
Halle. „Dass die Remise so voll ist, das ist fantastisch“, sagte Nicole Donath, während ihr Blick durch das Bürgerzentrum wanderte, in dem am Dienstagabend, 9. September, alle Stühle besetzt waren und zudem mehr als 50 Zuschauer von der Galerie herunterschauten. „Das zeigt, wie groß das Interesse an Kommunalpolitik in Halle ist“, ergänzte die Redaktionsleiterin des „Haller Kreisblatts“. Bereits rund eine Stunde vor Beginn der Podiumsdiskussion waren Bürgermeister Thomas Tappe (CDU) sowie seine beiden Herausforderinnen Friederike Hegemann (Grüne) und Edda Sommer (SPD) eingetroffen. „Wir hoffen auf viele Antworten und eine gemeinsame Diskussion“, sagte Marc Uthmann, stellvertretender Redaktionsleiter, der gemeinsam mit Nicole Donath durch den Abend führte, und bat die drei Kandidaten auf die Bühne. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde startete die Diskussion, eingeteilt in fünf Themenkategorien.
Verkehr
„Halle ist ja derzeit die XL-Baustelle am Teutoburger Wald“, sagte Nicole Donath und zählte die Straßen Rosenstraße, Martin-Luther-Straße, Grüner Weg und Lange Straße auf. „Hätte man das nicht anders planen können?“, fragte sie. Thomas Tappe verwies auf einen festen Zeitplan, der einzuhalten sei, um die Fördergelder von mehr als fünf Millionen Euro zu bekommen. „Den Plan müssen wir einhalten, da geht es nicht anders, dass wir die Sachen sukzessive machen“, erklärte der Bürgermeister.

Er sprach zudem den Härtefallfonds für die Geschäftsleute der Rosenstraße an. „Die Not ist groß, aber noch nicht so groß, dass wir flächendeckend Anträge haben“, sagte Tappe. Es seien jedoch schon einige eingetroffen. „Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen, zumal wir schneller als erwartet schon Ende des Jahres die Arbeiten an der Rosenstraße abschließen können.“
Edda Sommer sprach sich ebenfalls für den Härtefallfonds aus, den die SPD einstimmig mitbeschlossen hatte. Gleichwohl hätte sie sich gewünscht, dass die Politik stärker mit einbezogen worden wäre. „Schade, dass die Verwaltung da ein wenig den Alleinritt gemacht hat“, sagte Sommer. Sie bestätigte zudem, dass die zeitliche Abfolge der Baustellen so sein müsse, man aber die Abläufe hätte stärker kommunizieren müssen.
Der HK-Liveticker zur Kommunalwahl: Alle Porträts, alle Infos
„Wir sollten nicht mit dem Gießkannenprinzip darüber gehen und alles gleichmäßig verteilen“, sagte Friederike Hegemann zu dem Thema. Der Fonds sei einstimmig beschlossen worden, man müsse aber immer wieder darauf hinweisen, dass das Ende der aktuellen Situation absehbar ist.
Wirtschaft
Insolvenz bei Gerry Weber, zudem zahlreiche Entlassungen bei Flexicon und Durkopp (früher JTEKT) - wie sehr trifft dies eine Stadt wie Halle? „Die Gewerbesteuer ist gewinnbasiert. Ein Unternehmen, das keinen Gewinn macht, zahlt auch keine Gewerbesteuer“, erklärte Tappe. Insofern habe man schon mit den geringeren Einnahmen kalkuliert. Grundsätzlich gelte: „Wir müssen als Stadt sehen, dass die Rahmenbedingungen für die Betriebe gut sind“, ergänzte Tappe.

„Wir müssen den Standortvorteil nutzen, aber können auch nichts dafür, wenn ein Unternehmen nicht mit der Zeit geht und Innovationen verpasst“, sagte Sommer. Es sei wichtig, den Arbeitskräften wieder vor Ort Jobs anbieten zu können. „Wir haben einen großen Fachkräftemangel, auch in kleineren Betrieben“, erklärte Friederike Hegemann. Halle sei eine Kleinstadt, in der man sich kenne und in der die freigewordenen Arbeitskräfte auch gut wieder in Firmen untergebracht werden. Sie erwarte von der Wirtschaftsförderin der Stadt Halle, dass sie hier „aktiv ins Rad greift“.
