Altkreis Halle. Süßigkeiten, Wurst, Schnaps ... Unsere Region ist zwar nicht deutschlandweit bekannt, aber viele Marken aus dem Altkreis Halle sind national oder sogar international Bigplayer. Wir stellen Ihnen Marken vor, die sich einen hohen Bekanntheitsgrad erarbeitet haben:
Haller Süßwarenriese Storck punktet mit Innovationen
Alles beginnt 1903 mit einem Kessel und drei Arbeitern. Und zwar nicht in Halle, wo der Weltkonzern heute seinen Sitz hat, sondern in Werther: Hier gründet August Storck – genannt Oberwelland – die „Werthersche Zuckerwarenfabrik“. Das Unternehmen wächst schnell, liefert im gesamten westfälischen Raum aus – bis der Erste Weltkrieg die Erfolgsgeschichte zunächst unterbricht.
1934 beginnt mit Hugo Oberwelland, dem Sohn des Gründers, die Ära der Markenprodukte bei Storck durch die Einführung der „Storck 1 Pfennig Riesen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgt 1953 die Marke Mamba.
Die 1960er-Jahre stehen im Zeichen bahnbrechender Innovationen, die maßgeblich von Dr. Geert Andersen, dem abgeworbenen Forschungs- und Labordirektor von Bayer, vorangetrieben werden. Die Entwicklung von „nimm2“ (1962) gilt bis heute als Andersens größter Coup, weil er es schafft, empfindliche Vitamine in eine heiße Bonbonmasse einzuarbeiten. Weitere Erfolge unter seiner Leitung wie Merci (1965), Campino (1966) und Werther’s Echte (1969) tragen zum Wachstum bei, das durch den Aufbau eines zweiten Produktionsstandorts in Berlin unterstützt wird.
Klaus Oberwelland übernimmt 1971 die Führung und führt 1973 Toffifee ein. Mit der nächsten Schokoladenspezialität stellt sich der Haller Süßwarenhersteller noch breiter auf und macht sich vor allem zukunftssicher. Innovation bleibt ein Schlüsselwort für Storck: 1983 wird „Knoppers“ eingeführt, gefolgt von „Dickmann’s“ 1985. Die Expansion setzt sich 1993 mit einem Werk in Thüringen fort, während Halle das kreative Herz des Unternehmens bleibt. Unter Axel Oberwelland, Chef seit 2003, bekommt das beliebte „Knoppers“ neue Formen, zum Beispiel als Nussriegel, und andere Geschmackssorten.

Trotz aller Krisen bleibt Gerry Weber ein Begriff
Halles berühmter Modekonzern macht seit mehreren Jahren die schwerste Krise seiner Geschichte durch. Produkte, Immobilien, Sponsoring – vieles fiel der Insolvenz zum Opfer. Ohne Frage haben Gerhard Weber () und Udo Hardieck () jedoch eine unverwechselbare Marke geschaffen. Und die beiden Unternehmer gingen dabei ganz neue Wege: 1973 gründen sie das Modeunternehmen als Hatex KG - mit dem Ziel, Damenhosen zu produzieren und zu verkaufen.
1986 folgt dann der unternehmerische Schritt, der dem Modekonzern weltweite Bekanntheit verschafft und eine ganz neue Marke etabliert: Das Label Gerry Weber wird entwickelt und parallel dazu ein Sponsoringvertrag mit Steffi Graf geschlossen.Es ist die erste Etappe auf dem Weg zu einer in dieser Form sicherlich einzigartigen Verknüpfung von Marke und Sport. 1993 wird die Tennisarena Gerry Weber Stadion eröffnet, verbunden mit dem Startschuss für das Profiturnier Gerry Weber Open. Die Modemarke wird mit Spitzensport assoziiert, es ist der Beginn eines Siegeszuges für den Konzern.
Auch wenn die namentliche Verbindung zu Turnier und Stadion offiziell nicht mehr bestehen, bleiben die Begriffe „Gerry Weber Open“ und „Gerry Weber Stadion“ im Sprachgebrauch und Herzen der Haller weiterhin präsent.

