80 Jahre nach Kriegsende

Dramatischer Schusswechsel: Steinhagen erinnert an tödlichen Hinterhalt

Zeitzeugen zu finden, wird 80 Jahre nach Kriegsende immer schwieriger. Doch für eine besondere Veranstaltung im Steinhagener Rathaus hat ein 91-jähriger prominenter Gast zugesagt.

Nachdem die Amerikaner aus dem Hinterhalt angegriffen worden waren, schoss ein amerikanischer Panzer den Hof Detert 1945 in Brand. | © Sammlung Kai-Uwe von Hollen

Frank Jasper
18.03.2025 | 18.03.2025, 14:43

Steinhagen. 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs macht der Heimatverein Steinhagen darauf aufmerksam, was der Jahrestag vor allem bedeutet: nämlich 80 Jahre Frieden in Deutschland. Dass der nicht selbstverständlich ist, und wie die Menschen in Steinhagen das Kriegsende erlebt haben, daran soll eine besondere Veranstaltung am Donnerstag, 3. April, ab 18 Uhr im Rathaussaal erinnern. Das Datum ist mit Bedacht gewählt.

Der Bielefelder Generalleutnant Friedrich Karl Kühlwein hat die dramatischen Ereignisse rund um den 3. April 1945 aufgeschrieben. Damals ging Steinhagens Bürgermeister Carl-Gustav Meyer mit einem weißen Tuch in der Hand auf die nach Steinhagen vorgedrungenen amerikanischen Soldaten zu, um ihnen die Beseitigung der Panzersperren im Ort zu versprechen. Im Gegenzug erhielt Meyer die Zusage, dass Steinhagen verschont werde.

Doch auf Höhe des Hofes Detert kam es dann zu einem verhängnisvollen Zwischenfall. Ein Spähwagen der Amerikaner geriet hier in einen Hinterhalt deutscher Soldaten und wurde mit einer Panzerfaust beschossen. Dabei starben zwei Amerikaner.

Hinterhalt in Steinhagen endet mit acht Toten

Jürgen Obelode (l.), Petra Holländer und Udo Waschkowitz bereiten die Gedenkveranstaltung in Steinhagen vor. - © Frank Jasper
Jürgen Obelode (l.), Petra Holländer und Udo Waschkowitz bereiten die Gedenkveranstaltung in Steinhagen vor. (© Frank Jasper)

Die angegriffenen Amerikaner eröffneten laut den Aufzeichnungen von Friedrich Karl Kühlwein das Feuer, wodurch das Hauptgebäude des Hofes Detert in Flammen aufging. Beim folgenden Gefecht starben außerdem sechs deutsche Soldaten. Die Auseinandersetzung dauerte laut Kühlwein kaum eine Stunde. Die Amerikaner blieben noch bis zum Nachmittag in Steinhagen und zogen sich dann in Richtung Isselhorst zurück.

Auf dem Alten Friedhof in Steinhagen erinnert ein Gedenkstein an das Scharmützel. Darauf sind die Namen von fünf der sechs deutschen Soldaten verewigt. Der sechste soll am Vierschlingen beigesetzt worden sein. Die Namen der amerikanischen Soldaten sind nicht bekannt.

Lesen Sie auch: Bagger reißt bekanntesten Bauernhof in Steinhagen ab

Einer, der sich damals an die Absprache gehalten und eine Panzersperre in Brockhagen beseitigt habe, sei der Vater von Altbürgermeister Heinrich Consbruch gewesen, berichtet Petra Holländer vom Arbeitskreis Geschichte. Dem Heimatverein sei es gelungen, den 91-jährigen Altbürgermeister als Gastredner für die Gedenkveranstaltung am 3. April gewinnen zu können. „Heinrich Consbruch war damals elf Jahre alt und kann sich noch gut an das Kriegsende erinnern“, berichtet Petra Holländer. Das Beseitigen der Panzersperren sei alles andere als ungefährlich gewesen, hebt die ehemalige Gemeindearchivarin hervor.

