Steinhagens Bürgermeister Besser: „Die Bezirksregierung bremst uns aus“

Im HK-Interview zum Jahreswechsel übt Bürgermeister Klaus Besser Kritik am langwierigen Gebietsentwicklungsplan, der die Gewerbefläche Detert über Jahre zur Brache macht. Andere wichtige Großprojekte sollen 2020 umgesetzt werden

Interview Bürgermeister Klaus Besser | © Frank Jasper

22.12.2019 | 22.12.2019, 17:36

Herr Besser, das politische Spektrum wird sich in Steinhagen möglicherweise im nächsten Jahr erweitern. Die UWG will zur Kommunalwahl im September wieder antreten, die AfD hat einen Ortsverband gegründet, und die CDU kündigt einen eigenen Bürgermeisterkandidaten an. Das wird ein spannendes Wahlkampfjahr.

Besser: Das glaube ich auch. Nun ist Vielfalt nicht unbedingt von Nachteil und Wahlen leben davon, dass es Auswahlmöglichkeiten gibt. In sofern freue ich mich auf den Wahlkampf.

Werden Sie erneut antreten?

Besser: Ich bleibe bei meiner Linie und werde mich dazu erst im nächsten Jahr äußern.

Was raten Sie zum Umgang mit der AfD?

Besser: Zu Anfang haben die etablierten Parteien versucht, die AfD vollständig zu ignorieren. Ich denke aber, dass man sich mit ihr argumentativ auseinandersetzen muss. Nur auf diese Weise kann man sie und ihre Weltanschauung bloß stellen. Ich würde mich mit einem Herrn Gauland auch auf ein Podium setzen. Bei einem Herrn Höcke fiele mir das allerdings sehr schwer.

Auf Bundesebene erhalten sie von Ihrer Partei, der SPD, momentan keinen Rückenwind. Werden die schlechten Wahlergebnisse der vergangenen Zeit irgendwann auch auf kommunaler Ebene durchschlagen?

Besser: Wieso – wir sind doch jetzt schwer im Aufschwung.

Sie meinen das neue Führungsduo Walter-Borjans/Esken. Waren das auch Ihre Favoriten?

Besser: Ich war für das Duo Kampmann/Roth, das es aber nicht mal in die Stichwahl geschafft hat. Man wird sehen, wie jetzt Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken arbeiten. Davon abgesehen, glaube ich nicht, dass die Bundespolitik Einfluss auf die Kommunalwahl hat. Die Wählerinnen und Wähler unterscheiden sehr wohl, für welches Gremium sie ihre Stimme abgeben.

Blicken wir nach Steinhagen. Wie wirkt sich der im November vollzogene Autobahn-Lückenschluss auf die Gemeinde aus?

Besser: Der Verkehrsfluss hat sich nach dem Lückenschluss noch einmal verändert. Man merkt die stärkere Verkehrsbelastung auf der A 33 und die deutliche Entlastung der B 68. Viele, die sonst in Borgholzhausen von der Autobahn abgefahren sind und in Künsebeck nicht wieder drauf, fahren jetzt die Autobahn durch. Auf der Bielefelder Straße hat die Verkehrsbelastung vor allem durch Autos aus dem Bielefelder Westen und Dornberg zugenommen. Die kommen über Peter auf’m Berge, um dann in Steinhagen auf die Autobahn Richtung Paderborn oder Osnabrück aufzufahren. Auf der Brockhagener Straße haben wir eine deutliche Mehrbelastung aus Richtung Harsewinkel.

Gibt’s beim Thema Lärmschutz noch Hoffnung auf Nachbesserungen?

Besser: Wir haben bekanntermaßen freiwilligen Lärmschutz umgesetzt und später noch einmal eigene Gutachten angestellt. Das Ergebnis war, dass die Richtwerte eingehalten werden. Ich halte diese Richtwerte für zu hoch, aber der Bundesgesetzgeber hat sie so festgelegt. Die Möglichkeiten der Gemeinde sind damit ausgeschöpft.

Steinhagen könnte von der A 33 profitieren, indem Gewerbeflächen mit Autobahnanschluss angeboten werden.

Besser: Die Weichen dafür sind gestellt mit dem Ankauf der rund 30 Hektar großen Fläche Detert direkt an der A 33.

Dort wird sich aber über Jahre nichts tun. Ein Trauerspiel!

Besser: Wir hängen am Gebietsentwicklungsplan. Die Gemeinde Steinhagen wird von der Bezirksregierung immer wieder auf das Änderungsverfahren vertröstet, dessen Einleitung bedauerlicherweise immer weiter nach hinten verschoben wird. Dieses Prozedere kann so nicht fortgesetzt werden. Es bremst unsere industrielle Entwicklung für die nächsten fünf Jahre aus.

Bürgermeister Klaus Besser im Interview. - © Jonas Damme, HK
Bürgermeister Klaus Besser im Interview. (© Jonas Damme, HK)

Was schlagen Sie vor?

