere Durchforstungsmaßnahme handelt, halte ich den Zeitpunkt in der Brut- und Setzzeit für völlig indiskutabel“, sagt Kai Bußmann, ebenfalls Mitglied der Initiative und Sohn von Friedrich Bußmann. Es seien große Buchen mit grünen Kronen, aber auch Kiefern und Birken gefällt worden. Zwar sind forstwirtschaftliche Fällarbeiten im Wald ganzjährig gesetzlich zulässig, dennoch stellt man sich innerhalb der Bürgerinitiative die Frage, ob im konkreten Fall mit der nötigen Rücksicht auf den Arten- und Lebensraumschutz gehandelt wurde – insbesondere in der sensiblen Brutzeit zahlreicher Vogelarten. &bdquo;Der Barrelbusch ist ein wichtiges Verbindungselement zwischen den Naturschutzgebieten ’Hörster Feuchtwiesen’ und Barrelpäule’. Er ist auch als Biotopverbund mit besonderer Bedeutung durch das LANUV gekennzeichnet“, erläutert Kai Bußmann. Verwundert ist er aber nicht nur über den Ort der Fällungen, sondern auch über den Zeitpunkt. &bdquo;Die zu fällenden Bäume wurden schon im Januar gekennzeichnet. Warum mussten sie gerade jetzt gefällt werden?“, fragt er sich. Lesen Sie auch: Widerstand wächst: 1.334 Bürger stemmen sich gegen die Windräder &bdquo;Unser Anliegen ist nicht die grundsätzliche Kritik an forstlicher Bewirtschaftung, sondern der Hinweis, dass gesetzliche Spielräume nicht als Freibrief für rücksichtslose Eingriffe in ökologisch wertvolle Räume verstanden werden dürfen. Gerade in unmittelbarer Nähe zu Schutzgebieten und im Kontext laufender Windkraftplanungen braucht es ein besonders umsichtiges Handeln zum Schutz von Lebensräumen, Arten und dem öffentlichen Vertrauen in den Naturschutz“, fügt Kai Bußmann hinzu. Bürgerinitiative aus Halle und BUND hinterfragen den Sinn der Maßnahme Rückendeckung für die Bürgerinitiative kommt vom BUND: &bdquo;Solch eine Anordnung kann eigentlich nur erfolgen, wenn Gefahr besteht. So finden wir das schon etwas seltsam“, sagt Dr. Birgit Lutzer vom Kreisgruppenvorstand des BUND. Hier werde Lebensraum vernichtet – Arten könnten eventuell nicht mehr erfasst werden. &bdquo;Solche schweren Eingriffe sorgen dafür, dass Lebensräume zerstört, Tiere verschreckt und vertrieben werden.“ Das gelte auch für die Bereiche rund um die Schneisen, denn der Harvester sowie das Stapeln und Abräumen der Baumstämme seien sehr laut. Gezielte Fällungen bei gleichzeitiger Schonung von Horstbäumen sowie anderen Wohn- und Schlafplätzen seien mit dieser Vorgehensweise unmöglich, kritisiert Lutzer. &bdquo;Zeitpunkt und Ort der Maßnahme irritieren umso mehr, weil dort derzeit für die Genehmigungsverfahren der sechs Windkraftanlagen Artenkartierungen vorgenommen werden. Deren Aussagekraft könnte im Schneisen-Bereich und rundherum durch Vertreibung von Tieren, möglicherweise auch geschützter Arten, beeinträchtigt werden“, fährt Lutzer fort. Für sie sehe es so aus, als ob Natur- und Artenschutzbelange wirtschaftlichen Interessen untergeordnet würden. Die avifaunistischen Kartierungen, auf die sich Lutzer bezieht, waren von den Stadtwerken Münster als Projektträger in Auftrag gegeben worden und sollen vor allem klären, ob im betroffenen Gebiet tatsächlich ein Wespenbussard lebt. Zum Thema: Wespenbussard könnte eins der sechs Windräder verhindern Ähnlich wie Dr. Birgit Lutzer sieht es Kai Bußmann: &bdquo;Es ist aus unserer Sicht völlig unverständlich, dass ausgerechnet in diesem Zeitraum massive forstliche Maßnahmen durchgeführt werden, die das Brutverhalten dieser besonders störungsempfindlichen Art erheblich beeinflussen oder eine Ansiedlung sogar ganz verhindern können“, sagt er. Die neue Kartierung sei die Chance gewesen, die bisher umstrittenen Aussagen zur Artenvielfalt im betroffenen Gebiet fachlich zu überprüfen. &bdquo;Umso kritischer sehen wir, dass durch die nun erfolgten Baumfällungen und Störungen im betroffenen Waldstück eine ungestörte Erfassung nicht mehr gewährleistet ist. Aus unserer Sicht ist dies nicht nur fachlich äußerst fragwürdig, sondern stellt die Neutralität und