Sowohl Tappe als auch Sommer und Hegemann sprachen sich klar gegen eine Senkung der Gewerbesteuer zur Stärkung der Unternehmen am Standort aus. „Wir als Kommune können uns viele Dinge nur durch die Gewerbesteuer leisten. Wir haben sie aber gerade erst angehoben, ich würde sie derzeit nicht verändern“, sagte Hegemann. „Wir senken sie auf gar keinen Fall, das können wir uns angesichts des geplanten Millionendefizits in den kommenden Jahren gar nicht leisten“, schloss sich Tappe an. Eine geringfügige Erhöhung sei jedoch unabwendbar, wenn für die Berechnung der Kreisumlage ein höherer Gewerbesteuersatz angesetzt wird. „Dann müssten wir erhöhen, aber das wissen wir jetzt noch nicht“, sagte Tappe und erhielt dafür verhaltenen Applaus aus dem Publikum.
Wohnungsbau
„Ist man mit der Genossenschaft, mit der man sozialen Wohnungsbau umsetzen kann, nun am Ziel aller Bemühungen - und haben wir nun keine Probleme mehr?“, fragte Marc Uthmann. „Wir sind in der Pole Position gegenüber anderen Kommunen und haben Pionierarbeit geleistet“, sagte Tappe. Problem seien vielmehr die fehlenden Fördermittel. „Wir können in der Masch noch nicht bauen, weil wir die Fördergelder nicht bekommen.“ Man habe Strukturen geschaffen, die funktionierten, aber man brauche die Fördermittel des Landes, übte Tappe Kritik an der schwarz-grünen Landesregierung. „Da frage ich mich natürlich gerade, welche Landesregierung wir gerade haben“, funkte Edda Sommer rhetorisch dazwischen. „Wenn die Interessen der Stadt konträr sind zu denen vom Land, dann ist das eben so. Wir wollen die Fördermittel haben, fertig“, sagte Tappe und blieb bei der Kritik an die Parteikollegen in Düsseldorf.

Mehr zum Thema: Mit diesen Tricks punkten die Bürgermeister-Kandidaten auf Haller Wahlplakaten
„Wir müssen auch auf den demografischen Wandel schauen. Wir werden immer mehr Häuser im ländlichen Raum leer stehen haben“, sagte Hegemann und regte einen Tauschmarkt an. „Wir brauchen zudem Wohnfläche für große Familien“, fuhr die Kandidatin der Grünen fort.
Edda Sommer betonte noch einmal, dass die geplanten Wohneinheiten im Baugebiet Masch zu wenig seien. „Uns ist da ein Riesenquartier durch die Lappen gegangen, zumal der Wohnungsbau auf der anderen Seite im Nachhinein auch nicht mehr geklappt hat“, kritisierte die SPD-Kandidatin, die sich bereits 2020 zur Wahl gestellt hatte und am Ende in einer Stichwahl Thomas Tappe unterlag. „Es muss ein Umdenken stattfinden. Es stehen Häuser leer oder werden von nur einer Person bewohnt, und auf der anderen Seite bekommen andere gerade Mal eine 50-Quadratmeter-Wohnung für einen nicht bezahlbaren Kurs“, sagte Sommer.
Klima
„Eines der heißesten Eisen der vergangenen Monate ist das Thema Windkraft, vor allem das Projekt der Stadtwerke Münster“, führte Marc Uthmann ins nächste Thema ein. „Es gibt noch keine Gutachten, ob in diesem sensiblen Bereich Windräder gebaut werden oder nicht“, sagte Hegemann. Die sechs Standorte seien in Prüfung, „Was dabei unterm Strich rauskommt, das wissen wir noch nicht“, sagte die 43-Jährige. „Wir brauchen Windenergie, wenn Halle klimaneutral werden will“, ergänzte sie. Nun sei zu klären, wo diese umzusetzen seien.
„Derzeit erzeugen wir erst 25 Prozent unseres Stromverbrauchs regenerativ. Fakt ist, dass wir mehr Windkraft, Fotovoltaik und Wasser brauchen“, sagte Tappe. Man habe schließlich im Oktober 2021 einstimmig beschlossen, dass Halle bis 2045 klimaneutral werden solle. Die Untersuchungen zu den geplanten Windrädern in Bokel seien abzuwarten, es gebe noch viele Hürden. Bürgermeister Tappe erklärte zudem deutlich, dass er das Projekt nicht unterstützen wird, wenn „die Haller aus diesen Anlagen in keiner Weise einen Vorteil generieren können, wie etwa günstigeren Strom. Wenn dieser Strom in irgendein Mittelspannungsnetz geht, bin ich nicht dabei“, stellte der 54-Jährige klar und überraschte das Moderatorenduo. „Das ist doch eine Aussage“, sagte Donath.
