Schwerkranker Wertheraner kämpft gegen Falschparker - und wird beschimpft

Werther. Auch an diesem Tag passiert es - wieder einmal. Es ist ein später Donnerstagvormittag, Knut Weltlich ist mit dem &bdquo;Haller Kreisblatt“ verabredet, um sein Problem öffentlich zu machen. Gerade, als er mit seinem Wagen auf einen der beiden Behindertenparkplätze vor der Kreissparkasse einbiegen will, kommt ihm jemand zuvor. Ein Mann mittleren Alters schnippelt auf die Fläche, steigt aus und will schon verschwinden, als ihn Knut Weltlich aus dem noch laufenden Auto anspricht. So leicht will er den Mann nicht entkommen lassen. &bdquo;Sie wissen schon, dass Sie hier nicht parken dürfen“, sagt er mit heruntergelassener Scheibe. Fürs Aussteigen braucht er wegen des Geräts, das ihn mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt, länger. Dass der Angesprochene ganz augenscheinlich topfit und keineswegs auf einen Behindertenparkplatz angewiesen ist, wird auf den ersten Blick deutlich. Dem Mann ist die Situation unangenehm, inzwischen sind einige Fußgänger stehen geblieben und schauen interessiert zu, was hier vor sich geht. Für den Mann wird es noch unangenehmer: &bdquo;Wissen Sie“, sagt Knut Weltlich: &bdquo;Ich mache Ihnen ein Angebot: Ich überlasse Ihnen meinen Behindertenparkplatz, wenn Sie mir dafür Ihre Gesundheit geben.“ Der Mittfünfziger hat genug gehört. Er steigt in sein Fahrzeug und fährt kommentarlos weg. Beschimpft und mit Kraftausdrücken beleidigt &bdquo;Ich erlebe das ganz oft“, beklagt Knut Weltlich. Immer wieder würden Autofahrer die Behindertenparkplätze in der Stadt belegen, um &bdquo;nur ganz kurz etwas zu erledigen“, wie sie dem Wertheraner zurufen. Manche würden auch unfreundlich, würden ihn anschimpfen, ihn mit Kraftausdrücken beleidigen - oder sie winken seine Ansprache als unbedeutend ab. &bdquo;Das schmerzt am meisten“, sagt Weltlich. Doch er weiß sich zu wehren. Als Vorsitzender des VdK und des Freizeitsvereins und als langjähriges Ratsmitglied ist er nicht auf den Mund gefallen und kontert blöde Sprüche sofort. &bdquo;Aber was kann ich tun, wenn die Leute mich einfach ignorieren und verschwinden, ohne etwas zu sagen?“ Und ihren Wagen auf dem Behindertenparkplatz stehen lassen. Knut Weltlich leidet an einer nicht heilbaren Lungenkrankheit. &bdquo;Mein Sauerstoffgehalt im Blut ist zu gering“, schildert er. Weshalb er, wenn er unterwegs ist, ein Sauerstoffgerät mit sich führt. Das kann er in einer Tasche umhängen, ein dünner Schlauch versorgt ihn mit dem lebenswichtigen Gas. &bdquo;Wenn ich sitze, ist es meist in Ordnung. Aber sobald ich zu Fuß gehe, merke ich die Atemnot“, schildert der 74-Jährige. Bußgeld und Abschleppkosten ersparen Umso mehr ärgert ihn, wenn die für ihn wichtigen Parkplätze nicht frei sind. Das passiere wöchentlich. &bdquo;Diese Leute sollten sich klarmachen, dass es auch sie treffen kann“, sagt Weltlich. Jeder könne durch einen Unfall oder eine Krankheit unverhofft in dieselbe Situation geraten wie er selbst. &bdquo;Auch bei mir ist das aus heiterem Himmel passiert.“ Wenn Knut Weltlich die Falschparker nicht antrifft, nutzt er eine andere Methode: Er klemmt ihnen einen kleinen Zettel, herausgegeben vom VdK, hinter die Windschutzscheibe. Darauf steht - ironisch - zu lesen: &bdquo;Sie haben ihn gefunden, den Parkplatz, der nur außergewöhnlich Gehbehinderten und Begleitpersonen von Blinden zusteht - herzlichen Glückwünsch! Bedenken Sie, schon morgen könnten Sie selbst betroffen sein! Ersparen Sie sich ein Bußgeld und Abschleppkosten und fahren Sie bitte weiter!