Stromautobahn in Borgholzhausen: Erdkabel und ihre Langzeitfolgen

Borgholzhausen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Stromtrasse in Borgholzholzhausen gibt dem Übertragungsnetzbetreiber Amprion weitestgehend Grünes Licht zum Weiterbau der Stromautobahn. Dennoch bleiben - besonders für die betroffenen Landwirte vor Ort - drängende Fragen zum Natur- und Umweltschutz. Wie groß werden die Schäden durch die Verlegung der gut vier Kilometer langen Erdkabelstrecke wirklich sein? Wie wirken sich die Erdkabel erst im späteren Betrieb auf Natur und Boden aus? Ein Überblick. Wie werden die Erdkabel verlegt? In Borgholzhausen lässt Amprion die Erdkabel in der sogenannten &bdquo;offenen Bauweise“ mit einem rund 30 Meter breiten Graben verlegen. Der Netzbetreiber hat sich zwischen Halle-Hesseln und Melle-Wellingholzhausen bewusst gegen die Alternative der &bdquo;geschlossenen, grabenlosen Bauweise“ entschieden. Kritiker wie der Biologe Mathias Wennemann, der zudem Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegend ist, bemängeln, dass man mit der Baumethode weder umweltschonend, noch ressourcensparend Rohre und Kabel verlegen würde. Wennemann bezeichnet die Verlegung der Erdkabel in der offenen Bauweise als &bdquo;Technik der Steinzeit“. Das koste mehr Zeit, mehr Geld, verbrauche deutlich mehr CO2 und schädige die Böden. Auch interessant: Urteil zur Amprion-Stromtrasse in Borgholzhausen: Das sagen die Beteiligten Problematisch ist, dass es zu den Erdkabelverlegungen und deren Auswirkungen aufgrund des Pilotprojekt-Charakters erst in einigen Jahren verlässliche Studien geben kann. Dennoch hat die Bundesnetzagentur diese Problematik im Blick. Sie wird &bdquo;die Weiterentwicklungen der Verlegetechnologien aufmerksam verfolgen“ und hat eine bodenkundliche Baubegleitung für Netzbetreiber wie Amprion zur Pflicht gemacht. Spezialunternehmen für die neuen Bohrverfahren wie zum Beispiel die Firma Tracto aus dem Sauerland bieten überdies Beratungen und Schulungen für die Netzbetreiber und die ausführenden Baufirmen an. Wie stark erwärmt sich der Boden über einem Erdkabel? Dies lässt sich momentan pauschal nicht abschließend sagen, da stets die Verhältnisse vor Ort in Betracht gezogen werden müssen. Von Bedeutung sind Verlegungsart (Rohre), Verlegungstiefe, Bodenumgebung sowie die Art der Stromleitung. Zudem gibt es noch keine Erdkabeltrasse in Deutschland, die seit längerer Zeit in einem normalen Dauerbetrieb läuft. Dennoch haben die Netzbetreiber Amprion und Tennet Pilotprojekte und Versuche in Auftrag gegeben, die den Regelbetrieb simulieren sollen. Für Amprion arbeitete Bodenökologie-Professor Peter Trüby aus Freiburg, für Tennet der Bodenkundler Christian Ahl von der Universität Göttingen. Kritiker bemängeln, dass die Pilotprojekte von den Betreibern beauftragt sind und demnach nicht unabhängig seien. Beide Wissenschaftler widersprechen den Befürchtungen von Bauern und Umweltschützern. Der Borgholzhausener Landwirt Georg von Kerssenbrock glaubt, dass &bdquo;ich dann eine Fußbodenheizung im Acker liegen habe“. Die Wissenschaftler hingegen erachten die &bdquo;bodenökologischen Effekte von untergeordneter Relevanz“. Trüby, der den ersten Wechselstrom-Erdkabelpiloten in Raesfeld (NRW) begleitete, kommt zu dem Schluss: &bdquo;Die vielfach geäußerten Befürchtungen, die von den Erdkabeln ausgehende Bodenerwärmung könnte zu substanziellen Ertragseinbußen oder gar zu einem Totalausfall landwirtschaftlicher Kulturen führen, sind durch die Experimente widerlegt.