Versmolder Nagel-Group als Blickfang auf Autobahnen
All die starken Marken aus der Region, die in Familienunternehmen entstehen, müssen auch beim Kunden ankommen. Hierfür zeichnet sich eine Spedition verantwortlich, die sich mit Akribie und konsequenter Wachstumsstrategie selbst zu einer europaweit bekannten Marke entwickelt hat: die heute auf temperaturgeführte Lebensmitteltransporte spezialisierte Nagel-Group aus Versmold. Das Unternehmen ist in der Lage, mehr als 100.000 Sendungen täglich zu befördern.Und wie so manche Erfolgsgeschichte begann auch diese ganz klein: 1935 gründen Kurt und Rudolf Nagel die Spedition „Gebrüder Nagel“. Erstes Fahrzeug der Jungunternehmer: ein 10-Tonnen-Lastzug der Marke Büssing. Nur wenige Monate später ersetzen sie das Fahrzeug durch einen 18-Tonner. Im darauf folgenden Jahr ergänzen die Brüder ihren Fuhrpark um einen gebrauchten MAN-Elftonner. Doch der Zweite Weltkrieg wirft das junge Unternehmen weit zurück – mit nur einem Laster geht es 1945 wieder von vorn los.Der Gewinn des Medienkonzerns Bertelsmann als Kunde im Jahr 1958 ist sicherlich ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte, die fortan unaufhaltsam an Fahrt aufnimmt. Niederlassung um Niederlassung wird eröffnet und verdichtet das Nagel-Netzwerk, für das seit 1984 Kurt Nagel junior verantwortlich zeichnet.
Mitte der 1990er-Jahre wagt Nagel die europäische Expansion nach Großbritannien und Skandinavien, es werden Gesellschaften in Italien und Österreich gegründet. Die Spedition wächst eben mit ihren erfolgreichen Kunden, erobert sich aber auch selbst zunehmend neue Märkte und Regionen.Der überraschende Tod von Kurt Nagel junior mit nur 46 Jahren 2008 ist ein schwerer Schlag für den Familienkonzern. Sein Expansionskurs wird jedoch fortgesetzt. Der blaue Nagel-Schriftzug soll weiter ein vertrauter Blickfang auf den Autobahnen bleiben.
Diese Wurst wurde in Versmold zum Aushängeschild
1931 gründeten die Brüder Ewald und Hermann Reinert eine Fleischerei, die ab 1934 unter dem Namen Reinert Produkte herstellte. Der Betrieb muss jedoch während des Zweiten Weltkriegs, nachdem die Brüder 1944 eingezogen wurden, die Produktion einstellen. 1948 wird die Wurstherstellung wieder aufgenommen und in den 1950er und 1960er Jahren verzeichnet das Unternehmen ein starkes Wachstum. Nach Ewalds Tod im Jahr 1960 übernimmt sein Sohn Hans die Unternehmensleitung.
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Seit 1969 produziert Reinert Schinken und Speckartikel - sowie die legendäre Sommerwurst: Sie trägt ihren Namen, weil sie gemäß einer bäuerlichen Tradition einst vom letzten Frost bis zum Sommer reifen musste. Hans Reinert macht sie zum Aushängeschild des Betriebes. In den folgenden Jahrzehnten entwickelt Reinert innovative Produkte wie die Chambelle und die Bärchenwurst. Seit 2001 führt Hans-Ewald Reinert das Familienunternehmen in dritter Generation.
Ein großer unternehmensgeschichtlicher Umbruch erfolgt 2019: Reinert und der Konkurrent Kemper Wurstwaren fusionieren zu The Family Butchers (TFB), dem zweitgrößten Fleischverarbeitungsunternehmen in Deutschland mit einem Marktanteil von 10 bis 20 Prozent. Die Inhaberfamilien beider Unternehmen halten jeweils die Hälfte der Anteile.

Klangvolle Spots machen Gutfried berühmt
„Gutfried, das ist gut für mich, oh ja“ – mit diesem gesungenen Slogan für seine Geflügelfleischprodukte erobert der Versmolder Hersteller Nölke Ende der 1980er-Jahre den Markt. 1968 führt das Unternehmen eine Geflügelwurst ein und kreiert 1971 die Marke Gutfried. Starke Werbemaßnahmen begünstigen den Erfolg, neben dem Slogan tragen dazu auch TV-Spots mit Berühmtheiten wie Johannes B. Kerner und seiner damaligen Frau Britta maßgeblich bei.
Die Geschichte des Versmolder Fleischwarenbetriebes beginnt vor genau 100 Jahren. 1924 gründeten die vier Brüder Heinrich, Gustav, Oskar und Otto Nölke die Firma Heinrich Nölke & Co. Ihre wichtigste Marke, Gutfried, ist seit zehn Jahren unter dem Dach der Zur-Mühlen-Gruppe.
Nach dem Verkauf des Familienbetriebes folgt 2017 die Umfirmierung in „HN Produktion GmbH & Co. KG“. Am Versmolder Standort werden Bedienungstheken- und Handelsmarkenprodukte hergestellt - vor allem Geflügelwurstware.
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Diese Marke macht Borgholzhausen zur Lebkuchenstadt
Borgholzhausens Image als Lebkuchenstadt ist der Geschichte dieses Familienbetriebs zu verdanken. Die Firma Heinrich Schulze wird 1830 von Johann Heinrich Schulze gegründet – und ihre Tradition ließe sich wohl kaum besser belegen als mit dem Umstand, dass ihr Stammhaus in der Freistraße noch heute unverändert ist. Ursprünglich werden die Backwaren auf Jahrmärkten verkauft, und die Lebkuchenbäckerei entwickelt sich zur Spezialität des Gründers.
1870 tritt Carl Knaust, der später in die USA ging, um seine Kenntnisse zu erweitern, in den Betrieb ein. Nach seiner Rückkehr mit einem umfangreichen Rezeptbuch heiratet er die Erbin Alma Schulze und baut die Backstube zur Fabrik aus, was zur Gründung der ersten Westfälischen Leb- und Honigkuchenbäckerei führt.
1903 kommt Sohn Heinrich Knaust ins Unternehmen und stellt später auf maschinelle Fertigung um. 1959 zog die Produktion in eine alte Segeltuchfabrik um, wo sie noch heute ansässig ist. Die vierte Generation, Karl und Heinrich Knaust, treibt den Ausbau des Betriebes voran. In den 70er Jahren wird das Unternehmen unter der Leitung von Jochen und Peter Knaust, der fünften Generation, zu einer international bekannten Großbäckerei.
Nach einem Großbrand im Jahr 1997 wird die Produktion unter dem Markennamen „von Ravensberg“ schnell wieder aufgenommen. Heute wird das Unternehmen von Arne und Birte Knaust, der sechsten Generation, geleitet. Die Marke „Schulze“ ist zurück, und das renovierte Ladencafé ist sieben Tage die Woche geöffnet.

Spitzensportler tragen Mode aus Werther
Deutsche Top-Reiter, die rund um den Globus mit ihren Pferden über die Hindernisse fliegen, tun das in Ausrüstung von Pikeur. 1957 beginnt Haefner & Co. in Uchte, 60 Kilometer nordwestlich von Hannover, mit der Produktion von Reitmoden. Bis dahin war im Reitsport die Einzelanfertigung nach Maß üblich. Die Produkte wurden direkt an den Endverbraucher versandt. Das Unternehmen wird 1964 zu Pikeur und leitet die industrielle Fertigung von Reitmoden in Deutschland ein. Die Entwicklung neuer Materialien für optimale Passform, Widerstandsfähigkeit und Modebewusstsein steht dabei im Fokus. 1972 erfolgt dann der Durchbruch im Spitzensport: Pikeur beginnt eine langjährige Kooperation mit dem Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei und wird offizieller Ausstatter.
Die Brinkmann-Gruppe übernimmt das Unternehmen 1990 und firmiert es um in Pikeur Reitmoden Brinkmann GmbH & Co. KG, Herford. Unter der Leitung von Friedrich Wilhelm Brinkmann und seinen Söhnen Klaus und Wolfgang Brinkmann, beide aktive Reiter, expandiert das Unternehmen weiter und zieht 2001 in ein neues Verwaltungsgebäude in Werther. Zum 50-jährigen Bestehen, 2007, erweitert Pikeur seine Kapazitäten in Werther.
Wolfgang und Klaus Brinkmann werden ab 2015 von ihren Söhnen Markus und Julius unterstützt, die in die Geschäftsführung einsteigen. Zwei Jahre später erweitert Pikeur sein Engagement als Ausrüster des Olympiade-Komitees für Reiterei und wird Hauptsponsor der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.
2020 wird das neue Logistikzentrum in Werther in Betrieb genommen. Auf einer Nutzfläche von 17.000 Quadratmetern werden bis zu 1.200 Pakete am Tag in über 65 Länder verschickt.

Kiskers kluge Kaufleute produzieren in Halle
Die Geschichte einer bekannten Brennerei beginnt einst mit Leinen. Was zunächst einmal seltsam klingt, macht mit Blick auf die Geschichte eines knapp 300 Jahre alten Familienunternehmens aus Halle aber durchaus Sinn.Denn als Johann Anton Kisker aus Spenge 1732 die Haller Bürgermeistertochter Anna Maria Brune heiratet, übernimmt er das Leinengeschäft – das spätere Kiskerhaus. Es entwickelt sich zum Handelshaus, zu dessen Gütern schnell auch Branntwein und Tabak zählten. Der Grundstein ist gelegt.
Von 1810 bis 1813 verläuft die Grenze zwischen dem Kaiserreich Frankreich und dem Königreich Westfalen mitten durch Halle, was kluge Kaufleute wie Wilhelm Kisker in der dritten Generation wirtschaftlich zu nutzen wissen. Er wandelt den Unternehmenszweck vom Handel zur eigenen Produktion und modernisiert die Branntweindestillation.
Eduard Kisker tritt 1878 in die Firma ein und entwickelt die industrielle Fabrikation weiter. 1884 und 1904 baut er zwei Brennereien. Nach dem Zweiten Weltkrieg müssen Wilken Christoph Kisker und Herbert Kisker den Betrieb neu aufbauen. In den Jahren 1978 und 1979 forciert Cornelius Kisker Planung und Bau des neuen Betriebes in Künsebeck.Dort werden heute auf 17.000 Quadratmetern Fläche Kisker-Produkte nach traditionellen Verfahren hergestellt und mit modernen Anlagen abgefüllt, verpackt und versendet. Sehr beliebt ist nach wie vor der Steinhäger, der selbstverständlich nur in Steinhagen gebrannt werden darf. Kiskers Tochterfirma Zum Fürstenhof Robert H. Günther gehört neben dem Unternehmen Schwarze-Schlichte zu den einzigen traditionellen Herstellern.
Die Brennerei Wilhelm Kisker zählt zu den ältesten Familienunternehmen in Deutschland. Seit Januar ist Lisa Kisker, Tochter von Chef Cornelius Kisker, mit im Boot.