“ &bdquo;Das hat auch schon funktioniert“, erzählt er. Einmal sei ein Mann passend zum Auto zurückgekommen und habe sich dann entschuldigt. Schindluder mit gefälschten Parkausweisen Dass er einen Behindertenparkausweis besitzt, sei kein Privileg, betont Weltlich, sondern ein Nachteilsausgleich. &bdquo;Ich habe keine Vorteile dadurch. Der Ausweis ermöglicht mir nur, zu Behörden, Banken und Geschäften zu kommen und am öffentlichen Leben teilzunehmen.“ Einen Behindertenparkausweis erhielte nur, wer ihn wirklich benötigt. Einen Schwerbehindertenausweis zu besitzen reiche da nicht, &bdquo;man muss eine außergewöhnliche Gehbehinderung nachweisen.“ Wenn man wie er selbst lungenkrank sei, herzkrank sei oder an krankhaften Durchfällen leidet. Er weiß, dass das Beantragen eines Ausweises schwierig sei. Daher bietet er in seiner Funktion als VdK-Vorsitzender jeden letzten Freitag im Monat von 14 bis 15 Uhr im Herrenhaus des Schlosses oder unter Tel. 05203 883365 eine Sprechstunde an. Dass es sogar Leute gibt, die mit gefälschten Parkausweisen Schindluder treiben, nennt er &bdquo;perfide“. So etwas ginge gar nicht. Bürger können Verstöße an die Stadt melden Gut findet Weltlich hingegen, dass inzwischen alle Bürgerinnen und Bürger Parkverstöße mit dem Handy fotografieren und der Stadt melden können. Die sei dann verpflichtet, der Sache nachzugehen. &bdquo;Die größte Waffe, die gegen das Falschparken erfunden wurde“, findet er. Trotzdem hält er es für erforderlich, dass in Werther mehr kontrolliert wird. Darauf angesprochen sagt Ordnungsamtsleiterin Ulrike Miesen, dass ihre Kollegin regelmäßig im Stadtgebiet unterwegs sei. &bdquo;Natürlich sind freie Parkplätze in der Innenstadt begehrt, sodass immer wieder Behindertenparkplätze oder der Bürgersteig unberechtigt zugeparkt werden“, bedauert sie. 14 Behindertenparkplätze habe allein die Stadt eingerichtet, darunter am Rathaus, am Haus Werther, am Freibad oder am Böckstiegel-Museum. Die Argumente bei den Verstößen seien immer dieselben: Man wollte nur mal schnell einen Brief einwerfen, nur mal kurz Geld holen, kurz zur Apotheke oder zum Bäcker. Wer erwischt wird, erhalte eine schriftliche Verwarnung und müsse ein Verwarngeld von 55 Euro bezahlen. &bdquo;Sollte dies binnen einer Frist nicht passieren, wird aus dem Verwarngeld ein Bußgeld mit zusätzlichen Gebühren“, so Ulrike Miesen. Melder müssen als Zeuge zur Verfügung stehen Dass Verstöße auch von Bürgerinnen und Bürgern an die Stadt gemeldet werden, käme ebenfalls vor. &bdquo;Die Hinweise müssen mit verwertbaren Fotos und einer Zeitangabe belegt werden, außerdem muss der Melder namentlich als Zeuge zur Verfügung stehen“, betont die Ordnungsamtsleiterin. Knut Weltlich ist nach dem Pressegespräch inzwischen wieder auf dem Weg zu seinem Auto. Von Weitem sieht er das bekannte Bild: Auf dem zweiten Behindertenparkplatz steht schon wieder jemand, der flott aus seinem Wagen springt und guten Fußes verschwindet. &bdquo;Wohl nur mal schnell etwas besorgen“, meint Weltlich resigniert.

Meistgelesen

Pflaster und steile Rampen werden zur Gefahr in Werther

Vergessene Vergangenheit: Werthers Gefängnis im Fokus eines neuen Films

Knöllchen auf Bielefelds Supermarkt-Parkplätzen: Hier lauern Bußgeld-Fallen

Fünf Städte mit Millioneneinnahmen: Verkehrssünder füllen Kassen in OWL

Zahnarztpraxis in Werther: 21-Jährige mit Bestnote und Herz für Patienten Dass sie im medizinischen Bereich arbeiten wollte, war für Malin Nawarra schon immer klar. Dass es die Zahnmedizin geworden ist, war Zufall. Nun glänzt sie mit einer Top-Leistung.

Was machen die Ermittlungen zur illegalen Zigarettenfabrik in Werther? Es ist jetzt ein Jahr her...