
Halle. Trotz der ungeheuren Reichweite von Social-Media-Inhalten bleiben Wahlplakate ein wichtiges Mittel. Kein Wunder, denn sie funktionieren. Eine Studie im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung hat gezeigt: Neun von zehn Personen erinnern sich an ein Wahlplakat von mindestens einer Partei. Der Stimmenfang hat damit gute Chancen – vorausgesetzt, man setzt sich gegen die konkurrierenden Plakate durch.
An der Langen Straße, Ecke Gartnischer Weg, und auch am Künsebecker Weg stehen drei große Plakate der CDU, SPD und Grünen für die Kommunalwahl 2025. Viele Verkehrsteilnehmer kommen hier vorbei. Was nehmen sie wahr, was bleibt bei ihnen hängen? Sascha Morgenstern, Experte für Körpersprache und Kommunikation, muss nicht lange überlegen, um Rückschlüsse zu ziehen.
Der gebürtige Bielefelder hat eine Ausbildung zum Körpersprachexperten und Master of Communication in Berlin, Luzern und Tel Aviv absolviert. Regelmäßig werden Körpersprache-Analysen von Sascha Morgenstern in Printmedien veröffentlicht. Oft nimmt er auch mediale Kontroversen unter die Lupe, wie jüngst ein kurzes Video, das Emmanuel und Brigitte Macron beim Verlassen eines Flugzeugs zeigt und Anlass für Spekulationen bietet: Wurde der französische Staatspräsident von seiner Frau geschlagen? Oder war es eine harmlose Geste, die missverstanden wurde? Der Analyst kommt zu dem Schluss, dass Beweise für einen Konflikt fehlen und appelliert: „Statt zu spekulieren, sollten wir aufmerksam, aber respektvoll beobachten – und uns bewusst machen, dass auch öffentliche Personen ein Recht auf Privatsphäre und Fairness haben.“
Mit dieser Sachlichkeit geht Sascha Morgenstern auch an die Analyse für das „Haller Kreisblatt“ heran. Er betont, dass seine Analyse nicht politisch ist – der ehemalige Borgholzhausener möchte damit keine Meinung ausdrücken.
So wirkt das Wahlplakat der SPD in Halle

Als Erstes betrachtet er das Plakat der SPD: Es zeigt die Bürgermeister-Kandidatin Edda Sommer. Links neben ihr 18 weitere Köpfe von Personen, die sie unterstützen. Darüber der Slogan: „Verantwortung übernehmen – Zukunft gestalten“. Etwas kleiner darunter und über den 18 weiteren SPD-Vertretern: „Ihr Team für den Stadtrat – mit Edda Sommer als Bürgermeisterin“. Viel hilft viel – oder was meint der Experte? „Das Plakat der SPD wirkt auf den ersten Blick wie ein Wimmel-Bild, also unruhig“, urteilt Sascha Morgenstern und fährt fort: „Durch die Unruhe erregt es Aufmerksamkeit und Interesse. Es darf aber bezweifelt werden, dass es beim Autofahren in seiner Gänze erfasst werden kann und seinen gewünschten Effekt auslöst.“ Er vermutet, dass es wichtig war, das ganze Team zu präsentieren und nicht nur die Kandidatin – „was wieder etwas relativiert wird durch die wesentlich größere Darstellung der Kandidatin, es kommt also doch mehr auf sie an.“
Edda Sommer separat betrachtet, kann auf dem Plakat punkten: Sie wirke locker und entspannt, findet Sascha Morgenstern: „Das Lächeln ist animierend und baut Verbindung auf. Es kann die Vorstellung entstehen, sie ist eine von uns Wählern.“ Auch die anderen eingeklinkten Fotos auf dem Plakat haben gute Effekte: „Die Personen sind in ihrer Präsenz sehr vielfältig und vermitteln den Eindruck, bei uns ist jeder vertreten. Die Kandidatin ist ihrem Team zugewandt und es entsteht so eine Verbindung. Ein klares Signal an die Stammwähler der Partei und potenzielle Wähler aus der Mitte und weiter links des Spektrums.“
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Trotz positiver Aspekte zeigt das Fazit des Experten Verbesserungsbedarf auf: „Alles in allem zu unruhig und schwer in sehr kurzer Zeit zu erfassen. Meiner Meinung nach zu viel gewollt in einem Plakat. Trotzdem ein Versuch wert, es einmal anders zu probieren.“
Damit punktet Halles CDU-Bürgermeister
Konservativer ist hingegen die Bildgestaltung der CDU: „Im Gegensatz zur SPD ist nur der Kandidat zu sehen, es geht also auf dem Plakat um die Person des Bürgermeisterkandidaten und hier ja auch aktuellen Bürgermeisters, Thomas Tappe. Keine Ablenkung durch andere Personen, unterschwellig eine Botschaft durch das Haller Rathaus im Hintergrund.“ Auch die Positionierung – er steht fast genau in der Mitte des Bildes – hebt ihn deutlich hervor.
Auch das Outfit und seine Körperhaltung scheinen mit Bedacht gewählt: „Das Sakko steht für den traditionellen Teil des Amtes und das offene Hemd für Veränderung und Offenheit, sowie die leicht nach vorne gebeugte Pose. Sein Lächeln ist auch verbindend“, beobachtet der Coach für Körpersprache, der als Trainer Firmen und Privatpersonen berät.