Karte von Steinhagen zeigt die Panzersperren

Ein Gedenkstein auf dem Alten Friedhof erinnert an fünf der am 3. April 1945 in Steinhagen gefallenen Soldaten. - © Frank Jasper
Ein Gedenkstein auf dem Alten Friedhof erinnert an fünf der am 3. April 1945 in Steinhagen gefallenen Soldaten. (© Frank Jasper)

Der Brackweder Bürgermeister Hermann Bitter hatte bereits einen Tag, bevor die Amerikaner nach Steinhagen einrückten, eine Panzersperre an der Gütersloher Straße öffnen lassen, um Brackwede kampflos zu übergeben. Daraufhin wurde er von einem Kommandanten der Wehrmacht verhaftet und tags darauf in einer Waldschonung in Sieker erschossen.

Anhand der Zeitzeugenberichte und ausgesuchter Bilder soll an diese denkwürdigen Tage in und um Steinhagen erinnert werden. „Wir möchten erreichen, dass sich die Leute, so gut es geht, in diese Zeit hineinversetzen können“, erklärt Jürgen Obelode. Wie Udo Waschkowitz ergänzt, werde zu diesem Zweck den Gästen auch eine Karte gezeigt, auf der die Stellen mit Panzersperren in Steinhagen markiert sind.

Lesen Sie auch: Harsche Kritik am Friedensdenkmal für Steinhagen

„Zeitzeugen zu finden, die mit uns ihre Erinnerungen teilen, ist natürlich angesichts der Zeitspanne inzwischen schwierig“, sagt Petra Holländer. Darum greift der Heimatverein auch auf Aufzeichnungen von Steinhagenerinnen und Steinhagenern zurück, die an dem Abend im Rathaussaal in Auszügen vorgelesen werden.

Alt-Bürgermeister Heinrich Consbruch war elf Jahre alt, als die Amerikaner 1945 nach Brockhagen einzogen. - © Frank Jasper
Alt-Bürgermeister Heinrich Consbruch war elf Jahre alt, als die Amerikaner 1945 nach Brockhagen einzogen. (© Frank Jasper)

So liegen dem Arbeitskreis Zeitzeugenberichte von Dr. Jürgen Enkemann aus Amshausen, von Friedrich-Wilhelm Dickenhorst, Armin Rieke und Walter Goldbecker aus Brockhagen sowie von Luise Flick, geborene Duhme und Hilde Maschke aus Steinhagen vor. „Und dann gibt es natürlich den ausführlichen Bericht von Friedrich Karl Kühlwein, der uns ebenfalls vorliegt“, ergänzt Udo Waschkowitz.

Historiker hat Buch über Steinhagen in der NS-Zeit veröffentlicht

Die Einführung in die Veranstaltung wird der Bielefelder Historiker Jürgen Büschenfeld übernehmen. Büschenfeld hat 2018 das viel beachtete Buch „Steinhagen im Nationalsozialismus – Ländliche Gesellschaft im Gleichschritt“ veröffentlicht. Das Buch ist unter anderem im Steinhagener Rathaus erhältlich.

Lesen Sie auch: Steinhagen während der NS-Zeit: Gesellschaft im Gleichschritt

Der Arbeitskreis Geschichte des Heimatvereins ist unabhängig von der geplanten Veranstaltung zu 80 Jahren Frieden nach wie vor an Berichten von Zeitzeugen interessiert. Auch sogenannte Zweitzeugen, also Menschen, die durch das Weitergeben von Geschichten zu zweiten Zeugen wurden, können sich gerne melden. „Vielleicht gibt es ja auch noch Funde von alten Briefen oder Tagebüchern, die uns Aufschluss geben können über das Kriegsende vor 80 Jahren in Steinhagen“, hofft Petra Holländer. Wer etwas beisteuern möchte, kann sich mit Petra Holländer unter Tel. 05204 4947 in Verbindung setzen.

Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK