Entscheidung naht: Haller Gesamtschule hat nur noch eine Chance auf Rettung

Halle. Die Haller Gesamtschule steht endgültig vor wegweisenden Monaten. Die Bezirksregierung Detmold hat in einem nicht-öffentlichen Gespräch mit Vertretern aus Politik und Verwaltung am Donnerstag klar signalisiert, dass spätestens das nächste Anmeldeverfahren zum Schuljahr 2025/2026 im kommenden Februar/März über die Zukunft der Schule entscheiden wird. Dabei stehen vier Szenarien im Raum, die vom Weiterbestand bis zum sofortigen Ende alles beinhalten. Warum steht die Schule auf der Kippe? Bereits seit dem Schuljahr 2019/2020 wird die erforderliche Mindestanmeldezahl für die 5. Jahrgangsstufe von 100 Schülerinnen und Schülern unterschritten. Zum Start der Schule im Sommer 2014 waren es noch 108 Fünftklässler. Derzeit werden an der Schule an der Masch rund 670 Schülerinnen und Schüler von etwa 70 Lehrkräften unterrichtet. Warum gerade 100 Schüler? Diese Zahl gibt das NRW-Schulgesetz vor. Im Paragraf 82 heißt es, dass Gesamtschulen bis Klasse 10 mindestens vier Parallelklassen pro Jahrgang haben müssen. Als eine Klasse gelten bei dieser Schulform 25 Schülerinnen und Schüler. Aber das KGH hat doch auch nicht immer 100 Schüler? An Gymnasien gelten andere Regeln. Hier genügen zwei Parallelklassen pro Jahrgang, die Schülerzahl pro Klasse liegt bei 28. Auch bei Hauptschulen, Realschulen und Sekundarschulen genügen zwei Parallelklassen pro Jahrgang. Warum ist die Gesamtschule dann überhaupt noch da? Streng genommen passen die Zahlen schon seit fünf Jahren nicht mehr, aber das Schulgesetz lässt Ausnahmen zu. Lässt sich aus der Schulentwicklungsplanung schließen, dass das Unterschreiten der Mindestgröße nur vorübergehend der Fall ist und den Schülern der Weg zu einer alternativen Gesamtschule mit Blick auf die Entfernung nicht zugemutet werden kann, darf die Schule dennoch für einen gewissen Zeitraum fortgeführt werden. Wie verschaffte sich die Haller Gesamtschule etwas Luft? Dazu heißt es in einer Pressemitteilung, welche die Stadt Halle am Freitag (5. Juli) anlässlich des Treffens mit der Bezirksregierung veröffentlichte: In Detmold wurden die von der Stadt als Schulträger in Absprache mit der Schulleitung getroffenen Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Gesamtschule positiv registriert. Das Engagement von Schule, Verwaltung und Politik habe dazu geführt, dass Detmold - nachdem bereits 2021 auf eine Gefährdung des Fortbestands hingewiesen worden war - der Gesamtschule vier weitere Anmeldephasen für die Schuljahre 2021/2022 bis 2024/2025 zugestand. Warum spitzt sich die Lage gerade jetzt zu? Zum einen läuft das Zugeständnis im kommenden Jahr aus, und zum anderen wurde in keinem der &bdquo;Bonus-Jahre“ die erforderlichen 100 Fünftklässler erreicht. Daher erhielt Bürgermeister Thomas Tappe nun erneut ein Schreiben der Bezirksregierung, in dem deutliche Ansagen gemacht werden. Szenario 1 Die Bezirksregierung hat vier Szenarien vorgeschlagen. Szenario 1: Die Stadt Halle setzt weiter voll auf die Gesamtschule. Was passiert dann, wenn nicht mindestens 100 Anmeldungen erreicht werden? &bdquo;Wenn vorab überhaupt keine Entscheidungen im Sinne der weiteren Szenarien beschlossen sind, wird die Schulleitung durch die Bezirksregierung angewiesen, den Jahrgang 5 nicht zu bilden“, erklärt Steffen Adams, Pressesprecher der Bezirksregierung Detmold. Die Gesamtschule würde ohne Alternative auslaufen. Es würde dann in Halle außer am KGH kein weiterführendes Angebot der Sekundarstufe I geben. Mit anderen Worten: Nach Klasse 10, welche die im August startenden Gesamtschüler im Sommer 2029 abschließen werden, wäre definitiv Schluss. Die Gesamtschule schlösse anschließend ihre Türen, das Gebäude stünde leer, und wer sein Abitur machen wollte, müsste wechseln. Szenario 2 Werden beim kommenden Anmeldeverfahren keine 100 Schülerinnen und Schüler registriert, könnte es auch zu Szenario 2 kommen. Dies sieht eine auslaufende Auflösung der Gesamtschule vor. Das bedeutet, dass alle, die zu der Zeit dort zu Schule gehen, auch noch dort ihren Abschluss machen können. Kritisch wäre es nur für