Mehr Tierwohl: Landwirte aus Werther bauen Offenstall dank kreativer Idee

Werther-Häger. Bei diesem Anblick schlägt das Herz jedes Tierliebhabers höher. Es ist ein sonniger, nicht zu warmer Vormittag im Juni. 120 Zuchtsauen liegen tiefenentspannt auf der Seite im frischen Stroh, Kopf an Kopf, Hintern an Hintern, die Augen der meisten Tiere sind geschlossen. Ein einziges zuckelt langsam zur Heuraufe, um sich ein paar Halme zu schnappen, zwei weiter vorn heben kurz die Köpfe, um zu schauen, wer der Neuankömmling ist. Sonst nur vereinzelt ein Grunzen oder Quieken, mehr ist nicht zu hören. Es ist ein Anblick, der auch die Hofbesitzer glücklich macht. Dietrich und Carola Schwanhold und ihr Sohn Max betreiben in Häger eine Schweinezucht mit 250 Zuchtsauen, einer entsprechenden Menge an Ferkeln und einer kleinen Schweinemast. Es ist ein konventioneller Betrieb, in dem die Sauen bis vor zwei Jahren ausschließlich in geschlossenen Ställen auf Spaltenböden standen. Diese sind zwar gut belüftet, und durch die Fenster fällt Tageslicht – zufrieden waren Schwanholds dennoch nicht. &bdquo;Der alte Stall stammt aus den 1990er Jahren, der jüngere wurde 2012 gebaut“, erläutert Max Schwanhold. Beim Bau des neuen Freilaufs hat die Familie einen genialen Einfall Schon lange hätten sie sich daher überlegt, wie es weitergehen soll – und sich in diesem Zuge auch mit dem Thema Tierwohl beschäftigt. Nicht nur, weil die Forderungen der Verbraucher stetig stiegen. &bdquo;Sondern weil es uns wichtig ist.“ Ein neuer Stall sollte allerdings nicht nur dem Tierwohl entsprechen. Er sollte auch nachhaltig und finanziell darstellbar sein. Kein leichtes Unterfangen, denn die örtlichen Gegebenheiten des Hofes sind alles andere als ideal. So reizvoll die Hügellage im Außenbereich von Häger auch ist, so schwierig ist es, einen passenden Standort für einen neuen Stall zu finden. Lesen Sie auch: Erstmals Afrikanische Schweinepest in NRW nachgewiesen Doch dann hatten Schwanholds einen genialen Einfall: Warum nicht die Hoffläche zwischen dem alten und dem neuen Stall als offenen Laufstall ausbauen? Mauerdurchbrüche vom alten Stall ins Freie schaffen, damit die Sauen je nach Vorliebe auf den Spaltenböden drinnen oder im Stroh draußen sein können? Dann könnte man den alten Stall mit den Futterautomaten weiter nutzen, die Tiere hätten aber nahezu die doppelte Auslauffläche. Ausmisten ist für die Schweinezüchter aus Werther nun wieder ein Thema Wenn man dann noch den neuen Offenstall mit einem hohen Dach überspannt, kämen an vier Seiten viel Licht und Luft durch, der Laufstall wäre aber vor Regen geschützt. &bdquo;Sonst müssten wir dauernd ausmisten. So bleibt das Stroh länger gut und wir haben keine Ölerei“, sagt Max Schwanhold. Für das Ausmisten, das aufgrund des Strohs nun wieder ein Thema bei Schwanholds ist, hat die Familie die denkbar einfachste Lösung gefunden: Die Tore des Offenstalls zum Hof lassen sich leicht zur Seite schieben, so dass das Ausmisten mit dem Trecker in überschaubarer Zeit erledigt ist. In dem großen Laufstall gibt es aber nicht nur Stroh zum Wühlen und darin liegen. In eine Raufe haben die Schweinezüchter einen Rundballen mit Heu gepackt – eher ungewöhnlich bei Schweinen. &bdquo;Wir hätten selbst nie gedacht, wie gut das von den Tieren angenommen wird“, ist Dietrich Schwanhold noch immer erstaunt, wie