Kurzschlüsse im Erdkabeldialog: Streit um Stromtrasse nimmt kein Ende

Mit „Erdverkabelung? – Nein Danke“ meldet sich die „Landwirtschaft Borgholzhausen“ zu Wort. Sie will ihre Aktion als Hilferuf verstanden wissen. Die Firma Amprion bekräftigt dagegen noch einmal ihren Standpunkt und will ein Erdkabel.

Mit ihren Bannern und Plakaten empfingen die betroffenen Landwirte und Grundstückseigentümer am Freitag die Teilnehmer des Planungsdialogs. | © Thomas van Zütphen

Andreas Großpietsch
09.09.2020 | 09.09.2020, 05:03

Borgholzhausen. Eine örtliche Bürgerinitiative zieht mit dem Schlachtruf „Erdverkabelung? – Nein danke" ins Feld, während der Netzbetreiber Amprion darauf besteht, in Borgholzhausen eine 4,2 Kilometer lange 380 kV-Höchstspannungsleitung unterirdisch zu verlegen: Eine solche Ausgangsstellung hört sich eigentlich nach Satire an. Doch der Fall ist komplizierter und eine Lösung ist derzeit nicht absehbar. Manchmal hilft der Blick zurück, um wenigstens zu verstehen, wie es zu dieser Situation kommen konnte.

Am Anfang war alles zwar nicht einfach, aber ganz anders: Die Amprion GmbH wollte gern eine Freileitung errichten und in Borgholzhausen entstand sehr früh eine Bürgerinitiative, die für eine Erdverkabelung kämpfte. Und sich auch nicht scheute, den Kampf gegen ein Bundesgesetz aufzunehmen. Mit Engagement und Beharrlichkeit schaffte man in Borgholzhausen, was auf der gesamten Baustrecke von Gütersloh bis zur Landesgrenze eigentlich unmöglich erschien: zumindest ein Stück Erdverkabelung zu erhalten.

Halles neues Wahrzeichen, der Mast an der Autobahnauffahrt Alleestraße, zeigt, wohin die Reise geht, wen es kein Erdkabel in Pium gibt. - © Andreas Großpietsch
Halles neues Wahrzeichen, der Mast an der Autobahnauffahrt Alleestraße, zeigt, wohin die Reise geht, wen es kein Erdkabel in Pium gibt. (© Andreas Großpietsch)

Borgholzhausen kämpfte allein für die Erdverkabelung

4,2 Kilometer lang soll es werden und dafür sorgen, dass man in Borgholzhausen künftig nicht mal aus dem Kirchturmfenster eine Freileitung sehen kann. Einstimmige Ratsbeschlüsse unterstützten die Initiative – und gelten übrigens bis heute. Sie fordern eine Erdverkabelung und erklären sinngemäß: „Eine Höchstspannungsfreileitung ist auf dem Gebiet der Stadt Borgholzhausen insgesamt unverträglich und in dieser Form undurchführbar." Im Originalbeschluss wird noch versucht, die betroffenen Partnerkommunen aus dem Kreis Gütersloh mit ins Boot zu holen. Im weiteren Verfahren gab es von den Nachbarn allerdings keinerlei Unterstützung.

Das Ergebnis ist derzeit in Halle zu bewundern, wo die gigantischen Masten schon ohne die Stromkabel einschüchternd genug wirken. Doch einen Grund zum Feiern gibt es derzeit auch in Borgholzhausen nicht, weil sich Widerstand gegen die Erdkabelpläne regt. Ginge es bei der Kommunalwahl allein nach der Anzahl und der Größe der Plakatierungen, so müsste die Anti-Erdkabel-Partei die Wahl in Borgholzhausen für sich entscheiden, könnte man meinen. Doch eine solche Partei gibt es natürlich nicht.

Nicht gegen Erdkabelverlegung, sondern für eine grabenlose Verlegung

Allerdings gibt es eine rege Gruppierung von Grundbesitzern, die mit Hilfe einer Werbeagentur Stimmung gegen die Erdkabel-Pläne macht. Wobei diese Ablehnung offenbar nicht ganz so vollständig ist, wie es der Slogan nahelegt. Denn bei einer Demonstration am vergangenen Freitag kam es zu einer Präzisierung des Anliegens durch Georg Graf von Kerssenbrock, sagt Borgholzhausens Bürgermeister Dirk Speckmann: „Das Statement, keinesfalls gegen die Erdverkabelung zu sein, sondern vielmehr für eine grabenlose Verlegung einzutreten, kam für mich völlig überraschend", sagt er.

Diese Klarstellung sei sehr gut, meinte der Bürgermeister. Denn die Darstellung auf den Plakaten und auf der Website hätte ihn anderes vermuten lassen. „Ich bin sehr dankbar für diese Klarstellung", sagt der Bürgermeister. Denn so gebe es keinen Dissens bei der Umsetzung der Ratsbeschlüsse. Diese Umsetzung befördert Speckmann auch durch seine Mitarbeit im sogenannten Planungsdialog, der am vergangenen Freitag wieder getagt hat.

Arnold Weßling fühlt sich "an die Seite gestellt"

Dort sind zwar auch Politiker vertreten, doch sind sie klar in der Minderheit. Was nicht überall auf Gegenliebe stößt. Arnold Weßling (CDU), der Vorsitzende des Planungs- und Bauausschusses der Stadt Borgholzhausen, findet klare Worte: „Amprion hat im Ausschuss noch nie zum aktuellen Stand des Verfahrens vorgetragen", kritisiert er den Netzbetreiber und legt nach: „Ich fühle mich von Amprion an die Seite gestellt – dabei habe ich immer versucht, alle Seiten zusammenzubringen."

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Mit dem Planungsdialog hat die Firma Amprion ganz bewusst versucht, neue Wege zu beschreiten. Das Gremium fasst keine verbindlichen Beschlüsse und ist dem offiziellen Verfahren vorgelagert. Gleichwohl hat Amprion Anregungen aus dem Planungsdialog aufgegriffen. Das Ziel der Sache war eigentlich, bereits im Vorfeld etwas Dampf aus dem Kessel zu nehmen.

Das Genehmigungsverfahren beginnt erst Ende des Jahres

Denn das eigentliche Genehmigungsverfahren soll erst Ende des Jahres beginnen, wenn Amprion seine Planung der Bezirksregierung vorlegt. Die prüft die Unterlagen und leitet dann die Bürgerbeteiligung ein.

Einer der Knackpunkte wird offenbar die Vorgehensweise der Erdkabelverlegung sein. Amprion sieht keine Alternative durch Bohrverfahren, fasst Sprecher Michael Weber das Ergebnis der Bodenuntersuchungen zusammen, die Grundlage für die gewählte Baumethode sind.

„Wir sind auf der Zielgeraden und halten an der Absicht fest, Ende des Jahres die Unterlagen einzureichen", sagt er. Bis dahin sollte die 380 kV- Höchstspannungsfreileitung im Bereich Halle und Steinhagen schon längere Zeit verkabelt sein.