“ Zum Thema: Stromtrasse in Borgholzhausen: Kläger erwarten finalen Gerichtstermin In seinem Gutachten kommt Trüby zu dem Ergebnis, dass sich die Erwärmung des Bodens vor allem auf den Bereich direkt über dem Kabel beschränkt. Bei dauerhaft 50 Grad Celsius am Rohr könne die Temperatur an der Oberfläche um maximal drei Grad steigen. Der Wasserhaushalt des Bodens sei nicht beeinflusst worden. Auch die Auswirkungen auf die Landwirtschaft seien gering. Ähnlich sieht es Christian Ahl, der in Reinshof (nahe Göttingen) forschte. Er ermittelte eine &bdquo;Bodenerwärmung im Normalfall von zwei Grad Celsius und im Notfall von sieben Grad Celsius“. Ahl räumt jedoch ein: &bdquo;Ob die Ergebnisse von den Göttinger Lößlehmstandorten auf andere Standorte übertragbar sind, ist noch nicht abschließend geklärt.“ Gut vier Kilometer Erdkabel in Borgholzhausen Genau da legt Biologe Mathias Wennemann den Finger in die Wunde: &bdquo;Das Gutachten von Professor Trüby für Amprion ist nicht maßgeblich und nicht repräsentativ.“ Er sieht noch jede Menge Forschungsbedarf bei den Auswirkungen von Erdkabeln auf die Landwirtschaft. &bdquo;Verschiedene Standorte sind unterschiedlich sensibel, je nach Wassergehalt und Boden“, gibt er zu bedenken. Auch über die biochemischen Auswirkungen sei wenig bekannt - ebenso über die Folgen für Flora und Fauna, speziell die Mikrobiologie der Bodenorganismen. Passend dazu: Urteil bringt Grundsatzentscheidung für Stromnetzausbau in Borgholzhausen &bdquo;Solche grundsätzlichen Fragen sollten eigentlich im Vorfeld geklärt werden“, sagt Wennemann. Stattdessen werde die Erdverkabelung zu einem großen Experiment. Daher fordert er eine bodenkundliche Begleitung beim Bau der Trassen und eine langfristige Überwachung beim Betrieb der Leitungen. &bdquo;Temperatur, Wasser, Pflanzenphysiologie, Artenspektrum, Mikrobiologie – all das muss gemessen werden“, so Wennemann. Ist der Ackerboden mit Erdkabeln dauerhaft unfruchtbarer? Dazu schreibt die Netzagentur: &bdquo;Der Boden über einer Erdkabeltrasse kann nach Abschluss der Bauarbeiten und einer Erholungsphase in der Regel wieder landwirtschaftlich genutzt werden, zum Beispiel zum Anbau von Zuckerrüben und Getreide. Pflanzen, die mehr als ein Meter tiefe Wurzeln ausbilden, dürfen auf den Schutzstreifen allerdings nicht wachsen.“ Die Erholungsphase beziffert der Hamburger Landschaftsarchitekt Karsten Runge auf drei bis fünf Jahre. Wissenschaftler: Kein negativer Einfluss auf das Grundwasser Knackpunkt ist auch hier, dass es bisher keine verlässlichen Studien zu den Langzeitfolgen gibt - nicht geben kann -, weil noch kein dauerhafter Regelbetrieb existiert. Auch hier nähert man sich der Problemlösung mit ersten Untersuchungen. In einem Sachstandsbericht zu einer Fragestunde im Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2017 heißt es dazu: Man habe punktuell ein stark vermindertes Wachstum von Maispflanzen festgestellt. Und weiter: &bdquo;Bei den bisher in Dänemark verlegten Kabeln wurden allerdings keine derartigen Auswirkungen beobachtet, es gab auch keine Beschwerden von Landnutzern.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Auch Trüby kommt nach seinen Feldversuchen zu dem Ergebnis, dass Hochspannungserdkabel &bdquo;marginalen beziehungsweise keinen Einfluss auf Getreide- und Kartoffelanbau haben“. Es gebe &bdquo;keine substanziellen Ertragseinbußen“. Ein negativer Einfluss auf das Grundwasser wird von den Wissenschaftlern ausgeschlossen.

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