„Wir sind alle mit Vorsicht dabei, da wir noch keine Fakten haben“, sagte auch Edda Sommer. Gleichwohl betonte auch sie, dass das Ziel der Klimaneutralität beschlossen ist. Man müsse jedoch stets die Wirtschaftlichkeit der Anlage im Auge behalten.
Bildung
„Ist die Schullandschaft durch die Rettung der Gesamtschule gut aufgestellt, oder was muss noch getan werden“, fragte Nicole Donath in die Runde. „Die Anmeldezahlen der Gesamtschule sind ein großer Erfolg. Man muss einer Sache auch vertrauen und dahinterstehen“, sagte Sommer. Die Kooperation mit dem KGH müsse zudem zwingend erhalten bleiben.

„Ich habe bei der Landesregierung etwas gutzumachen. Ohne Frau Feller würde es keine Gesamtschule Halle mehr geben“, sagte Tappe. Er habe mit der NRW-Schulministerin die drei zusätzlichen Anmeldetermine ausgehandelt. „Wir können uns da aber nicht drauf ausruhen. Wir wollen das gute Schulprogramm vor Ort behalten und den guten Drive, den wir jetzt haben nutzen“, sagte der Amtsinhaber.
„Wir müssen den Eltern attraktiv vermitteln, dass sie ihre Kinder an der Gesamtschule anmelden sollen. Dort haben alle Kinder die Möglichkeit, einen guten Schulabschluss zu machen“, sagte Hegemann. Das gute Miteinander dort bringe die Kinder voran.
Freibad
Abseits der fünf harten Kernthemen kam auch der mögliche Neubau eines Freibads zur Sprache, da dieses Thema die Haller seit Jahren sehr beschäftigt. „Ich bin für das Freibad, aber das gibt der Haushalt nicht her“, sagte Tappe. Er verwies jedoch auf Möglichkeiten ohne städtische Mittel, etwa durch einen bürgerschaftlichen Ansatz oder durch Finanzierung durch Firmen.
Friederike Hegemann sprach sich ebenfalls dafür aus, die einzelnen Möglichkeiten abzuchecken. Sie lobte das Engagement des Freibad-Fördervereins. „Die Menschen im Förderverein müssen sich aktiv einbringen, dann kann die Kommune auch an der einen oder anderen Stelle unterstützen“, sagte Hegemann. Es müsse auf jeden Fall ein Freibad für alle sein, dessen Eintritt man sich leisten kann.
Sommer verwies auf eine Machbarkeitsstudie, die bereits erstellt wurde. „Ich möchte auch das Lindenbad nicht missen, aber das macht 1,2 Millionen Miese pro Jahr“, sprach auch sie das Problem der Finanzierung an. Man müsse da auch ehrlich sein, auch wenn sie sich ebenfalls ein Freibad wünsche. Die Kosten werde kein Förderverein stemmen können.
Zuschauer
Zum Ende der Veranstaltung durften auch die Gäste der Veranstaltung, die die Diskussion interessiert und ruhig verfolgten, ihre Fragen an die drei Politiker richten. Eine Mitarbeiterin des Cafés Gegenüber fragte, warum angesichts des Verkehrschaos die Bahnhofstraße keine Einbahnstraße sei. „Das wird wieder so kommen. Die Straße wird im Rahmen des ISEK-Programms wieder eine Einbahnstraße Richtung Speicher“, versprach Tappe.
Ein weiterer Bürger kritisierte das Tempo auf der Martin-Luther-Straße bis zur Bahnhofstraße. Dort sei eine Geschwindigkeitsstückelung, wo für ein kurzes Zwischenstück Tempo 50 erlaubt sei. „Hätte man für die paar Meter nicht auch Tempo 30 machen können?“, fragte der Haller. Tappe zeigte Verständnis, erklärte jedoch, dass solche Sachen in den Händen des Straßenverkehrsamts des Kreises Gütersloh liegen.
Nach gut zwei Stunden endete die Veranstaltung, und manch einer hat vielleicht eine Anregung für die Kommunalwahl am Sonntag erhalten. Die drei Kandidaten für das Bürgermeisteramt haben ihre Auftritte souverän gemeistert und im fairen Umgang miteinander ihre Positionen dargestellt.
Event verpasst? Hier können Sie den HK-Wahl-Check sehen:
Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK