
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. - Mit diesem Zitat prägte der französische Künstler Francis Picabia eine Zeit, als die Welt in Trümmern lag und eine junge Künstler-Bewegung auch die Kunst zertrümmert sah. Also dachten sie alles neu - und machten alles anders als bisher. Das war 1916. Und siehe da: Von Zürich aus strahlte die neue Kunst in die Welt und erfand sich auch fortan immer wieder neu.
In beruflicher Hinsicht wurde ich vergangene Woche an diesen Satz erinnert, als der Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus zum Sommerinterview beim „Haller Kreisblatt“ zu Besuch war. Und es unter anderem um zwei größere Themen ging, mit denen sich die Menschen in der Stadt Halle zurzeit beschäftigen: die Zukunft der Gesamtschule und die Zukunft des Klinikums.
Was das kleine Klinikum Halle betrifft, das zusammen mit der Rosenhöhe und dem Klinikum Mitte zusammen das Klinikum Bielefeld bildet, so hängen die Menschen hier vor Ort und ebenso in der Umgebung sehr an dem Haus. Vor allem, nachdem im Laufe der Jahre die Krankenhäuser in Werther, Dissen und Versmold geschlossen wurden. Ein Krankenhaus vor Ort verleiht ein Gefühl von Sicherheit, wenn es um die medizinische Versorgung geht. Groß war deshalb auch die Unterstützung, als zuletzt die Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur Disposition stand; Demos und obendrein eine Petition mit mehr als 12.000 Unterschriften wurden initiiert. Noch größer war die Erleichterung, als grünes Licht aus Düsseldorf kam: Die Abteilung ist gerettet.
Keine Angst vor neuen Szenarien für Haller Klinikum
Dieser Bedeutung ist sich auch Brinkhaus bewusst. Gleichwohl brachte der 56-jährige Christdemokrat vor dem Hintergrund der bereits vollzogenen Krankenhausreform auf Landesebene und der noch bevorstehenden auf Bundesebene mal ganz andere Aspekte ins Spiel: Genauso wichtig sei die Frage, wie es um die hausärztliche Versorgung bestellt sei, ob es ausreichend Rettungsdienste und ebenso ambulante Notfallversorgung am Wochenende gebe, und ob die Menschen hier zeitnah die nötigen Facharzttermine bekämen. All das, so Brinkhaus, müssten wir mitdenken und gegebenenfalls auch einmal querdenken: „Vielleicht“, schloss er, „kommt man so sogar zu noch besseren Lösungen.“
Nur mal in der Theorie, völlig ins Blaue gedacht: Was wäre, wenn wir einen Teil des Klinikums und die vorhandenen Kompetenzen für ein zusätzliches Facharztzentrum nutzen würden, in dem auch Kassenpatienten zeitnah untersucht würden? Aktuell würde das System ein solches Szenario gar nicht erlauben, dazu bräuchte es Gesetzesänderungen hinsichtlich der Kassensitze. Aber das Beispiel zeigt: In dem Moment, da man eine Alternative, eine richtig gute Alternative hätte, verliert ein zuvor gefürchtetes Szenario seinen Schrecken. Das wiederum nimmt die Angst - und macht den Kopf frei für gute, kluge Entscheidungen.

Dasselbe betrifft die Zukunft der Gesamtschule Halle. Die Einrichtung, der die Bezirksregierung ein Ultimatum gestellt hat - für das Schuljahr 2025/26 müssen mindestens 100 neue Kinder für die fünfte Jahrgangsstufe angemeldet werden, sonst wird die Schule geschlossen - steht vor einer ungewissen Zukunft. Aktuell gibt es einen einstimmigen Beschluss aus der Haller Politik, demzufolge man die Schule unbedingt erhalten beziehungsweise alternativ zum dritten Standort der PAB-Gesamtschule werden möchte. Der Haken daran: Ob der Kreis als Träger der PAB dafür seine Zustimmung geben würde, ist zurzeit noch gar nicht klar. Womit wir wieder beim runden Kopf und der Richtungsänderung der Gedanken angekommen wären. Und der Frage: Was würde noch gehen, ohne dass es bislang überhaupt diskutiert wurde?
Ideen für ein ortsübergreifendes Schulkonzept stärken
Ralph Brinkhaus nannte als Beispiel den Ansatz, auf Kreisebene das ortsübergreifende Schulkonzept zu stärken. „Vielleicht brauchen wir im gesamten Kreis weniger Oberstufen und mehr starke, differenzierte Schulprofile mit Praxisbezug und Kooperationen mit den lokalen Unternehmen“, stellte der gelernte Steuerberater in den Raum. Und zeichnete das Bild einer zukunftsfähigen Gesamtschule, die sich einen Namen machen könnte, indem sie dafür bekannt wird, auf besondere Ausbildungsplätze vorzubereiten, die die expandierenden Unternehmen hier dringend besetzen müssen. Immer vom Kind aus gedacht, nie in örtlicher Betroffenheit. Das finde ich durchaus interessant.
Wir alle miteinander können ja mal überlegen, völlig frei von gedanklichen Beschränkungen, wie eigentlich der Idealfall für bestimmte Herausforderungen aussähe. Und erst im nächsten Schritt schauen, wie die jeweilige Ideallösung realisiert werden könnte. Ob das nun das Klinikum betrifft, die Gesamtschule oder erst mal nur das eigene Leben. Womöglich kommen da Lösungen bei heraus, die man auf den alten Pfaden nicht erkannt hat. Aber schließlich ist der Kopf ja rund!