
Steinhagen. Es ist höchst spannend, den 380-kV-Masten, wie sie derzeit in Steinhagen auf dem Ströhn und in der Patthorst entstehen, beim Wachsen zuzusehen. Die meisten der neuen Masten wurden in den vergangenen Monaten bereits aufgestellt, einige warten noch auf Vollendung. Anfang des Jahres hatte der Dortmunder Stromnetzbetreiber Amprion mit den Arbeiten begonnen. Etwa drei Monate brauchen die spezialisierten Bautrupps, um eines der stählernen Ungetüme zu errichten
Erst wenn alle Masten des hiesigen Abschnittes fertiggestellt sind, beginnt der sogenannte „Seilzug", also das Auflegen der Stromkabel. Die Reihenfolge der Bautätigkeit an den einzelnen Maststandorten ist abhängig von vielen Faktoren, zum Beispiel den naturschutzfachlichen Bedingungen.
Fast 72 Meter sind die Masten im Durchschnitt hoch, einige sogar noch höher. Mehr als 50 Tonnen Stahl werden für jeden verschraubt. Zigtausend kleine und größere Teile, massive Schauben und Muttern sollen die Konstruktionen auf Jahrzehnte sichern.
Neue Masten sind etwa doppelt so hoch, der höchste hat 80 Meter
Nur mit Hilfe eines Spezialkrans, auf den noch einmal eine zusätzliche Verlängerung aufgesetzt wird, lassen sich die obersten vorgefertigten Teile montieren. Die können, wie beim höchsten Mast des Abschnitts zwischen Gütersloh und Hesseln auf dem Haller Storck-Werksgelände, schon mal 80 Meter erreichen.
Schon jetzt zeigen die 60-Meter-Kolosse in der Patthorst, dass die neuen Strommasten deutlich auffälliger sind, als ihre kleineren Vorgänger. Die 110-kV-Masten, die dort bisher standen, waren etwas mehr als halb so hoch.
Insgesamt entstehen auf Steinhagener Gebiet 17 Freileitungsmasten für die Höchstspannungsleitung. Für die 80 alten Türme werden auf dem Abschnitt insgesamt 56 neue gebaut. Wie Amprion-Projektsprecherin Katrin Schirrmacher und Projektleiter Jonas Aßhoff auf Anfrage des Haller Kreisblattes mitteilen, liegt der Steinhagener Bauabschnitt „voll im vorgesehenen Zeitplan".

Widerstand aus der Bevölkerung hatte es hier wenig gegeben. Dass liegt vor allem daran, dass mit der Patthorst und dem Ströhen weitestgehend zersiedelte Bereiche betroffen sind. Nur einzelne Höfe haben unter den großen Masten zu leiden. In anderen Kommunen ist das anders. So hatte sich in Isselhorst eine Bürgerinitiative gegründet, die unter anderem forderte, die Stromkabel unter der Erde zu verlegen. Damit war die Gruppe gescheitert. In Borgholzhausen hingegen könnte die Bürgerinitiative mit dem selben Ziel Erfolg haben.
Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion betont indes immer wieder die Notwendigkeit der Leitung, die „eine der Hauptschlagadern der Energiewende im nördlichen Übertragungsnetz" sei, so der ehemalige Projektleiter Jörg Finke-Staubach.
Notwendig wegen der Liberalisierung des europäischen Stromnetzes
Die sogenannte „EnLAG 16"-Trasse verläuft in vier Abschnitten von Gütersloh bis Wehrendorf in Niedersachsen. Das Unternehmen Amprion, das aus der RWE-Netz-AG hervorgegangen ist, will mit dem Abschnitt bis zum Umspannwerk in Halle-Hesseln beginnen und danach Richtung Norden weiterbauen. Nördlich des Teutos könnte die Erdverkabelung beginnen.

Notwendig geworden war die 380-kV-Höchstpannungs-Trasse – von ihrem Typ sollen in Deutschland insgesamt 22 Stück im beschleunigten Verfahren entstehen – wegen der Dezentralisierung und der Liberalisierung des Stromnetzes. Ursprünglich war das deutsche Stromnetz auf die Versorgung durch einige große Kraftwerke zugeschnitten. Der laufende Ausbau wird von den Betreibern mit der Entstehung großer Windparks im Norden, aber auch der Ausweitung des Netzes auf ganz Europa begründet.