In der Corona-Krise ist Kreativität in der Geschäftswelt gefragt

Steinhagens Geschäftswelt versucht aus der aktuellen Situation das Beste zu machen. So werden Bücher zum Beispiel einfach zum Kunden gebracht und die Gastronomie bietet Essen zum Abholen. Doch manche Maßnahmen treffen auf Unverständnis.

Deutlicher geht es nicht: Rot-weiße Markierungen auf dem Boden zeigen den Kunden im Combi, wie groß der Abstand zum Vordermann sein sollte. Foto: Sonja Faulhaber | © Sonja Faulhaber

Sonja Faulhaber
19.03.2020 | 19.03.2020, 14:00

Steinhagen. Es wird ruhig in Steinhagens Ortskern. Waren gestern noch die meisten Geschäfte geöffnet, so sieht das heute schon ganz anders aus. Doch auch, wenn viele Türen geschlossen bleiben, haben sich manche Geschäftstreibenden und Gastronomen kreative Ideen für die Zeit der Corona-Krise überlebt.

Buchhandel

Buchhändlerin Susanne Lechtermann hatte gestern ihre Buchhandlung noch wie gewohnt geöffnet. Ob sie heute schließen muss, oder sie wegen ihres Zeitschriftenangebots eine Ausnahme bekommt noch ein paar Tage länger Kunden vor Ort bedienen kann, konnte sie gestern noch nicht sagen. Doch auch wenn die Türen verschlossen bleiben, Susanne Lechtermann ist weiterhin für ihre Kunden da. Am Telefon oder per Mail (0 52 04 – 51 19 oder buchhandlung-am-kirchplatz@t-online.de) wird sie zu den gewohnten Öffnungszeiten Kunden beraten. „Wer einen Buchtipp für einen Siebenjährigen zum Geburtstag sucht, der bekommt ihn weiterhin." Die Bestellung wird dann von den Mitarbeitern bis direkt vor die Hausdtür geliefert.

Buchhändlerin Susanne Lechtermann ist weiterhin für ihre Kunden vor Ort. Das persönliche Gespräch wird jedoch durch ein beratendes Telefonat ersetzt. Foto: Sonja Faulhaber - © Sonja Faulhaber
Buchhändlerin Susanne Lechtermann ist weiterhin für ihre Kunden vor Ort. Das persönliche Gespräch wird jedoch durch ein beratendes Telefonat ersetzt. Foto: Sonja Faulhaber (© Sonja Faulhaber)

Gastronomie

Die heimischen Gaststätten reagieren mit neuen Konzepten auf die inzwischen geltenden Schließungen der Gasträume. Die Gaststätte Wolkenstein in Brockhagen etwa bietet ab sofort von donnerstags bis montags im Zeitraum zwischen 18 und 20 Uhr Gerichte zum Abholen an. „Anrufen, bestellen und bei uns abholen – so soll das funktionieren", erklärt Guido Wolkenstein. „Allerdings gibt es zu viele Menschen, die sich noch immer draußen aufhalten. Darum rechne ich damit, dass es irgendwann eine Ausgangssperre gibt." Seine Aushilfen habe er schon vor zwei Wochen darauf vorbereitet, dass sie freigestellt werden. „Wir müssen die Kosten runterfahren. Überall. Bei mir läuft nur noch ein Kühlschrank", berichtet Guido Wolkenstein.

Auch der Dorfbulle im Steinhägerhäuschen am Kirchplatz und das Restaurant Mann & Metzger bieten einen Abholservice an. Denis Mann weist außerdem darauf hin, dass sein Restaurant weiterhin von 12 bis 15 Uhr geöffnet hat. Das Hotel-Restaurant Graf Bernhard hat den Betrieb bis zum 19. April komplett eingestellt.

Cafés und Eisdielen

Gestern gab es noch bei strahlendem Sonnenschein Eis in der Waffel, heute wird das schon deutlich schwieriger. Während das Eiscafé Bellagio am Markt komplett schließt, wird im Eiscafé Smile an der Kirche lediglich auf die Gastronomie verzichtet. Ein Eis auf die Hand gibt es hier auch weiterhin.

Schluss mit gemütlich sitzen und plauschen hieß es bereits gestern in der Konditorei Welpinghus. Die Stühlen standen in Reih und Glied als Barriere vor den Tischen. Kaffee, Kuchen und belegte Brötchen durften nur noch zum Mitnehmen verkauft werden. Eine Maßnahme, die bei vielen Kunden auf Unverständnis stieß. „Die Kommentare reichten von ’Unsinn’ bis ’übertrieben’, Verständnis hatten die wenigsten Kunden", bilanziert Inhaberin Friederike Welpinghus ernüchtert. „Dabei mache ich das doch zum Schutz meiner Kunden und meiner Mitarbeiter." In einem Punkt konnte die Chefin ihre Kunden aber beruhigen: Die Öffnungszeiten bleiben zunächst wie gewohnt.

Hinsetzen ist in der Konditorei Welpinghus seit gestern verboten. Die Kunden reagierten oft verständnislos auf die Einschränkung. Foto: Sonja Faulhaber - © Sonja Faulhaber
Hinsetzen ist in der Konditorei Welpinghus seit gestern verboten. Die Kunden reagierten oft verständnislos auf die Einschränkung. Foto: Sonja Faulhaber (© Sonja Faulhaber)

Supermärkte

Im Combi-Markt wurden den Kunden gestern ganz klar ihre Grenzen aufgezeigt: Zumindest die persönliche Grenze beim Schlangestehen an der Kasse, denn rot-weiße Markierungen am Boden halfen, dem Vordermann nicht zu nah auf den Pelz zu rücken. „Wir wollen das Bewusstsein der Verbraucher stärken aufeinander Rücksicht zu nehmen", so Geschäftsführer Dirk Isringhausen. Und die Kunden hielten sich auch weitestgehend an die Markierung, viele fanden lobende Worte dafür. Und damit es nicht zum Rückstau quer durch den Laden kommt, haben im Combi jetzt deutlich mehr Kassen gleichzeitig geöffnet.

Ein Thema, von dem Dirk Isringhausen gar nichts hält, sind zusätzliche Öffnungszeiten am Sonntag. Ebenso wie seine Kollegen Monika Jäger (Edeka), Alexander Sudbrock (Markant Brockhagen) und Thomas Uhlemeyer (Markantmarkt) will er Sonntags nicht zusätzlich öffnen. Die Argumente waren bei allen vier Befragten gleich: Die Mitarbeiter brauchen einen Tag Ruhe. „Unsere Mitarbeiter geben zurzeit alle Vollgas und sind sehr flexibel", lobt Dirk Isringhausen. „Was die leisten ist gewaltig", stimmt auch Thomas Uhlemeyer zu. Daher müssen es die Steinhagener schaffen, ihre Einkäufe an sechs von sieben Tagen zu erledigen.

Um die Virenübertragungsmöglichkeiten zu verringern, setzen die Supermärkte auf unterschiedliche Methoden. Desinfektionstücher für die Hände und den Einkaufswagen gibt es überall, doch im Combi ist zum Beispiel der Warentrenner auf dem Band verschwunden und im Edeka werden in nächster Zeit Plexiglasscheiben zwischen Kassierer und Kunde installiert.

Insgesamt betonen alle vier: „Die Grundversorgung der Steinhagener ist gewährleistet." Die Lieferungen kämen regelmäßig und auch das heiß begehrte Toilettenpapier ist fast überall wieder verfügbar – aber nur noch in kleinen Mengen von zwei Paketen pro Käufer.

INFORMATION


Auch Bürgermeister Klaus Besser kommentiert auf Facebook die Schließung vieler Geschäfte vor Ort mit einer eindringlichen Bitte: „Viele unserer kleinen, schönen Geschäfte müssen schließen. Wenn ihr also die nächsten Wochen zuhause bleibt, kauft nicht die Online-Shops leer. Spart einfach ein bisschen Geld, wartet, bis unsere Einzelhändler wieder geöffnet haben, und geht dann wieder shoppen. Ihr helft denen damit, überhaupt zu überleben. Nicht, dass nachher die ganzen kleinen Geschäfte weg sind.“