Jetzt sind die Hobbys am Zug: Beliebter Borgholzhausener Lehrer hört auf

Borgholzhausen/Halle. Ulrich Fälker hält die Pipette mit dem Dampföl über den Schornstein der kleinen Lokomotive. Langsam tröpfelt die schmierige Flüssigkeit hinein. Kurz darauf schnauft der Zug von Rauch umgeben los, passiert den Bahnhof Hamburg-Dammtor und das Bahnbetriebswerk Rothenburgsort, bevor er per Computersteuerung im holzverkleideten Schattenbahnhof unterhalb der Modellbauwelt verschwindet. Ein kurzer Moment und doch ein perfektes Abbild von Fälkers Leidenschaften. Hier im Keller seines Hauses im Haller Norden kann er sie alle verwirklichen: Erdkunde, Technik und auch ein bisschen Chemie, wenn sich das Öl in der Lok in Dampf verwandelt. Aber nicht nur im Untergeschoss geht es ihm gut. Der Pädagoge hat es in den vergangenen 36 Jahren verstanden, auch seinen Berufsalltag mit all diesen Dingen auszufüllen. Damit ist aber nun Schluss, denn Fälker ist im Ruhestand und somit Ex-Erdkunde-, Ex-Technik- und Ex-Chemielehrer. Kürzlich wurde er in der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule verabschiedet. Zumindest offiziell, denn eins ist jetzt schon klar: Der 63-Jährige wird sich auch in den kommenden Jahren noch öfters hier blicken lassen, aber dazu später mehr. Fangen wir erst einmal von vorne an, denn wie es sich für einen Weltenbummler wie Fälker gehört, startete sein Leben im August 1960 nicht in Ostwestfalen. &bdquo;Ich wurde in Hamm geboren“, sagt Fälker. Mitte der 1960er-Jahre zieht seine Familie nach Münster, da Vater Kurt dort einen Job bei der Schulverwaltungsbehörde angenommen hatte. &bdquo;Anfangs ist er jeden Tag mit der Bahn gependelt und war kaum zu Hause“. Als der kleine Uli dann fragte, &bdquo;wer der Onkel ist, der abends immer kommt“, war die Sache klar. Die Familie muss umziehen, damit der Junge seinen Vater richtig kennenlernt. Bielefeld war ein Absturz für den Münsteraner &bdquo;Ich bin dort aufgewachsen und bin somit Münsteraner durch und durch“, sagt Fälker. Nach seinem Studium an der Universität Münster in den Fächern Chemie, Technik und Geografie auf Lehramt ging Fälker zum Referendariat nach Bielefeld. &bdquo;Das war ein Absturz“, erinnert er sich an seine damalige Gemütslage. Mittlerweile hat er Ostwestfalen aber ins Herz geschlossen. &bdquo;Ich bin jetzt seit rund 33 Jahren in Halle, es ist ein schöner Platz zum Leben“, sagt der 63-Jährige. Nach dem Referendariat tauschte er dann geografisch gesehen aus seiner Sicht wohl Not gegen Elend und ging von Bielefeld nach Herford. Dort unterrichtete er fünf Jahre an der Gesamtschule. Als Ulrich Fälker dann im Sommer 1995 nach Borgholzhausen kam, um mit vier weiteren Kollegen und unter einem kommissarischen Schulleiter die PAB-Gesamtschule zu starten, ahnte wohl noch niemand, was der heute 63-Jährige in all den Jahren in Angriff nehmen sollte. Nachdem er es in Herford schon getan hatte, baute er auch in Pium die naturwissenschaftlichen Fachräume an der PAB auf. Zudem wurde er Sicherheitsbeauftragter, baute 1996 eine Kletterwand, an der auch der damals noch etwas ängstlche Jost Kobusch emporkraxelte, und 2010 einen Kletterturm auf dem Schulhof. Und wer die Kletter-AG leitet und auch zukünftig noch leiten wird, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Zudem