Besser:Die Bezirksregierung muss in der Lage sein, dort wo Flächen verfügbar sind, diese auch entwickeln zu lassen. Es kann nicht sein, dass eine ganze Region warten muss, bis ein neuer Gebietsentwicklungsplan kommt. Man muss auch unabhängig von großen Firmenerweiterungen wie Storck in Halle in der Lage sein, Flächen verfügbar zu machen für Betriebe, die sich ansiedeln wollen. Wenn die neue Regierungspräsidentin Judith Pirscher ihren Antrittsbesuch in Steinhagen machen wird, werde ich das Thema ansprechen.

Welche Chancen sehen Sie für das Gewerbegebiet Detert?

Besser: Wir haben die fertigen Pläne in der Schublade, und wir haben mehr als 30 Bewerbungen von interessierten Betrieben, die gut nach Steinhagen passen würden. Wir vertrösten die Interessenten von mal zu mal. Unser gemeinsames Vorhaben wird durch die nicht flexible Landesplanung ausgebremst.

Der Automobilzulieferer Schaeffler hat gerade erst angedroht, in Steinhagen bis zu 200 Stellen abzubauen. Wie könnte es weitergehen?

Besser: Ich habe den Konzernvorstand angeschrieben und deutlich gemacht, dass es sich um einen hervorragenden Standort handelt. Selbst wenn eine Produktsparte verlagert würde, bietet sich Steinhagen für ein innovatives anderes Produkt an. Vor diesem Hintergrund hoffe ich darauf, dass nicht nur Arbeitsplätze abgebaut werden, sondern neue entstehen. Bevor neue Werke in China und Vietnam gebaut werden, sollten bestehende Werke in Deutschland gehalten werden.

Machen sich Vorzeichen einer Rezession auch an anderer Stelle in Steinhagen bemerkbar?

Besser: In Steinhagen sind wir glücklicherweise nicht allein von der Automobil- und Bauindustrie abhängig, sondern haben auch Dienstleistungsunternehmen, die konjunkturunabhängig unterwegs sind. Da ist Steinhagen ganz gut aufgestellt. Aber wir sollten uns darauf einstellen, dass es nicht so dynamisch weiter geht, wie in den vergangenen drei Jahren.

In diesem Jahr gab es für Projekte, die die Gemeindeentwicklung betreffen, heftigen Gegenwind von Anwohnern. Stichwort KWG-Neubauten in der Finkenstraße. Hat die Politik nicht mehr das Ohr am Bürger?

Besser: Die Politik nimmt die Einwendungen der Bürger ernst. Das zeigen doch gerade die langwierigen Planverfahren in Amshausen. Aber natürlich müssen Politiker und Bürgermeister alle Interessen im Blick haben und nicht nur die Einzelinteressen der unmittelbaren Anwohner. Es gibt öffentliche Interessen nach preisgünstigen Mietwohnraum und nach einer Entwicklung der Infrastruktur.

Warum musste sich dann überhaupt ein Aktionsbündnis Amshausen gründen?

Besser: Für mich ist die Gründung des Aktionsbündnisses Amshausen eine Reaktion auf die Planungen nördlich und südlich der Amshausener Straße. Das ist eine normale Form der Bürgerbeteiligung, mit der die Politik umgehen muss. Was Bürgerbeteiligung angeht, fällt mir noch ein, dass wir in diesem Jahr besonders viele Bürgeranträge hatten. Etwa für die Beleuchtung eines Radweges in Brockhagen oder für die bessere Ausstattung des Schulhofs am Gymnasium. Das waren zudem ganz junge Bürger, die sich mit ihren Vorschlägen eingebracht haben.

Welche Großprojekte stehen im nächsten Jahr an?

Besser: Vermutlich ab März kommenden Jahres wird die Bahnhofstraße vom Landesstraßenbetrieb saniert. Der Bau des Hörmann-Sportzentrums durch die Spvg. beginnt ebenfalls im Frühjahr. Die Planungen für einen Neubau der Grundschule Brockhagen werden uns beschäftigen, außerdem müssen wir die Erweiterung des Gymnasiums durch die Umstellung auf G 9 im Auge behalten. Der Umbau des Busbahnhofs zur Mobilitätsstation ist für die zweite Jahreshälfte geplant. Und dann ist da noch der Bau der vierten Reinigungsstufe der Kläranlage. Das wird mit mehr als 10 Millionen Euro die mutmaßlich größte Investitionsmaßnahme im neuen Jahrzehnt.

Halten Sie diese Gewichtung für richtig?

Besser: Nein. Eigentlich muss in die Bildungsinfrastruktur oder in den Klimaschutz mehr Geld fließen, als in die Abwasserreinhaltung. 10 Millionen Euro sind sehr viel Geld, um die letzten ein, zwei Prozent Schadstoffe aus dem Abwasser herauszukriegen. Das ist aus meiner Sicht gesamtgesellschaftlich gesehen nicht die richtige Gewichtung. Aber diese Maßnahme ist für uns verpflichtend.