gern und vor allem wie viel die Tiere hier fressen. Alle fünf bis sieben Tage ist ein Heuballen aufgebraucht. Dann gibts den nächsten. Am Futtertrog haben die ranghöheren Schweine die Nase vorn Ihr eigentliches Futter – selbst angebautes Getreide und zugekaufte Mineralien sowie Sojaschrot – erhalten die Tiere weiterhin an automatisierten Stationen im Stall. In mehreren Boxen wird das Futter ausgegeben, dank eines Transponders an der Ohrmarke der Sauen weiß der Futterautomat genau, wie viel in welcher Mischung das jeweilige Tier bekommt. Fressen tun die Sauen, wann sie wollen. &bdquo;Meist hängt das von der Rangordnung ab. Die ranghöheren Tiere gehen zuerst, die anderen müssen sich gedulden“, beschreibt Max Schwanhold. Da alle Sauen nacheinander in die einzeln abgeschlossenen Boxen gehen, könnten alle in Ruhe fressen und würden nicht von anderen Tieren bedrängt. Alle Sauen bei Schwanholds kommen in den Genuss des Offenstalls. &bdquo;Wir haben ein rotierendes System“, erzählt Dietrich Schwanhold. Zwei Wochen nach der Besamung kommen die Tiere in den Offenstall, wo sie bis wenige Tage vor der Geburt bleiben. Höherer Aufwand bedeutet für Landwirte nicht automatisch höhere Einnahmen Spannend zu sehen ist, dass die Sauen beides nutzen, den offenen Bereich und den geschlossenen Stall. An diesem Freitagmorgen etwa liegen zwei Drittel der Sauen auf der Freifläche, ein Drittel hat sich in den Stall zurückgezogen. Dort gibt es zahlreiche, nach vorn hin offene Liegeboxen. &bdquo;Die Sauen parken rückwärts ein“, nennt es Max Schwanhold und muss lachen. Aber tatsächlich: Alle liegen mit dem Hinterteil an der Wand und haben entsprechend einen guten Blick, was im Stall vor sich geht. Auch interessant: Wie ein Schweinestall in Versmold zum modernen Tiny House wird Wenn es sehr heiß draußen ist, verzichten die Sauen allerdings freiwillig auf ein Liegen im Stroh. &bdquo;Dann sind ihnen kühlere Betonflächen lieber. Viele gehen auch rein, da wir hier die Zuluft mit Wasser kühlen.“ Erst in den Abendstunden kämen sie wieder ins Freie. Mit ihrem Offenstall sehen sich die Landwirte in Sachen Tierwohl für die nächsten Jahre gut aufgestellt. Beim Preis für ihre Ferkel, die sie mit etwa 30 Kilo an Schweinemäster im Umkreis verkaufen, spiegelt sich der höhere Aufwand allerdings nicht wider – noch nicht. &bdquo;Aktuell beziehen sich Haltungsformen in Deutschland ausschließlich auf die Schweinemast. Sauenhaltung spielt da keine Rolle“, bedauert Max Schwanhold. Schwanholds haben klare Forderungen an die Politik Von der Politik wünschen er und seine Eltern sich mehr Planungssicherheit. &bdquo;Wir wollen mehr Tierwohl und haben nichts gegen neue Vorgaben – wenn wir uns darauf verlassen können, dass sie von der nächsten Regierung nicht wieder über den Haufen geworfen werden. Schließlich geht es bei den Umbauten, die wir schultern müssen, um erhebliche Summen. Und das ist unser Geld.“ Familie Schwanhold weiß, dass der Umbau der gesamten Tierhaltung in Deutschland in Richtung mehr Tierwohl ein Riesenprojekt ist, das nicht von heute auf morgen gelingen kann. &bdquo;Doch die meisten Landwirte sind bereit, sich auf den Weg zu machen. Aber es muss sich für uns rechnen. Dies ist schließlich unser Broterwerb.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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