organisiert Fälker seit einigen Jahren für die Volkshochschule Ravensberg die beliebte Vortragsreihe &bdquo;Länder und Menschen“. Mit 20 Schülern geht es quer über die Alpen Exkursionen bestimmten auch stets seinen Schulalltag. Mit den &bdquo;Herzchen“, wie er seine Schülerinnen und Schüler liebevoll nannte, ging es in die Hamburger Hafencity oder ins Braunkohlerevier Garzweiler. Legendär sind seine Wanderungen über die Alpen, die er 2013 startete. Im Herbst jeden Jahres fährt er dann mit einer Gruppe von bis zu 20 Schülern aus der Jahrgangsstufe 13 nach Naturns in Südtirol. Von dort aus überquert die Gruppe innerhalb von acht Tagen und bei somit sieben Übernachtungen auf Almen und in Berghütten den Alpenhauptkamm, um schließlich im österreichischen Vent im Ötztal anzukommen. &bdquo;Da wird dann schon mal bis zu neun Stunden am Tag gewandert“, sagt Fälker. Und den höchsten Gipfel, den 3.599 Meter hohen Similaun, schaut sich die Gruppe bei gutem Wetter nicht nur von unten an. Auch als Pensionär wird er die Tour noch einmal machen. &bdquo;Im Herbst fahre ich mit der Oberstufe mit, die habe ich ja selbst noch unterrichtet“, sagt Fälker. Und wenn für seine letzte Klasse, die jetzigen Zehner, 2026 die Tour ansteht, kann er sich vorstellen, noch einmal die Wanderstiefel zu schnüren. Am liebsten war Ulrich Fälker Klassenlehrer. Dies sei viel besser gewesen als Unterricht in einem einzelnen Kurs. &bdquo;Wenn ich dann den Klassenraum betrat, fühlte ich mich wie in einem zweiten Zuhause“, sagt der Pädagoge. &bdquo;Schule hat mir viel gegeben“, fährt er fort. Insofern geht er natürlich auch mit dem bei Pensionären wohl fast schon obligatorischen weinenden Auge. &bdquo;Ich hätte noch zweieinhalb Jahre weitermachen können. Aber jetzt, als Klassenlehrer der Zehner, war es ein sauberer Schnitt. Also gehe ich, alles ist gut.“ Ulrich Fälker weiß mehr als Robert Habeck Die ganz große Leidenschaft Fälkers ist aber wohl das Reisen. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Sabine hat er bereits 32 Prozent der Welt bereist. &bdquo;Ich habe das auf der App eingegeben“, sagt Fälker und zeigt sein Handy mit einer Weltkarte, auf der rund zwei Drittel der Fläche weiß ist. &bdquo;Ich war bisher in 63 Ländern. In Afrika ist aber noch viel Platz“, sagt er. Es gäbe noch viele Ziele, ein ganz großer Wunschort sei aber nicht dabei. Fernziele reizen ihn allerdings mehr, ein Ausflug an die ostfriesische Nordseeküste wäre nichts für Weltenbummler Fälker. &bdquo;Während Corona bin ich mit dem Fahrrad den Rhône-Radweg durch die Schweiz und Frankreich gefahren und entlang der Weichsel durch Polen“, sagt der 63-Jährige. Das habe ihm auch sehr gut gefallen. Aber da war halt Corona, da hat jeder seine Ansprüche runtergeschraubt und konnte sich für Dinge begeistern, die man vorher belächelt hat. &bdquo;Die Welt hat so viele Facetten, davon möchte ich möglichst viele sehen“, erklärt der gebürtige Hammer. Gerne aber einige Flugkilometer vom Wohnhort entfernt. Schon bald will er wieder gemeinsam mit Sabine mit dem Fahrrad durch Taiwan fahren. Dort war er bereits im vergangenen Jahr. Im Zug kam er dort mit einem taiwanesischen Mitarbeiter des Halbleiterhersteller TSMC ins Gespräch. Als dieser erfuhr, dass Fälker aus Deutschland kommt, verriet er dem Haller, dass