Missstände

Pflaster und steile Rampen werden zur Gefahr in Werther

Fast elf Prozent der Wertheraner gelten als schwerbehindert. „Für sie muss etwas getan werden“, sagt Knut Weltlich – und fordert die Gründung eines Behindertenbeirats.

Knapp passt der Rollator dieser Seniorin durch die Mitte der Aufpflasterung in Höhe der Eisdiele. "Aber wehe, wenn ein Auto kommt", beklagt die Frau. | © Anja Hanneforth

Anja Hanneforth
07.04.2025 | 07.04.2025, 14:03

Werther. „Ich ärgere mich jedes Mal, diese Stelle ist für mich unglaublich schwierig.“ Sagt eine Seniorin, als sie sich mit ihrem Rollator vor der Eisdiele zwischen den beiden Aufpflasterungen hindurchkämpft. Zwar passt ihr Rollator genau durch die Lücke in der Mitte. Manchmal, erzählt sie, habe sie ihr Gefährt aber auch schon über die Huckel wuchten müssen, wenn ihr ein Auto entgegenkam und an der Seite nicht genügend Platz war. „Das ist sehr unangenehm.“

Es sind Stellen wie diese, die den Alltag für eine Vielzahl von Wertheranerinnen und Wertheraner beschwerlich machen. „Das muss sich ändern“, findet Knut Weltlich. Der umtriebige Hägeraner hat sich jetzt mit einem Antrag an den Anregungs- und Beschwerdeausschuss gewandt: Er fordert die Einrichtung eines Behindertenbeirats.

„Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen mit Handicap es in Werther gibt“, sagt Weltlich. Zum Beweis hat er aktuelle Zahlen aus dem Kreis Gütersloh mitgebracht. Demnach gelten in Werther fast elf Prozent der 11.500 Einwohnerinnen und Einwohner als schwerbehindert. Das sind 1.250 Personen. Nur in Halle liegt der Anteil mit 12,7 Prozent höher. Hinzu kommt in Werther noch einmal eine ähnlich hohe Zahl von Menschen, die als behindert gelten.

Wertheraner leidet selbst unter einer schweren Behinderung

Knut Weltlich, der selbst mit einem Handicap leben muss, fordert jetzt die Einrichtung eines Behindertenbeirats für Werther. - © Anja Hanneforth
Knut Weltlich, der selbst mit einem Handicap leben muss, fordert jetzt die Einrichtung eines Behindertenbeirats für Werther. (© Anja Hanneforth)

„Hier geht es also um die Belange eines großen Teils der Bevölkerung“, fasst Weltlich zusammen. Auch er selbst gilt aufgrund eines Lungenleidens als schwerbehindert. Seit vielen Jahren setzt er sich für Betroffene ein. Und kennt sich gut aus: Bis zu seiner Pensionierung war er als Schwerbehindertenbeauftragter beim Konzern Bertelsmann tätig, hat als langjähriger SPD-Ratsherr in Werther auch das politische Geschehen erlebt. Dazu ist er Vorsitzender des VdK Werther und hat in dieser Funktion schon viele Gespräche mit Betroffenen geführt. Und festgestellt: „Der Handlungsbedarf in Werther ist riesig!“

Lesen Sie auch: Schwerkranker Wertheraner kämpft gegen Falschparker – und wird beschimpft

Er nennt Beispiele: Als Erstes das Natursteinpflaster in der Innenstadt. „Das birgt für Menschen mit Geh- und Sehbehinderungen viele Probleme.“ An zahlreichen Gehwegen und Parkplätzen in Werther und den Ortsteilen hätten zudem Baumwurzeln das Pflaster hochgedrückt. „Wer seine Beine nicht mehr gut heben kann, hat große Schwierigkeiten.“

Die Rampe vom unteren Parkplatz des Gemeindehauses hoch zum Gemeindehaus-Vorplatz sei zu steil. „Rollator-Fahrer schaffen es vielleicht mit Ach und Krach, mit Rollstühlen ohne elektrischen Antrieb ist der Weg nicht machbar.“ Die Fahrpläne an den Bushaltestellen seien zu klein gedruckt und zu hoch aufgehängt, Rollstuhlfahrer könnten sie kaum lesen. Einen Behindertenparkplatz direkt am Eingang zum Freibad, obwohl schon vor Jahren ins Auge gefasst, gebe es bis heute nicht. Behindertenparkplätze gebe es allgemein zu wenige. Und diese seien oft durch Falschparker blockiert.

Neuer Wertheraner Beirat soll Missstände erkennen und benennen

Diese Rampe vom unteren Parkplatz des Gemeindehauses hoch zum Gemeindehaus-Vorplatz ist für viele Menschen mit Rollstuhl und Rollator zu steil. - © Anja Hanneforth
Diese Rampe vom unteren Parkplatz des Gemeindehauses hoch zum Gemeindehaus-Vorplatz ist für viele Menschen mit Rollstuhl und Rollator zu steil. (© Anja Hanneforth)

Dazu würden immer mehr Anliegerstraßen bei einer Sanierung höhengleich und ohne Bürgersteig ausgebaut. Schlecht für Menschen mit Sehbehinderungen, für die eine Bordsteinkante die einzige Möglichkeit sei, sich mit einem Blindenstock zu orientieren.

„Es gibt bestimmt noch mehr Beispiele“, ist sich Weltlich sicher. Dabei macht er niemandem Vorwürfe. „Früher hat man bei der Stadtplanung auf solche Dinge nicht geachtet.“ Dass sie allerdings heute vielfach immer noch unbeachtet blieben, nennt er „inakzeptabel“.

Hier könne ein Behindertenbeirat wertvolle Hilfe leisten. Indem er Probleme erkennt, benennt, an Politik und Verwaltung heranträgt und bestenfalls in Entscheidungsprozesse eingebunden wird. Dass ein Beirat anders als ein politischer Ausschuss keine Entscheidungsgewalt hat, ist Weltlich bewusst. „Darum geht es mir nicht“, betont er. Es ginge darum, Missstände darzulegen und bestenfalls abzuschaffen.

Ausreichend Wertheraner ließen sich für den Beirat finden

An vielen Stellen in Werther und den Ortsteilen haben Baumwurzeln das Pflaster hochgedrückt. Für Seh- und Gehbehinderte bedeutet dies eine Gefahrenquelle. - © Anja Hanneforth
An vielen Stellen in Werther und den Ortsteilen haben Baumwurzeln das Pflaster hochgedrückt. Für Seh- und Gehbehinderte bedeutet dies eine Gefahrenquelle. (© Anja Hanneforth)

Denn, zitiert Weltlich Artikel 3 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Er wolle Menschen mit Handicap auch keine Vorteile verschaffen. „Es geht um einen Nachteilsausgleich. Und der ist dringend erforderlich.“

Bestenfalls, so Weltlich, seien in einem künftigen Behindertenbeirat Menschen mit ganz verschiedenen Einschränkungen vertreten. „Damit alle Gruppen in Werther mit ihren spezifischen Problemen mitgedacht werden.“

Genügend Leute zu finden ist aus Sicht Weltlichs kein Problem: „Allein im VdK haben sich schon fünf Personen gemeldet, die mitmachen würden“, berichtet er.

Antrag wird am Montag im Wertheraner Rathaus behandelt

Am kommenden Montag, 7. April, 17.30 Uhr, wird im Anregungs- und Beschwerdeausschuss über seinen Antrag gesprochen. Dass er keinen Erfolg damit haben könnte, kann sich Weltlich nicht vorstellen. „Ich glaube nicht, dass eine Stadt sagen kann, sie brauche keinen solchen Beirat.“

Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK