Die toten Arme des Bockhorster Bachs füllen sich mit Leben

Attraktiv war die Partie des Bockhorster Bachs an der Droste-Mühle in Westbarthausen eigentlich schon immer. Doch erst die neue Umflut beseitigt das unüberwindbare Hindernis für alles, was schwimmt.

Projektleiter Oliver Juhnke im letzten Teilstück des neuen Bachabschnitts. Mit Steinen wird hier das deutlich stärkere Gefälle gesichert. Forellen, aber auch kleinere Lebewesen, sollen das Hindernis aus eigener Kraft bewältigen können. | © Andreas Großpietsch

Andreas Großpietsch
21.03.2021 | 21.03.2021, 06:00

Borgholzhausen. Vier Monate lang haben sie körperlich und mit dem Einsatz von schwerem Gerät gearbeitet – nur unterbrochen von zwei Wochen, als Schnee und Eis eine Pause erzwangen. Und dann ist er endlich da, der große Moment: Der große Bagger beseitigt mit zwei, drei Einsätzen seiner Schaufel die letzte Erdbarriere, die den gut gefüllten Bockhorster Bach von einem seltsamen Gebilde in der Wiese nebenan trennt. Dort schlängelt sich eine flache, aber noch trockene Rinne in großen Bögen durch das umgepflügte Gelände.

Weite Bögen, Verbauungen mit Altholz, Engstellen und Aufweitungen – das neue Bett des Bockhorster Baches bietet viel Abwechslung. Der derzeit noch nackte Boden soll sich rasch von selbst begrünen. - © Andreas Großpietsch
Weite Bögen, Verbauungen mit Altholz, Engstellen und Aufweitungen – das neue Bett des Bockhorster Baches bietet viel Abwechslung. Der derzeit noch nackte Boden soll sich rasch von selbst begrünen. (© Andreas Großpietsch)

Diese Rinne ist gut zu erkennen an dem gelben Lehm, der sich von dem dunkleren Mutterboden abhebt. Und dann kommt das Wasser. Nicht in einer rauschenden Flutwelle, sondern langsam, aber unaufhaltsam füllt es die Bachschlingen, kleine Nebentümpel und ganz neue „tote" Bacharme, die von den Männern mit den großen Maschinen nach einem ausgeklügelten Plan angelegt worden sind.

Menschen griffen vor Jahren ein

„Hier ist ziemlich schwerer Boden", erklärt Projektleiter Oliver Juhnke von der Abteilung Tiefbau des Kreises Gütersloh. Er kennt das Projekt in allen Einzelheiten, denn er hat sich beruflich bereits seit Jahren mit der Vorbereitung beschäftigt. Genauer gesagt, seit sechs Jahren, denn da wurden die ersten Gespräche mit dem Eigentümer der Droste-Mühle geführt. Angefangen hat die Geschichte aber eigentlich schon viel früher – siehe Infokasten unten.

Der Bagger beseitigt den letzten Damm zwischen dem alten und dem neuen Bachbett. - © Andreas Großpietsch
Der Bagger beseitigt den letzten Damm zwischen dem alten und dem neuen Bachbett. (© Andreas Großpietsch)

Der Bockhorster Bach wurde schon vor etlichen Generationen von Menschen entscheidend verändert. Aufgestaut zu einem Mühlenteich, stürzt sein Wasser unterhalb von Westbarthausen rund zweieinhalb Meter in die Tiefe. „Ein unüberwindbares Hindernis für viele Tierarten", sagt Oliver Juhnke.

Bach bekommt Platz zur Entfaltung

Und das, wo der Bach auch oberhalb der Droste-Mühle in etlichen Bereichen in einem guten ökologischen Zustand ist. Um diesen Umstand zu verändern, war eine größere Maßnahme nötig. Und dafür mussten die Voraussetzungen stimmen. Eine davon ist die Wiese oberhalb der Zufahrt der Droste-Mühle, die jetzt zum Bachbett umgestaltet worden ist.

Eine zweite die ehemalige Ackerfläche unterhalb dieser Zufahrt. Dort wird dem Bach richtig viel Platz zur Entfaltung gegeben. „In den flachen Uferbereichen wird sich sehr schnell eine Weichholzaue aus Erlen und Weiden bilden", blickt Oliver Juhnke auf die kommenden Monate voraus. Derzeit bietet sich dem Auge noch der Anblick einer Wüstenei, durch die sich ein neuer Bach mit braunem Wasser schlängelt.

Ausgleichswald von Storck entsteht hier

2,20 Meter fällt der Bach an der Mühle in die Tiefe – unüberwindbar für Wasserbewohner. - © Andreas Großpietsch
2,20 Meter fällt der Bach an der Mühle in die Tiefe – unüberwindbar für Wasserbewohner. (© Andreas Großpietsch)

Auf beiden Seiten dieses Baches befindet sich jetzt noch eine kahle Ackerfläche, doch das wird sich bald ändern. „Die Firma Storck pflanzt hier einen Wald als Ausgleichsmaßnahme an", sagt Stefan Sibilski, der Sachgebietsleiter Wasserbau. Der Süßwarenriese agiert unabhängig vom Kreis Gütersloh, der den neuen Bach zu einem Projekt des ökologischen Ausgleichs gemacht hat. Gleichwohl fügen sich die beiden Projekte gut zusammen.

Die jungen Bäume werden sicherlich von Zäunen gegen Wildverbiss geschützt. Das wird es schwierig machen, die Weiterentwicklung des neuen Biotops ganz direkt zu verfolgen – was eigentlich sehr schade ist. Doch nach einigen Jahren brauchen die Bäume keine Zäune mehr, und dann werden Menschen das Gebiet entdecken können. Und dabei hoffentlich vorsichtig vorgehen und Rücksicht auf die Natur nehmen.

In den nächsten Tagen wird erst einmal weitergebaut. So muss noch ein 5,50 Meter langer und sieben Tonnen schwerer Betonbalken installiert werden, der eine besonders wichtige Funktion erfüllt. An diesem Bauwerk wird das Wasser des Baches so aufgeteilt, dass immer ein Drittel davon zum Mühlenteich fließt. Denn der ist schon vor Jahren von einer Fischzuchtanlage zu einem Artenschutzgewässer verändert worden.

Info

„Bürokratie aus Brüssel"

Man ist schnell bei der Hand, die Richtlinie 2000/60/EG als überbordende Regelungswut der Europäischen Union abzutun.

Doch die Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 ist letztlich der Grund, um Geld in den Bockhorster Bach zu investieren.

Sie fordert Gewässerschutz von der Quelle bis zur Mündung. Und die Ems ist eins von zehn dafür definierten Flussgebiete allein in Deutschland.

Der Bockhorster Bach, der auf Versmolder Gebiet Aabach heißt, ist Teil dieses Gewässersystems.

Für im Gewässer wandernde Lebewesen war bislang an der Droste-Mühle Endstation. Jetzt werden noch etliche Kilometer Bach für Fische und Insekten durchlässig.