auch seine Firma dort bald produzieren wird. Einen Tag später verkündete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Milliardeninvestition des Halbleiterproduzenten in Deutschland. Für Fälker war es da schon keine Neuigkeit mehr. Regionale Drohnenikone arbeitet auch für die Zeitung Den Lesern des &bdquo;Haller Kreisblatts“ ist Ulrich Fälker vor allem als Luftbildfotograf ein Begriff. &bdquo;Als Erdkundelehrer mag ich halt den Blick von oben auf die Welt“, sagt Fälker. Also kaufte er sich schon frühzeitig eine Drohne. &bdquo;Das Teil war 3,5 Kilogramm schwer, kostete 3.500 Euro und machte schlechte Bilder“, erinnert sich der 63-Jährige an den Start in sein neues Hobby. Seine aktuelle Drohne wiegt 249 Gramm und macht deutlich bessere Bilder. Und etwas günstiger war sie auch. Zu seinem Arbeitsplatz am PAB-Standort in Borgholzhausen ist Fälker fast immer mit dem Rad gefahren. &bdquo;Es müssen in all den Jahren mehr als 70.000 Kilometer gewesen sein“, hat er nachgerechnet. Dabei gab es auch mehrere Glatteisausrutscher, aber nur einen schweren Unfall. &bdquo;Das war erst im letzten Jahr, da hat mich ein Auto erwischt“, sagt Fälker. Er habe richtig Glück gehabt, zumal er stets ohne Helm unterwegs sei. &bdquo;Da habe ich drei Monate gebraucht, um wieder fit zu werden.“ Und die Lehre, die er daraus gezogen hat, ist ja wohl klar: Man kann auch ohne Helm überleben. &bdquo;Ich fahre immer noch ohne Helm, auch wenn Sabine mich manchmal schief anschaut“, gibt er ehrlich zu. Wenn er sich mal zurückziehen möchte, geht er gerne in den Keller. &bdquo;Hier konnte ich schon zu Schulzeiten gut abschalten“, sagt Fälker. Er drückt auf die Fernbedienung der smarten Lichtanlage und langsam wird es Tag über Klein-Hamburg. &bdquo;Seit über zehn Jahren baue ich jetzt an dieser Anlage“, sagt der Pädagoge. Die Leidenschaft für Modelleisenbahnen hat er von Vater Kurt geerbt. &bdquo;Als Kind fand ich das noch toll, aber dann kam die erste Freundin und meine Modellanlage wanderte von meinem Zimmer auf den Dachboden. Den freien Platz belegte dann ein Sofa“, sagt Fälker. Mit dem Krokodil wurde das alte Hobby reaktiviert Als Student entdeckte er dann das Interesse an seinem alten Hobby wieder. &bdquo;Auch einem Münsteraner Flohmarkt habe ich mir für 100 DM eine Lokomotive gekauft“, sagt Fälker. Das &bdquo;Krokodil“, eine Güterzuglok nach Schweizer Vorbild, war allerdings defekt und musste erst wieder in Fahrt gebracht werden. Fälker hat sie mittlerweile in einer Virtrine im Esszimmer stehen. Im Keller drehen dafür zahlreiche weitere Modelle aller Altersklassen ihre Runden. Aber eines scheint jetzt schon klar: Ein Ulrich Fälker geht niemals so ganz. In Kürze bricht er zu einer Radtour über die Alpen auf, zudem will er Exkursionen für Erwachsene anbieten. Sowohl auf dem Rad als auch zu Fuß. Ein Ehrenamt könnte ihm auch gefallen und vielleicht ergänzt er seine Drohnenbilder auch irgendwann mit eigenen Texten und geht einen journalistischen Weg. Man weiß es nicht, aber sicher ist, dass er das tun wird, worauf er Lust hat. Und diese Auswahl ist ihm bisher immer gut gelungen, denn, so stellt er als kleine Zwischenbilanz zum Ende des Berufslebens fest: &bdquo;Eigentlich kann ich mich nicht beklagen.“

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