die zukünftigen Fünftklässler, die dann ja stets den untersten Jahrgang abbilden würden. Bleibt dort jemand sitzen, müsste er komplett die Schule wechseln. Als Ersatz würde dann ab August 2025 eine Sekundarschule (2a) oder alternativ auch wieder eine Realschule (2b) installiert, die dann das immer leerer werdende Gebäude nutzen wird. Szenario 3 Szenario 3 beinhaltet eine sofortige Auflösung der Gesamtschule, ohne Durchführung eines Anmeldeverfahrens im kommenden Februar/März. Die Verantwortlichen würden in diesem Fall nicht auf die letzte Chance für die Gesamtschule setzen. Auch hier wäre dann als Ersatzmodell die Gründung einer Sekundarschule (3a) oder einer Realschule (3b) ab August 2025 vorgesehen. Szenario 4 Einen Schulträgerwechsel sieht das Szenario 4 vor. Die Stadt würde den Status des Schulträgers abgeben, um somit die die Fortführung des Schulstandorts zu gewährleisten. Möglich wäre dann ein mindestens zweizügiger Teilstandort einer anderen Gesamtschule. Naheliegend wäre in diesem Szenario die Bildung eines dritten Teilstandortes der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule Borgholzhausen-Werther unter der Trägerschaft des Kreises Gütersloh. Dies bedarf aber der Zustimmung des Kreistages. Dabei würde es sich allerdings um ein Novum im Kreis Gütersloh handeln. &bdquo;Es gibt bisher keine Schule mit drei Teilstandorten“, erklärte Kreissprecher Jan Focken auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblatts“. Die PAB-Gesamtschule sei ohnehin die einzige Gesamtschule im Kreis, bei der der Kreis Gütersloh Schulträger sei. Wie kann die Gesamtschule gerettet werden? Die kommenden Anmeldezahlen müssen stimmen. Sind es wieder weniger als 100 Kinder, ist die Gesamtschule in ihrer jetzigen Form bald wieder Geschichte. Knackt man die 100, könnte dies der Startpunkt in eine ruhigere Zukunft der Schule sein. Zumindest würde diese kleinstmögliche dreistellige Zahl den Fortbestand sichern. Zünglein an der Waage sind somit einzig und allein die Eltern der jetzigen Viertklässler. Sie müssen nun ihre Kinder in ausreichender Anzahl bei der Gesamtschule anmelden, sonst greift eines der vier Szenarien. Warum zählen die späteren Zahlen nicht? Die Gesamtschule betonte wiederholt, dass im Laufe der Schuljahre viele Schülerinnen und Schüler dorthin wechseln, so dass spätere Jahrgänge der Sekundarstufe I und auch die Oberstufe stets gut belegt seien. &bdquo;Das Gesetz ist eindeutig, Anmeldezahlen unter 100 Schülerinnen und Schüler lassen keine Jahrgangsstufe 5 zu. Dieses Ziel wurde mehrere Jahre nicht erreicht und erfordert daher, Handlungsszenarien zu diskutieren“, erklärt Bezirksregierungssprecher Steffen Adams. Eine Berücksichtigung späterer Zahlen sei rechtlich ausgeschlossen. Wer entscheidet über die möglichen Szenarien? Das erste Szenario liefe - zumindest theoretisch - von alleine ab, über die drei weiteren müssten durch den Rat der Stadt Halle noch vor dem Anmeldeverfahren zum Schuljahr 2025/2026 Beschlüsse gefasst und anschließend genehmigt werden. Wie die Stadt mitteilt, werden Verwaltung, Schule und Politik nun gemeinsam ausloten, welche der dargestellten Möglichkeiten realistisch darstellbar sind. Dies soll während einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung des Schulausschusses am Donnerstag, 11. Juli, um 17.15 Uhr in der Mensa der Gesamtschule erfolgen. Wie sieht der Bürgermeister die Lage? &bdquo;Grundsätzlich herrscht Konsens, dass alle Beteiligten weiterhin alles daransetzen, die notwendigen Schülerzahlen im kommenden Frühjahr zu erreichen, um den Fortbestand der Gesamtschule zu sichern“, teilt Bürgermeister Thomas Tappe per Pressemitteilung mit. Positiv auf die anstehenden Beratungen und Bemühungen wirke sich seiner Ansicht nach aus, dass die Bezirksregierung Detmold in Aussicht gestellt hat, die Schulleitung der Gesamtschule noch in diesem Sommer zu besetzen. &bdquo;Diese Nachricht lässt hoffen und bringt bei allen Beteiligten neue Energie, um gestärkt nach den Sommerferien das Anmeldeverfahren für das Schuljahr 2025/2026 vorzubereiten“, sagt Tappe.

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