Darunter steht: Gemeinsam bewegen. Zukunft gestalten. Mit Herz handeln. Sascha Morgenstern erläutert: „Im Claim wird der typische und bekannte Dreiklang gewählt. Ein Slogan mit drei Inhalten ist uns wohlbekannt und lässt sich leicht merken.“
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Da wurde offenbar vieles richtig gemacht: „Das Plakat ist beim Autofahren gut zu erfassen und unterbewusst zu merken und könnte so seine Aufgabe, mehr Menschen den Kandidaten bekannt zu machen, so gut erfüllen“, stellt Sascha Morgenstern fest. Der Experte sieht jedoch auch Optimierungspotenzial: „Ich hätte sein Bild gespiegelt, weil es in dieser Art harmonischer gewirkt hätte. Einen kraftvollen Baum im Rücken und das Rathaus als bevorstehende Aufgabe sowie die Partei als Klammer herum – so wäre es für mich stimmiger gewesen.“
Großes Lob, aber auch Kritik für die Haller Grünen
Die Grünen werben zwar auch mit Plakaten, auf denen Menschen zu sehen sind. Jedoch nicht an diesem Haller Verkehrsknotenpunkt: Hier wird plakativ mit Text gearbeitet. Der Slogan: Macht heute, was morgen zählt. Das Wort „heute“ ist dabei besonders groß hervorgehoben. „Als Verkehrsteilnehmer sehe ich die drei Plakate, entdecke die Personen und dann wird der Blick auf das Zentrum konzentriert, weil hier aus Erfahrung das Wichtige steht, und ich sehe dort die Botschaft der Partei. Eine sehr interessante Idee, die sehr gezielt mit unserem Verhalten spielt. Erinnert mich an den Spruch, wenn du zwischen zwei Konkurrenten dein Büro hast und diese werben mit Sonderangeboten, dass du über dein Büro ,Eingang’ schreibst. Sehr gelungenes Marketing.“

Sascha Morgenstern hat sich zusätzlich noch Material angesehen, auf dem die Bürgermeister-Kandidatin Friederike Hegemann auch abgebildet wird. „Ihr Lächeln ist verbindend“, lobt Sascha Morgenstern ein Porträt-Plakat. Er würde es jedoch spiegeln, damit sich die Kandidatin nicht vom Text daneben abwendet: „Friederike Hegemann – Ihre Bürgermeisterin für Halle (Westf.)“ – und darunter: „Macht für das Morgen.
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Die Grünen gehen zudem mit einem Gruppenfoto an den Start – eine Gruppe, in der die Kandidatin untergeht. „Die Gruppe ist mir für das schnelle Erfassen zu wimmelig und es kann leicht geschehen, dass die Botschaft so nicht erfasst wird“, befürchtet der Kommunikationsprofi.
Er kommt zu folgendem Gesamtfazit: „Zwei Parteien bedienen machtvolle Posen und Botschaften auf ihren Plakaten und eine Partei setzt mehr auf die Gruppe, alle drei sprechen verstärkt ihr Klientel an und eventuell unentschlossene Wähler. Aus Sicht der Analyse wünsche ich der Siegerin oder dem Sieger der Wahl später viele Tage des Lächelns für alle.“