Marktkauf in Halle geht neue Wege: Drei Azubis kommen aus Südostasien

Halle. Im Schnitt pendelt jeder Berufstätige in Deutschland knapp 30 Minuten zu seinem Arbeitsplatz. Drei der neun neuen Auszubildenden beim Marktkauf Speicher könnten die Statistik deutlich anheben, denn ihre Heimat ist rund 10.000 Kilometer entfernt. &bdquo;Wir können in diesem Jahr zum ersten Mal drei philippinische Auszubildende begrüßen“, sagt Oliver Speicher. Vermittelt wurden sie von dem gebürtigen Bielefelder Herbert Joseph Vogt, der seit 2008 auf den aus 7.641 einzelnen Inseln bestehenden Philippinen lebt und von dort interessierte Arbeitskräfte an deutsche Firmen vermittelt, bevorzugt im Bereich der Pflege und des Einzelhandels. &bdquo;Wir haben nach einer Lösung gesucht, wie wir neue Mitarbeiter gewinnen können“, erklärt Speicher. Seit Corona seien die Bewerbungen zurückgegangen, er habe dann von der Möglichkeit gehört, internationale Auszubildende einzustellen. &bdquo;Sie absolvieren bei uns die üblichen Ausbildungen und werden nach Tarif bezahlt“, erklärt der Chef der Haller Marktkauf-Filiale. Da es ein paar Abstimmungsschwierigkeiten mit der Deutschen Botschaft gab und daher einige benötigte Papiere nicht vorlagen, verzögerte sich der Ausbildungsstart auf Anfang Oktober. Der Aufwand ist somit etwas größer, aber unterm Strich soll sich der Schritt für beide Seiten lohnen. Nun sind die drei neuen Mitarbeiter aber da und zeigen sich nach den ersten Eingewöhnungstagen zufrieden mit ihrer Jobwahl. &bdquo;Es ist hier allerdings sehr kalt“, schildert Kriz Alethea Manalo ihre ersten Eindrücke von Deutschland. In ihrer Heimat seien es aktuell gut 30 Grad Celsius, unter 20 Grad sinkt das Thermometer nur ganz selten. &bdquo;Ich habe noch nie Schnee gesehen“, sagt die 36-Jährige, die in ihrer Heimat bereits ein Studium im Bereich Business Management absolviert hat. Sie wünsche sich daher einen schneereichen Winter. Lesen Sie auch: Junges Pärchen kauft Supermarkt in Werther Drei Jahre ohne den ganz nahen Kontakt zur Familie in der Heimat Dabei dürfte das die geringste Herausforderung sein. Denn Manalo ist Ehefrau und Mutter von vier Kindern im Alter von drei, zehn, zwölf und 15 Jahren. &bdquo;Als Mutter ist es ein großes Opfer, meine Familie zurückzulassen. Es war keine leichte Entscheidung. Aber ich glaube, diese Chance ist wichtig für die Zukunft meiner Familie. Ich möchte mich beruflich und persönlich weiterentwickeln und ihnen ein besseres Leben ermöglichen“, erklärt sie ihre Beweggründe. &bdquo;Heimweh ist normal – und ehrlich gesagt, vermisse ich meine Familie jeden Tag. Aber ich erinnere mich immer wieder daran, dass ich das für sie tue. Es ist schmerzhaft, weg zu sein, aber ich glaube fest daran, dass es sich am Ende lohnen wird“, fährt die 36-Jährige. Damit das Heimweh nicht zu groß wird, führt sie täglich Videotelefonate mit ihren Liebsten. Und hofft, dass es zumindest ein Wiedersehen in den Ferien geben kann, sodass sie nicht drei Jahre am Stück auf ihren Mann und ihre Kinder verzichten muss. Zwar spricht Manalo bereits recht gut Deutsch, da die Belegung eines Sprachkurses B1 (selbstständige Sprachverwendung/fortgeschrittenes Anfängerniveau) vor dem Auslandseinsatz obligatorisch ist. Dennoch ist für die angehende Kauffrau im Einzelhandel natürlich vieles fremd. Ihr neuer Arbeitgeber hat den drei Auszubildenden, zu denen auch June Angelo Jacinto (25 Jahre, dreijährige Ausbildung zum Fleischer) und Michealle Benban Mondido (35 Jahre, zweijährige Ausbildung zur Verkäuferin) eine Wohnung unweit der Arbeitsstelle besorgt. &bdquo;Dort leben sie zu dritt in einer WG, das ist auch gut gegen eventuelles Heimweh“, sagt Vogt. Der gebürtige Bielefelder hat an der Göttinger Universität studiert, lebt mittlerweile in Manila und gibt an der dortigen Uni auch Deutschkurse. Lesen Sie auch: Neue Regeln am Marktkauf Speicher. Wird jetzt der Parkraum knapp? Verdienst auf den Philippinen ist viel geringer Seine Frau war Filipina, verstarb jedoch bereits 2005. &bdquo;Das hat mich sehr mitgenommen, ich war drei Jahre lang in der Psychiatrie“, sagt Vogt. Dann aber habe er neuen Mut gefasst und sich vorgenommen, dem Heimatland seiner Frau etwas zurückzugeben und sich für die Menschen dort einzusetzen. Seit 2016 vermittelt er nun Auszubildende und Fachkräfte nach Deutschland. &bdquo;Ich will einfach nur helfen“, erklärt Vogt. Dass die Filipinos und Filipinas zum Arbeiten nach Deutschland kommen, hat natürlich primär finanzielle Gründe. &bdquo;Auf den Philippinen verdient man rund elf Euro pro Tag“, sagt Vogt. Viele nutzen daher die Arbeit in Deutschland, um auch Geld für die Familie in der Heimat zu sammeln. &bdquo;Es gefällt ihnen aber in Deutschland meistens so gut, dass sie hierbleiben und ihre Familien später nachkommen“, sagt Vogt. Von den rund 100 durch ihn vermittelten Personen seien fast alle auch nach Abschluss der Ausbildung in Deutschland geblieben. &bdquo;Ich habe heute noch zu fast allen Kontakt“, sagt Vogt. Philippinische Staatsangehörige, die in Deutschland arbeiten, können ihre Familie nachholen, wenn der Lebensunterhalt und der Wohnraum gesichert sind und sie über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt. Zudem müssen beide Ehepartner über grundlegende Deutschkenntnisse (A1-Niveau) verfügen. Zudem benötigen die nachziehenden Familienmitglieder ein nationales Visum, um nach Deutschland einreisen zu können. Wer in Halle arbeitet, sollte nicht aus einer Millionenstadt kommen Herbert Joseph Vogt achtet bewusst darauf, dass die vermittelten Arbeitskräfte eher aus der Provinz stammen, damit der Kulturschock nicht allzu groß ist. Man könne nicht jemanden aus der Millionenmetropole Manila nach Ostwestfalen schicken. Neben den guten Deutschkenntnissen verfügen alle vermittelten Arbeitskräfte über sehr gute Englischkenntnisse, da dies die zweite Amtssprache auf den Philippinen ist. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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