Vergessene Vergangenheit: Werthers Gefängnis im Fokus eines neuen Films

Werther. Das Foto ist ein Relikt aus Werthers unrühmlicher Vergangenheit. Vier Gefangene, bewacht von zwei Wärtern mit Maschinengewehren, marschieren durch ein Waldstück vom Kleinbahn-Haltepunkt in Isingdorf in die Außenstelle des Strafgefangenenlagers Oberems Werther/Schröttinghausen. Rund eineinhalb Kilometer durch teils bewaldetes Gebiet, wo Fliehen dennoch keine Option war: Die Männer wären sofort erschossen worden. Es ist ein Aspekt von Werthers Kleinbahn, den heute kaum mehr jemand kennt. Auch Knut Weltlich ist eher zufällig beim Recherchieren für seinen Eisenbahn-Film darauf gestoßen. Ab da ließ ihn der Aspekt nicht mehr los, und er versuchte, an Informationen über das Gefängnis und die Verbindung zur Kleinbahn zu kommen. Gar nicht so einfach, denn: &bdquo;Alle Zeitzeugen sind längst verstorben.“ Doch selbst wer etwas wusste, begegnete Knut Weltlich mit Zurückhaltung. &bdquo;Es ist halt ein unbequemes Thema.“ 2017 hatte Knut Weltlich den ersten, 2023 den zweiten Teil seines Films über die Wertheraner Kleinbahn fertiggestellt. Eine sehenswerte Dokumentation mit zahlreichen Fotos, Animationen und Interviews, die die frühere Verbindung von Werther nach Bielefeld lebendig macht. Die Kleinbahn pendelte von 1901 bis 1956 zwischen den Städten und wurde schließlich aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit eingestellt. Busse übernahmen danach den Transport. Das Strafgefangenenlager von Werther - ein ungastlicher Ort &bdquo;Bitte einsteigen in den Sonderzug nach Bielefeld“ hatte Weltlich als Titel für seinen Eisenbahn-Film ausgewählt. Und einsteigen: Das mussten offenbar auch zahlreiche Häftlinge, die aus Bielefeld zum Gefängnis nach Werther transportiert wurden. Das existierte von 1937 bis 1970 und lag auf der Grenze zwischen Isingdorf und Schröttinghausen, vor der Gebietsreform damals noch ein Ortsteil von Werther. Ein ungastlicher Ort, wie ein altes Foto der Innenräume und ein Grundrissplan zeigen. Es gab einen engen Schlafsaal für alle 40 Gefangenen, die in Doppelstockbetten kampieren mussten, außerdem eine Küche, über die sie verpflegt wurden. &bdquo;Es war ein reines Männergefängnis“, berichtet Weltlich, einsitzen mussten die Gefangenen für Delikte wie Diebstahl, Einbruch oder Betrug. &bdquo;Schwere Jungs“, also Räuber oder Mörder, seien wohl nicht unter den Inhaftierten gewesen. &bdquo;Es war ein offener Vollzug“, hat Weltlich herausgefunden. Tagsüber seien viele der Gefangenen zur Arbeit abgeholt worden, etwa auf den umliegenden Höfen, aber auch in handwerklichen Betrieben. Gefängnis-Thema ist bei vielen Wertheranern bis heute mit Angst verbunden &bdquo;Ich wollte das Gefängnis unbedingt in meinen Film integrieren“, schildert Weltlich. &bdquo;Mein Problem war, dass die Einrichtung so unbekannt war, dass niemand etwas über sie wusste.“ Bei den Städten Werther und Bielefeld hat der 74-Jährige nachgefragt, beim Landschaftsverband, der auch im Bereich des Maßregelvollzugs tätig ist, bei verschiedenen Heimatvereinen, sogar bei den örtlichen Kirchengemeinden. Nichts. Lesen Sie auch: Vergessenes Gefängnis: Ein Haftlager in Werther, das nirgendwo erwähnt wird Fündig geworden ist Knut Weltlich am Ende ausschließlich bei Privatpersonen. &bdquo;Doch auch bei ihnen gab es welche, die ungern mit mir reden wollten.“ Er habe das Gefühl gehabt, dass das Gefängnis-Thema bei ihnen bis heute mit Angst verbunden ist. &bdquo;Warum, kann ich wirklich nicht sagen.“ Noch schwieriger war es, an Bildmaterial zu kommen. &bdquo;Wer hatte damals schon eine Kamera? Und wer hätte sich getraut, Fotos von einem Gefängnis zu machen?“ - Weltlich kann die Zurückhaltung der Wertheraner sogar nachvollziehen. &bdquo;Es war damals eine andere Zeit. Da hat nicht jeder mit dem Handy auf alles draufgehalten.“ Häftlinge bauen in einer Tischlerei Munitionskisten zusammen Trotzdem ist es ihm gelungen, einige Fotos aufzutreiben. Vom Gebäude selbst zum Beispiel, das heute noch existiert und längst zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. &bdquo;Dass es mal ein Gefängnis war, sieht man dem Haus nicht mehr an.“ Oder von einem Wachtmeister, der im Gefängnis seinen Dienst tat. Von einem alten Haftschein, unterschrieben vom Amtsgerichtsrat. Und ein paar rare Fotos von den Gefangenen selbst. &bdquo;Sie trugen damals blaue Anstaltskleidung mit den Lettern JV für Justizvollzug auf dem Rücken.“ Außerdem existiert ein Foto, wo zu sehen ist, dass die Männer in einer Tischlerei Munitionskisten bauen. Und ein weiteres, wo diese Kisten auf die Kleinbahn verladen werden. Um die Zuschauer noch anschaulicher in den Film zu ziehen, hat Weltlich einige Bilder mithilfe der Künstlichen Intelligenz animiert. In einer Näherei etwa, in der ebenfalls Gefangene aus Werther eingesetzt waren. Lesen Sie auch: Neustart im Knast: Diese WG macht das Gefängnis in Werther zum Zuhause Interessierte sind zu zwei öffentlichen Filmvorführungen eingeladen &bdquo;Das alles herauszufinden und umzusetzen hat viel Zeit und Mühe gekostet - aber auch Spaß gemacht“, gibt der 74-Jährige zu. Seinen 50-minütigen Film über Werthers Kleinbahn hat er jetzt um den Gefängnis-Aspekt erweitert. Sechseinhalb Minuten spannende Geschichte, die an zwei Filmnachmittagen öffentlich gezeigt wird. Und zwar jeweils samstags am 12. April sowie am 10. Mai am passendsten Ort, der dafür in Werther gefunden werden konnte: Im ehemaligen Bahnhofsgebäude der Kleinbahn und der heutigen Tapas-Bar Dicke Dornberg - benannt nach der früheren großen Lok. Beide Nachmittage beginnen um 15 Uhr, im Eintrittspreis von zehn Euro ist ein kleiner Snack enthalten. Wer sich schon vorher eine Karte sichern will, bekommt sie in der Gaststätte. Und das Gefängnis? Es wurde 1970 aufgegeben, da es &bdquo;nicht mehr zeitgemäß“ war, wie Knut Weltlich erzählt. Die Gefangenen seien in andere Einrichtungen verbracht worden. Wer übrigens doch noch alte Fotos oder Informationen über das ehemalige Strafgefangenenlager haben sollte: Knut Weltlich freut sich über Zuschriften an info@werther-tv.de. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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