Trauer um Senior-Chefin von Werthers bekanntestem Unternehmen

Werther. Ursula Potthoff-Sewing ist tot. Die Seniorchefin von Poppe + Potthoff verstarb am 18. August im Alter von 93 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit. Ihr Tod ist für die Familie umso tragischer, da erst Anfang Juni ihr Sohn Christian im Alter von nur 65 Jahren nach langer, schwerer Krankheit beerdigt werden musste. Ursula Potthoff-Sewing hat ein bewegtes Leben hinter sich. Geboren wurde sie als Ursula Reimler 1932 in Golden Valley im US-Bundesstaat North Dakota, wohin ihr Vater 1922 ausgewandert war. Doch als sie gerade drei Jahre alt war, entschied der Vater, von Beruf Pastor und Lehrer, aufgrund der Weltwirtschaftskrise und Hungersnot 1935 zurück nach Deutschland zu kehren. Zunächst ins damalige Ostpreußen, 1942 zog die Familie dann nach Westfalen. Bis 1948 war Nordhemmern im Kreis Minden-Lübbecke Wohnsitz von Ursula Potthoff-Sewing. Doch auch hier blieb sie nicht. Aufgrund der schwierigen Zeiten so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verließ sie Deutschland wieder und reiste ab Bremerhaven mit einem Schiff, auf dem sich auch viele Kriegsopfer und ehemalige KZ-Insassen befanden, zurück nach Amerika – zu ihrem Onkel nach Minnesota, einem Pastor. Von den USA zum Süßwaren-Riesen Storck und schließlich nach Werther Dort war Ursula Potthoff-Sewing als Haushaltshilfe tätig und engagierte sich in der Kirche, parallel machte sie ihren Highschoolabschluss. Danach zog sie nach Valparaiso in den Bundesstaat Indiana, wo sie Englische Literatur, Französisch und Geschichte studierte. Sie wollte Lehrerin werden. Doch wie so oft im Leben kam es anders. Bei einem Heimatbesuch in Westfalen 1954 lernte sie ihren späteren Mann Klaus Potthoff-Sewing kennen, der bereits im Familienunternehmen Poppe + Potthoff tätig war. Im Januar 1955 kehrte sie dennoch zurück nach Valparaiso, um ihren Abschluss zu machen. Schließlich kam sie 1956 zurück nach Deutschland und arbeitete als Übersetzerin beim Süßwaren-Unternehmen Storck. 1958 heiratete sie Klaus Potthoff-Sewing, 1960 kam Sohn Christian, 1963 Sohn Peter und 1966 Tochter Caroline zur Welt. Lesen Sie auch: Trauer in Werther: Chef vom Unternehmen Poppe + Potthoff gestorben Auch wenn sie selbst nicht im operativen Geschäft des Unternehmens mitwirkte, so war Ursula Potthoff-Sewing doch wichtige Beraterin und Gesprächspartnerin erst für ihren Mann Klaus, später für ihren Sohn Christian, der die Nachfolge als Firmenchef antrat. Darüber hinaus hatte Ursula Potthoff-Sewing einen wesentlichen Anteil am Aufbau der ersten Niederlassung von P+P in den USA und fungierte häufig als Dolmetscherin bei englischen und französischen Geschäftsbesuchen. Und sie kannte viele Mitarbeitende im Werk persönlich, hat die Entwicklung des Unternehmens Zeit ihres Lebens mitverfolgt. Wertheranerin war sich ihrer Stellung wohl bewusst Einer von vielen großen Momenten in der Firmengeschichte war sicher die Feier zum 90. Geburtstag des Unternehmens 2018 mit 250 geladenen Gästen, an dem neben der ganzen Familie natürlich auch Ursula Potthoff-Sewing teilnahm. Ursula Potthoff-Sewing war eine Frau, die sich ihrer Stellung in der Gesellschaft wohl bewusst war und etwas zurückgeben wollte. So engagierte sie sich über viele Jahre für den Jugendaustausch beim Rotary-Club und gab bis ins hohe Alter ehrenamtlich Nachhilfe in Englisch für Kinder, deren Familien sich dies sonst nicht leisten konnten. Überhaupt hatte sie große Freude am internationalen Austausch, an Sprachen und Verständigung. Auch zum Thema: Mut zum Risiko: Firma aus Werther startet beispiellosen Innovationsprozess Und sie interessierte sich für Kunst. Nicht verwunderlich ist es daher, dass sie eine enge Verbindung zum Böckstiegel-Museum hatte. Auch, weil sie die Böckstiegel-Kinder Vincent und Sonja noch persönlich kennengelernt hatte. Zu ihrer größten Überraschung und Freude wurde sie im Oktober 2020 als 50.000. Gast im Museum begrüßt – etwas, womit sie niemals gerechnet hätte. Sie war an diesem Tag mit drei Freundinnen ins Museum gekommen und wusste nicht einmal, dass eine solche Ehrung anstand. 2021 erlebt das Böckstiegel-Museum einen Überraschungsmoment Ein halbes Jahr später erlebte das Museum seinerseits einen Überraschungsmoment, denn Ursula Potthoff-Sewing hatte etwas Besonderes mitgebracht. Im April 2021 überreichte sie dem Künstlerischen Leiter David Riedel als Dauerleihgabe eine Skulptur des &bdquo;Sämanns“. Neun dieser Figuren hatte der Künstler Peter August Böckstiegel geschaffen, vier davon waren bekannt, fünf galten bis 2021 als verschollen. Eine davon befand sich im Besitz der Potthoff-Sewings. Böckstiegels Ehefrau Hanna hatte die Figur offenkundig vor Jahrzehnten an die Belegschaft der Firma Poppe + Potthoff verkauft. Und die Belegschaft den &bdquo;Sämann“ wiederum 1953 ihrem damaligen Firmenchef Hermann Potthoff anlässlich des 25-jährigen Firmenjubiläums geschenkt. In dessen Büro stand sie viele Jahre – bis Ursula Potthoff-Sewing und ihre Tochter Caroline Lagemann sich entschieden, dass sie im Museum viel besser aufgehoben wäre, wo sie von vielen Menschen gesehen werden kann. Die letzten Monate waren für Ursula Potthoff-Sewing keine schönen. Mitte des Jahres verstarb ihr Sohn Christian, den sie bis zu dessen Tod im Juni begleitet hatte. Am Mittwoch wurde Ursula Potthoff-Sewing auf dem Friedhof in Werther beigesetzt. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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