Aussagekraft der laufenden Erhebungen insgesamt infrage“, bilanziert er. Waldeigentümer aus Halle hat auf Anraten des Försters gehandelt Aus den genannten Gründen halte er es für &bdquo;unvorstellbar, dass dies der Förster angeordnet hat“. Laut Aussage des Eigentümers der Waldfläche am Fleerweg ist dies jedoch der Fall. Marius Wagemeyer, Förster der Forstbetriebsgemeinschaft Halle, äußert sich zu dem Thema auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblatts“ wie folgt: &bdquo;Die Durchforstungsmaßnahme habe ich bei dem Waldbesitzer selbst vorgeschlagen und durchführen lassen. Dabei sind etwa 9 von 70 Hektar durchforstet worden“, erklärt Wagemeyer. Aufgrund des zusammenhängenden und nadelholzgeprägten Waldgebiets sei es in seinen Augen naturschutzfachlich nicht problematisch, den Holzeinschlag im Sommer durchzuführen. &bdquo;Im Gegenteil sogar, die Befahrbarkeit ist besser und Belastungsspitzen der Unternehmer werden vermieden“, sagt der Revierförster. Die Vorwürfe der Anwohner und des BUND weist er von sich. &bdquo;Natürlich achte ich auf den Naturschutz. Es ist mir wichtig, Horst- und Höhlenbäume zu schützen und zu erhalten“, versichert er. &bdquo;Im näheren Bereich der Horste, also rund 50 Meter entfernt, sollten so wenig Veränderungen wie möglich vorgenommen werden, egal zu welchem Zeitpunkt. In dem erweiterten Horstbereich von rund 200 Meter versuche ich natürlich, Maßnahmen in der Brut- und Setzzeit zu vermeiden“, stellt Wagemeyer klar. Ein Horst in der Nähe der aktuellen Maßnahme sei ihm jedoch nicht bekannt. &bdquo;Ich persönlich halte die Aufregung um die Maßnahme in keinem Fall für berechtigt“, sagt der Förster abschließend. Lesen Sie auch: Bringt ein Gesetz die Pläne ins Wanken Die Stadtwerke Münster warten indes auf die abschließenden Ergebnisse der avifaunistischen Untersuchungen, teilt Pressesprecherin Juliette Polenz mit. Ursprünglich hatte man die Resultate bereits im Frühjahr erwartet. &bdquo;Bekanntermaßen wichen unsere Kartierungsergebnisse von denen der Biologischen Station ab“, fährt Polenz fort. &bdquo;Wir haben im ausgehenden Winter deshalb ein Gespräch mit der Station geführt und danach veranlasst, dass die Flächen noch einmal hinsichtlich der vorkommenden Vogelarten kartiert werden“, so die Pressesprecherin. &bdquo;Da es sich beim Wespenbussard um eine windenergiesensible Vogelart handelt, die unter besonderem Schutz steht, wollen wir ganz sicher sein, dass es im Nahbereich der Anlagen keine Vorkommen gibt“, sagt Polenz. Stadtwerke Münster sehen keine Beeinträchtigung durch Fällungen in Halle Wegen der aktuellen Geschehnisse im Wald hat Polenz keine Bedenken: &bdquo;Da unsere Kartierung über einen längeren Zeitraum erfolgt – sie läuft seit April und endet erst im August – sollten die Ergebnisse aussagekräftig sein, auch wenn kurzzeitig Arbeiten im Wald stattfinden.“ Bei den Planungen gehe demnach Sorgfalt vor Schnelligkeit: &bdquo;Wir rechnen nicht damit, dass wir den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag noch in diesem Jahr stellen werden. Wir müssen zunächst die endgültigen Kartierungsergebnisse abwarten und bewerten, bevor wir weitere Schritte in Richtung Antragseinreichung gehen“, erklärt Polenz abschließend. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

Meistgelesen

Kampf gegen Haller Windräder: „Im Grunde stehen alle auf rotem Gebiet“

Wespenbussard könnte eins der sechs geplanten Haller Windräder verhindern

Neue Windräder in Halle: Bringt ein Gesetz die Pläne ins Wanken?

Geplante Windräder für Halle: Investoren informieren die Öffentlichkeit

Ticker zur Kommunalwahl 2025: Linnemann (CDU) hat in Versmold einen Rauhaardackel gekauft Wer steht in meinem Wahlbezirk auf dem Zettel? Wer könnte Bürgermeister in meiner Kommune werden? Und was muss ich bei der Wahl wissen? Alle Antworten darauf und noch viel mehr gibt es im Liveticker.

Haller Verein verbietet der SPD, am Minigolfplatz zu grillen Die Zusage für den Roten Grill...