Politik einig: Drohnen für die Kitze, Fallen für die Nutrias

Auf Antrag der Grünen beschäftigt sich die Politik mit der Hegering-Arbeit. Für zwei Projekte gibt es Geld aus der Stadtkasse. Das soll auch zur Bekämpfung verschiedener Tierarten verwendet werden.

Gut versteckt und deshalb in großer Gefahr: Wenn Rehkitze im hohen Gras liegen, droht ihnen bei der Ernte der Tod durch Mähwerk. Wärmebilddrohnen können sie rechtzeitig aufspüren. | © Symbolfoto CCO Pixabay

Tasja Klusmeyer
15.04.2021 | 15.04.2021, 16:00

Versmold. Eines war Grünen-Stadtvertreter Klaus Bißmeier wichtig klarzustellen: „Wir unterstützen die Jäger nur in zwei Punkten. Es besteht keine neue Liaison." Damit tritt der Ratsherr dem möglichen Eindruck entgegen, dass seine Fraktion neuerdings besondere Sympathie für die Arbeit der Jägerschaft hegt. Zwei Projekte allerdings halten Bündnis 90/Die Grünen für sinnvoll im Sinne von Arten- und Naturschutz und schlugen deshalb dem Aussschuss für Mobilität, Energie, Klima und Umwelt vor, Geld dafür in die Hand zu nehmen. Die anderen Parteien unterstützten den Vorstoß, final entscheiden wird der Stadtrat am 6. Mai.

Nutrias und Waschbären werden in Versmold zur Plage

„Nutria vermehren sich in einem Maße, die in der Landwirtschaft zu erheblichen Schäden führen", sagte Hegeringleiter Tassilo Marowsky, der am Dienstagabend online in die politische Sitzung zugeschaltet war. Überall dort, wo Wasser ist, machten sich die Nagetiere „immer breiter". Probleme gibt es, wie berichtet, vor allem entlang vom Aabach. Eine Überpopulation sogenannter invasiver, also gebietsfremder, Arten gefährdet das heimische Ökosystem, befürchten die Grünen und wollen deshalb den Hegering mit dem Ankauf zugelassener Lebendfallen unterstützen. „Durch ihre Bautätigkeit und Fraß verursachen Nutria und Bisam erhebliche Schäden an Ufern und Dämmen unserer Gewässer."

Knapp 160 Nutrias erlegten die Versmolder Jäger im vergangenen Jahr. Fast noch problematischer als die Biberratte, die Pflanzen und Uferstrukturen zerstört, ist der Waschbär. „Er ist das aggressivere invasive Tier", so Klaus Bißmeier und schilderte Fälle aus dem Naturschutzgebiet Bruch, wo zunehmend Nester von Bodenbrütern geräubert würden. Das bestätigte Tassilo Marowsky. Die Zahl müsste so dezimiert werden, „dass ab und an noch ein Brachvogel groß wird". 120 Waschbären wurden 2020 von den Versmolder Jägern getötet. „Das zeigt kaum Wirkung", sagte der Hegeringleiter. Er befürchtet, wenn nicht verstärkt eingegriffen werde, weiteren Artenrückgang bei Feldlerche, Rebhühnern, Fasanen und Enten.

Jede Falle hat ein Meldegerät

Ordnungsbehördlich beschäftigt das Aufkommen verschiedener Tierarten auch die Stadt. Seit 2019 gibt es im Kreis Gütersloh eine Vereinbarung zwischen Kommunen, Kreis, der Landwirtschaft und der Kreisjägerschaft, wonach pro erlegter Nutria oder Bisamratte zehn Euro Prämie an die Jäger gezahlt werden. Fünf Euro gehen auf Kosten der Stadt.

„Es ist eine Aufgabe, die alle angeht", findet Tassilo Ma-rowsky und begrüßt den Vorstoß von Bündnis 90/Die Grünen. Weitere zehn Fallen möchte der Hegering gerne anschaffen, um die Jagd vor Ort zu intensivieren. Kostenpunkt pro Gerät: 500 Euro. Die Lebendfallen sind mit einem elektronischen Meldesystem ausgestattet, damit der zuständige Jäger zeitnah eine Benachrichtigung bekommt. „Wir müssen sicherstellen, dass die Tiere nicht zu lange in den Fallen bleiben", erklärt Marowsky.

Ob die Stadt 5.000 Euro zur Verfügung stellt und aus welchem Topf die Mittel kommen, ist noch nicht abschließend geklärt. Bis zum Stadtrat wird die Verwaltung eine Kostenbeteiligung des Kreises, der für einzelne Gewässer vor Ort zuständig ist, sowie die Möglichkeiten mit dem städtischen Kämmerer prüfen. „Grundsätzlich ist es eine sinnvolle Sache", sagte Torsten Gronau (CDU). An der Finanzierung sollten die Pläne aus seiner Sicht nicht scheitern. „Wenn's um 100.000 Euro geht, wird hier oft der Arm schnell gehoben."

Zur Rettung der Rehkitze braucht es neue Führerscheine

1.500 Euro für eine andere Sache bekommt der Hegering definitiv aus der Stadtkasse, dafür sprach sich der Ausschuss einstimmig aus. Das Ja vom Stadtrat dürfte nur Formsache sein. Von dem Geld soll der Erwerb von Pilotenlizenzen zum Führen von Drohnen finanziert werden. Seit drei Jahren gibt es ein Kitzrettungsprogramm, bei dem Jäger und Landwirte kooperieren und vor Mäharbeiten die Felder per Wärmebilddrohne absuchen. 140 Kitze konnten 2020 rechtzeitig aufgespürt und so vor dem Tod durch ein Mähwerk gerettet werden.

Neue gesetzliche Vorgaben auf EU-Ebene bringen die Drohnenpiloten in eine rechtliche Grauzone. Bisher geschulte Personen brauchen neuerdings eine spezielle Lizenz, die sie dazu berechtigt, Bereiche nahe Bundesstraßen oder Siedlungsgebieten aus der Luft abzusuchen. „Mit den einfachen Lizenzen dürften wir das nicht", benannte Tassilo Marowsky das Problem. Kitze aber lägen nah an Gärten; viele Flächen reichten zudem bis an die B 476 heran. Ein Mindestabstand von 150 Metern sei da schwer einzuhalten. Versicherungstechnisch könnten die Jäger allerdings momentan mit den vorhandenen Drohnen-Führerscheinen Probleme bekommen. „Wenn es Schwierigkeiten gäbe, müssten wir sofort abbrechen."

Fünf Fluglizenzen werden unterstützt

Die bisherige Arbeit der Kitzretter ist eigen- und spendenfinanziert. Zwei Drohnen für je 8.000 Euro schafften Jäger und Landwirte gemeinsam an. „Wir haben schon viel erreicht", so Tassilo Marowsky. Die Möglichkeiten des 80 Mitglieder zählenden Hegerings seien allerdings begrenzt. „Über eine finanzielle Unterstützung wären wir sehr glücklich." Der Wunsch des Hegeringleiters wurde erhört.

300 Euro kostet die erforderliche Ausbildung. Fünf Lizenzen sollen erworben werden. Die Politik sagte zu, das Geld bereitstellen zu wollen. „Gut angelegtes Geld im Sinne des Artenschutzes", befand Bürgermeister Michael Meyer-Hermann. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen gibt darüber hinaus 200 Euro; damit könnte ein sechster Drohnenpilot ausgebildet werden. Bis die Flugprüfung abgelegt werden kann, wird es allerdings noch etwas dauern. Die Corona-Situation macht zurzeit Präsenzlehrgänge nicht möglich.