Der Wochenkommentar

Jetzt zählt es: Warum die Haller Gesamtschule den Plan B dringend braucht

Die Sondersitzung des Haller Schulausschusses brachte das klare Bekenntnis für den Erhalt der Schulform. Doch Appelle sind jetzt nicht mehr ausreichend, es geht um Zahlen. Und die Zeit wird knapp.

Mit viel Eigentinitiative haben Lehrer, Eltern und Schüler den Schulhof der Gesamtschule umgestaltet. Auch inhaltlich mutet die Zukunft des Standortes derzeit noch wie eine Baustelle an. | © Gesamtschule Halle

Marc Uthmann
13.07.2024 | 13.07.2024, 11:03

Nur knapp eine Stunde dauerte sie, die mit Spannung erwartete Sondersitzung des Schulausschusses am Donnerstagabend. Und das war ein gutes, ein starkes Zeichen. Weil Verwaltung und Politik einstimmig und nachdrücklich demonstrierten, dass sie hinter der Schulform Gesamtschule stehen und für sie auch eine Zukunft sehen. Weil die Verantwortlichen sich überzeugt zeigten, die notwendigen 100 Anmeldungen für das Schuljahr 2025/26 auch zu erreichen.

Diese Geschlossenheit wurde flankiert von einer lang ersehnten Personalie: Pünktlich zu dieser wegweisenden Sitzung stellte sich in Matthias Geukes ein neuer Schulleiter mit Renommee und zugleich Erfahrung am Standort Masch und mit schwierigen Aufgaben vor: Er hat vor einigen Jahren die Haller Hauptschule abgewickelt, jetzt will er die Gesamtschule retten - die schwierigen Rahmenbedingungen waren ihm dabei durchaus bewusst. Das ist Kampfgeist, der beeindruckt und in den kommenden Wochen und Monaten auch mitreißen könnte.

Doch bei aller Aufbruchstimmung, welche die Beteiligten in der Sondersitzung offenbar zu erzeugen bemüht waren: Dass die Gesamtschule Halle in größeren Schwierigkeiten denn je steckt, darf nicht wegdiskutiert werden. So überzeugt Stadt, Politik, Schulleitung, Lehrerschaft, Eltern und Schüler von der pädagogischen Qualität der Schule jetzt auch sein mögen: Jetzt zählt zunächst einmal nur noch eine Zahl. 100 Anmeldungen müssen für das übernächste Schuljahr erreicht werden, sonst ist die Gesamtschule Halle in ihrer jetzigen Form Geschichte.

Weniger Zeit, für die Gesamtschule zu werben

Und was verschärfend hinzukommt: Die Zeit wird knapp. Nur mit einem vorgezogenen Anmeldeverfahren hätten Eltern bei Nichterreichen der 100 Anmeldungen im Anschluss noch Gelegenheit, ihre Kinder relativ einfach an einer anderen Schule unterzubringen. Und nur diese Option würde sie davon überzeugen, für Sohn oder Tochter die Gesamtschule Halle zu wählen, deren Zukunft ja noch gar nicht gesichert ist.

Heißt im Umkehrschluss: Bei einem Anmeldeverfahren womöglich noch in diesem Jahr haben Matthias Geukes und sein Team weniger Zeit, für ihre Bildungseinrichtung zu werben, von ihr zu überzeugen. Umso wichtiger, dass die Vakanz auf dem Leitungsposten nach Monaten endlich beendet ist: Weil es das Image der Gesamtschule Halle stärkt - und das spielt bei der Entscheidung von Eltern nun einmal eine wesentliche Rolle, wie die vergangenen Jahre bewiesen haben.

Mittlerweile geht es allerdings um mehr als nur die Schulform an der Masch. Es geht darum, den Schulstandort nachhaltig zu sichern. Darum muss eine klare Entscheidung darüber gefällt werden, was passiert, wenn das Ziel 100 nicht erreicht wird.

Anschluss an die PAB-Gesamtschule nachvollziehbare Alternative

Es war nachvollziehbar, dass die Politik einstimmig dafür votiert hat, sich in diesem Fall der PAB-Gesamtschule des Kreises anzuschließen. Und zwar aus folgenden Gründen: Erstens würde damit die Kontinuität der Schulform gewährt. Zweitens würde Halle dann womöglich auch von der großen Attraktivität der PAB profitieren: Bislang pendeln viele Versmolder Kinder nach Borgholzhausen, was wiederum Borgholzhausener Kinder zum Weg nach Werther zwingt. Stünde Halle als dritter Standort der Kreis-Gesamtschule zur Verfügung, würden viele Wege gespart - und die Masch könnte sicherlich ein neues Einzugsgebiet erschließen. Und parallel auch mehr Schüler in der Stadt halten, die bislang nach Steinhagen fahren.

Problem nur: Obwohl die Bezirksregierung diese Variante selbst ins Spiel gebracht hat, scheint der Kreis als Träger nicht begeistert vom weiteren Aufblähen seines Erfolgsmodells zu sein. Diese Frage gilt es jetzt dringend zu klären, um mehr Klarheit für die Perspektive des Schulstandortes zu schaffen.

Und die verbliebenen Alternativen? Eine Realschule wäre letztlich ein erzwungener Schritt zurück. Ein Bruch mit all den Vorstellungen und Zielen, die mit der Gründung der Gesamtschule verbunden waren. Ähnlich sähe es bei der Sekundarschule aus, die offenbar Probleme hat, mit ihrem inhaltlichen Ansatz die Eltern zu erreichen. Das zeigen die Schwierigkeiten der Verantwortlichen in Versmold mit den Anmeldezahlen.

Dauerdruck der Zahlen beflügelt die Verantwortlichen nicht

Aber vielleicht ist es gerade jetzt - in der größten Krise - auch an der Zeit, sich ein wenig von der dogmatischen Diskussion um eine Schulform zu lösen. Matthias Geukes und sein engagiertes Team müssen jetzt eine Art von Aufbruchstimmung erzeugen, bei der die ominöse 100 nicht angsteinflößend über allem schweben darf. Bislang hat der - auch aus Detmold erzeugte - Dauerdruck nicht dazu geführt, den Standort Masch zu stärken. Der braucht jetzt aber Ruhe, und das Schulteam endlich einmal Zeit, kontinuierlich arbeiten zu können.

Aber was geschieht eigentlich, wenn die 100 Anmeldungen jetzt geschafft werden und im folgenden Jahr wieder nicht? Bleibt die Gesamtschule dann eine dauerhafte Hängepartie? Das wäre den Verantwortlichen nicht zu wünschen. Im Verlauf der aktuellen Debatte sollten alle Beteiligen nicht aus den Augen verlieren: Welche Zukunft der Standort auch immer hat, sie sollte von mehr Stabilität geprägt sein.