Borgholzhausener Persönlichkeit nimmt überraschend Abschied von seinem Amt

Borgholzhausen. Es fällt einfach schwer, sich von diesem Mann nicht mitreißen zu lassen. Gerade hat Hermann Ludewig den Besucher in sein wunderschön saniertes Bauernhaus mit der Fachwerkfassade in Borgholzhausens Innenstadt gebeten, da legt er auch schon los: Ludewig gestikuliert, streut hier eine Anekdote und da einen Witz ein - und wenn es passt, dann kann er bei seinen Erzählungen über legendäre Polit-Debatten auch gleich noch alle Protagonisten formvollendet imitieren. Als er mit einer Story fertig ist, breitet er die Arme aus, lächelt den Gesprächspartner an und lacht dann so entwaffnend, dass dieser mitmachen muss. Und so ein Energiebündel verkündet jetzt den Abschied aus der Politik? Hermann Ludewig wird 2025 wie berichtet nicht noch einmal für die FDP im Borgholzhausener Stadtrat antreten - nach dann 30 Jahren in der Kommunalpolitik. &bdquo;Ich kann schon in meinen Pass schauen“, sagt Hermann Ludewig. &bdquo;Es würde doch die Wähler vor den Kopf stoßen, wenn ich mich jetzt zur Wahl stellen und nach einer halben Periode dann sagen würde: Ich höre auf. Fünf weitere Jahre traue ich mir einfach nicht zu, auch wenn es mir aktuell hervorragend geht.“ Ludewig ist es sehr wichtig, selbst zu entscheiden, wann er aufhört. Er möchte sich nicht irgendwann drängen lassen, weil andere ihm sein Amt oder eine Aufgabe nicht mehr zutrauen. Keine leichte Entscheidung, denn der Stadtrat seiner Heimatstadt ist dem Macher eine Herzensangelegenheit. Ludewigs Laufbahn beginnt bei der CDU Dabei beginnt seine politische Laufbahn in Borgholzhausen gar nicht bei der FDP, sondern bei der CDU. 1989, als damals 38-jähriger Produktionschef des Bielefelder Verlages Delius Klasing und Handball-Manager des aufstrebenden TuS Borgholzhausen. &bdquo;Ich wollte mich immer schon für Pium im Rat engagieren, weil ich mich der Stadtgesellschaft verpflichtet fühlte“, erklärt Ludewig. &bdquo;Ich hatte das Gefühl, ich kann das: mit Menschen reden, mit Sprache umgehen.“ Kann man wohl sagen. Ludewig wird in den kommenden Jahrzehnten abgesehen von fünf Jahren Pause ein Garant für Direktmandate - ab 2009 allerdings unter neuer Flagge. Er verlässt die Christdemokraten und wechselt zur FDP. &bdquo;Damals gab es personelle Entscheidungen in der CDU, die Jürgen Aufderheide und ich so nicht mittragen konnten“, erinnert sich Hermann Ludewig. Den Wechsel von der Volks- zur Kleinpartei bereut er nicht, denn nun holt er seinen Ratssitz eben für die Liberalen. Auch wenn sich der Borgholzhausener ganz klar zu den freiheitlichen Idealen seiner neuen politischen Heimat bekennt und sich für die FDP auch landes- und bundespolitisch engagiert - &bdquo;um Parteien geht es mir nicht in erster Linie“. Ludewig ist davon überzeugt, dass man &bdquo;einen Kompass und Überzeugungen“ braucht, mit Menschen reden können und ihnen vor allem zuhören muss. &bdquo;Ein bisschen Ironie, eine kleine Prise Sarkasmus, natürlich Kompetenz - und man sollte über sich selbst lachen können“ - so beschreibt er sein kommunalpolitisches Erfolgsrezept. Beliebtheit führt zum Posten des stellvertretenden Bürgermeisters Das führt ihn 2015 sogar zum Amt des ersten stellvertretenden Bürgermeisters - wenn auch nicht ohne Nebengeräusche. &bdquo;Eigentlich hatte die BU den Posten schon für sich beansprucht. Aber ich dachte mir, das kannst du doch auch. Dann bin ich angetreten und gewählt worden“, erzählt Hermann Ludewig und grinst dabei ein wenig listig. Das Amt habe ihm bis 2020 schöne Jahre und Termine beschert - er sei gern als Repräsentant seiner Stadt aufgetreten. Dabei sei Kommunalpolitik kein Hobby, sondern ein Ehrenamt. &bdquo;Und das ist ein großer Unterschied. Ein Hobby kann ich sporadisch ausüben - bei einem Ehrenamt bin ich verpflichtet, dranzubleiben.“ Was ihm in der Rückschau besonders viel bedeutet? &bdquo;Als das Enkefeld gebaut wurde, haben wir alle Straßen mit jüdischen Namen versehen. Es war eine Sternstunde, dass sich alle politischen Fraktionen davon überzeugen ließen.“ Bis heute ist Ludewig wichtig, den jüdischen Friedhof mehr in die Mitte der Stadt zu holen - in jeder Hinsicht: &bdquo;Er liegt an der Peripherie, aber wir sollten ihn mit einem Weg in die Mitte der Gesellschaft holen und dafür sorgen, dass er nicht mehr eingezäunt sein muss.“ Natürlich habe die Politik in den vergangenen Jahrzehnten auch nicht alles richtig gemacht, räumt der 73-Jährige ein: &bdquo;Wir haben es versäumt, die Innenstadt attraktiver zu machen und den Tourismus stärker anzukurbeln.“ Projekte, an denen Hermann Ludewig künftig nur noch mittelbar mitwirken will - im Vorstand des Freibadfördervereins zum Beispiel. &bdquo;Und der Partei bleibe ich natürlich treu. Ich sitze noch im Bezirksvorstand und bin Delegierter für Landes- und Bundesparteitage.“ Auch im Aufsichtsrat des Seniorenheims DRK-Haus Ravensberg engagiert sich Ludewig weiter. &bdquo;Es gibt Staatsfeindlichkeit und Verschwörungstheorien“ Hat er angesichts der US-Wahl, der geplatzten Ampel-Regierung und des Bedeutungsverlustes der einst etablierten Parteien auch Angst um die politische Zukunft in Borgholzhausen? &bdquo;Dass es bei uns in manchen Gesprächen Tendenzen zur Staatsfeindlichkeit und zu Verschwörungstheorien gibt, höre ich auch“, gibt Hermann Ludewig zu. &bdquo;Aber Parteien wie die AfD werden hier trotzdem kein Bein an die Erde bekommen. Sympathisant zu sein, ist eine Sache, aber als Kandidat aufzutreten, eine ganz andere.“ Da tritt das Kämpferische wieder offen zutage, zeigt sich Ludewig energiegeladen und angriffslustig. Schwer vorstellbar, dass er Borgholzhausens Debatten ab September 2025 nicht mehr mitbestimmen wird. Aber vielleicht braucht dieser Macher dafür auch gar keine Bühne im Rat mehr - er spricht einfach mitten in der Stadt mit den Menschen.

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