Der Wochenkommentar

Warum lässt sich Amprion im Altkreis Halle nicht in die Karten schauen?

Ein Pilotprojekt des Übertragungsnetzbetreibers in Borgholzhausen steht derzeit vor Gericht. An anderer Stelle verfolgt das Unternehmen gerade eine Nicht-Kommunikation. Was daraus folgt.

Die Stromtrasse durch Borgholzhausen hat die Stadt im letzten Jahr dauerhaft beschäftigt. | © Ulrich Fälker

Marc Uthmann
07.12.2024 | 09.12.2024, 10:28

Wenn man einen Moment darüber nachdenkt, dann ist die aktuelle Situation schon paradox. Und man kann womöglich auch die Verantwortlichen des viel kritisierten Übertragungsnetzbetreibers Amprion ein wenig verstehen - und zwar darin, wenn sie ihrerseits die Welt nicht mehr verstünden.

Jahrelang engagierte sich die Bürgerinitiative „Keine 380-kV-Freileitung am Teuto“ gegen mächtige Strommasten, die durch die Landschaft von Borgholzhausen und umliegenden Gebieten führen sollten. Sie drohten mit Klage. Jetzt wird das Projekt Stromtrasse tatsächlich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt.

Aber nicht etwa wegen Freileitungen. Denn die frühere Bürgerinitiative hatte Erfolg, und Amprion verlegt die mächtigen Kabel auf einem Abschnitt von 4,2 Kilometern in der Nähe des Borgholzhausener Siedlungsgebietes jetzt unter der Erde. Was wiederum drei Landwirte bekämpfen, die mit drohender Existenzvernichtung, Schädigung ihres Bodens und Verfahrensfehlern argumentieren - und gerichtlich gegen die genehmigende Bezirksregierung Detmold vorgehen.

Amprion denkt sich: Wir können es niemandem recht machen

Bei Amprion mag man sich nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit den Gegnern des Projektes und bei allen berechtigten Argumenten heute denken: Wir können es ja eh niemandem recht machen. Aus Sicht der Planer klingt das wie ein böser Traum, aus dem man nicht mehr aufwacht.

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Ginge es nach allen Gegnern, käme wohl gar keine neue Stromtrasse. Doch Moment, das geht ja auch nicht. Übertragungsnetzbetreiber wie Amprion sind damit beauftragt, die Stromversorgung zukunftssicher zu machen. Und ein wenig managen sie auch die Energiewende mit - weil sie Strom von dort, wo er erzeugt wird, über große Strecken dorthin transportieren, wo er gebraucht wird.

Das Ganze noch möglichst kostengünstig, damit die Strompreise für die Industrie und die Verbraucher nicht zu stark steigen und unsere etwas schwächelnde Wirtschaft endlich wieder in Schwung kommt. Weshalb mancher Stadtwerke-Chef nun wieder fordert, auf Erdverkabelung zu verzichten, weil: zu teuer.

Menschen werden beim Phasenschieber im Dunkeln gelassen

Die Welt ist also sehr komplex, die Interessenlagen sind verworren. Und ein Unternehmen, das nach jahrelangen Protesten eine alternative Lösung umsetzt, die dann erneut beklagt wird, könnte dazu tendieren, seinen Weg noch kompromissloser zu gehen - Applaus gibt es ja eh nicht.

Genau darauf scheint die Kommunikationsstrategie hinzudeuten, die Amprion aktuell fährt. Die Anwälte der Kläger beim Prozess in Leipzig kritisieren scharf, dass Amprion wie die Bezirksregierung mitunter einfach Dinge tue oder Fakten schaffe, ohne alle Beteiligten ausreichend zu informieren.

Ein Muster, das sich bei einem anderen schwer umstrittenen Megaprojekt für die Region wiederholt: dem Phasenschieber. Dabei handelt es sich um riesige Transformatoren zur Stabilisierung des Stromnetzes: Amprion benötigt neun Hektar Fläche, drei sogenannte „Suchräume“ befinden sich auf dem Gebiet des Kreises zwischen den Umspannanlagen Hesseln und Gütersloh.

Zeitplan für Mega-Anlage ist so nicht mehr zu halten

Betroffen sein könnten der Ströhen zwischen Steinhagen und Bielefeld, eine Fläche in Künsebeck oder Blankenhagen in Gütersloh. Der Übertragungsnetzbetreiber hatte versprochen, den Kreis Gütersloh über den Stand der Planungen auf dem Laufenden zu halten - aber nichts tut sich. Die Behörde und letztlich auch die Menschen, die sich Sorgen um ihre Heimat machen, werden mit den immer gleichen Statements abgespeist.

Dabei sind die Nachfragen keinesfalls Ausdruck von Ungeduld. Das Genehmigungsverfahren sollte noch in diesem Jahr starten, Baubeginn für den Phasenschieber 2025 sein und die Anlage 2028 ihren Betrieb aufnehmen. Jetzt wird es in diesem Jahr keine Informationen mehr geben, die Menschen bleiben im Ungewissen.

Natürlich ist die Aufgabe von Amprion schwierig, das beweist die Stromtrasse in Borgholzhausen. Aber tut sich das Unternehmen mit dieser „Nicht-Kommunikation“ wirklich einen Gefallen? Oder ist sie im Gegenteil sogar Strategie? Nach dem Motto: Egal, wie wir entscheiden, wir kassieren eh Kritik. Also gehen wir so weit wie möglich unseren Weg und schaffen Tatsachen. Eins steht fest: Vertrauensbildend wäre dieser Kurs in keinem Fall. Und würde womöglich wieder vor Gericht führen. Aber das ist für Amprion-Projekte - siehe Leipzig in diesen Tagen - ja mittlerweile Tagesgeschäft.