Fast 500 Jahre: Jetzt endet die Geschichte des Wertheraner Gasthauses Massmann

Werther-Häger. Wenn die alten Hägeraner von der Gaststätte Massmann reden, dann hört man das Lächeln in ihrer Stimme, das bei der Erinnerung an die alten Zeiten unwillkürlich mitschwingt. Die gute alte Zeit, in der der SV Häger seine großen Feste in dem Vereinslokal an der Schröttinghausener Straße gefeiert hat und in der Wilfried Maßmann als Festwirt große Zelte auf der Wiese vor dem Gasthof aufgebaut hat. "Mindestens drei Mal die Woche, nach jedem Training und nach jedem Spiel waren wir damals bei Massmann", erinnert sich Uwe Gehring, langjähriges engagiertes Mitglied des SV Häger, "ich habe meine halbe Kindheit dort verbracht". In den 1960er-Jahren begann die Ehe zwischen dem Sportverein und dem Gasthaus, das in jahrhundetelanger Tradition auch Bäckerei und Dorfladen war. Die Wirtsleute verpachteten dem SV Häger die große Wiese, auf der der Fußballplatz entstand und die Sportler erkoren die Gaststätte zu ihrem zweiten Zuhause. "Hanna und Wilfried Maßmann, den alle nur Bäcker nannten, waren für uns wie Herbergseltern", erzählt Uwe Gehring. "Hanna goss auch schon mal einen Schuss Rum in den Tee, um uns Jungs zu puschen. Andersrum mussten sie mit uns aber auch viel ertragen, wenn wir nach den Spielen bis ein Uhr nachts dort saßen, obwohl der Bäcker ja schon wieder um drei Uhr in der Backstube stehen musste." "Die Massmann-Brötchen waren berühmt" "Wilfried war gelernter Bäcker und stand bis zu seinem Tod 2004 im Alter von 73 Jahren am Ofen", erzählt Ulrich Wefing, selbst Bäckermeister und langjähriger Vorsitzender vom Heimatverein Häger. "Und er machte einfach die besten Brötchen, die waren zwar klein, aber sie schmeckten. Die Massmann-Brötchen waren berühmt", sagt Wefing. Berühmt waren auch die Kochkünste von Wilfried Maßmanns Mutter Anna, die gemeinsam mit Ehemann Fritz die Gaststätte geführt hatte, bevor sie sie - vermutlich in den 1960er Jahren - an Sohn Wilfried und dessen Frau Hanna übergab. "Tante Anna war sehr beliebt in Häger, die konnte kochen, da schwärmte ganz Häger von", erinnert sich der79-jährige Ulrich Wefing an seine Kindheit. Und auch "Onkel Fritz", wie Fritz Massmann von den Kindern im Dorf genannt wurde, war eine lokale Berühmtheit. "Er war der Feuerwehrhauptmann von Häger", berichtet Ulrich Wefing. Zwar hatte Massmann dieses Amt nur von 1952 bis 1953 kommissarisch inne, doch wie verbunden die Familie mit dem Hägeraner Löschzug war, zeigt die Tatsache, dass die Gaststätte Massmann vermutlich etwa seit 1900 oder einige Jahre danach als Brandmeldestelle fungierte. Auf dem Dach des Hauses stand eine pressluftgetriebene Sirene, die im Alarmfall von der Gastwirtsfamilie in Gang gesetzt wurde. Erinnerungen enden nach einem Jahrhundert Wesentlich weiter reichen die lebendigen Erzählungen und Erinnerungen der Hägeraner an Bäckerei und Gaststätte und die Familie, die sie betrieb, nicht zurück. Dabei ist die Geschichte des Anwesens um einiges älter. Dessen Anfänge liegen mindestens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Denn die Hofstelle ist im Urbar der Grafschafts Ravensberg, dem Besitzrechtsverzeichnis von 1556 bereits aufgeführt. Dort wird berichtet von einem Johann Schroder, Kötter und unverheiratet, der von dem noch heute existierenden Hof Tebbe ein kleines Stück Land bekommen hat. Einen Acker, den man damals als Kamp bezeichnete und dessen neuer Besitzer seitdem Tebbenkampe genannt wurde, erläutert Ulrich Maaß. Auf alten Flurkarten hat der Hobbyhistoriker das damals als Häger 30 bezeichnete Stück Land als das Grundstück der Gaststätte Massmann ausgemacht. Die Familie Tebbenkamp muss dann dort über einen sehr langen Zeitraum heimisch gewesen sein, denn in den historischen Akten, die Ulrich Maaß studiert hat, tauchen sie im Jahr 1721 immer noch auf. Im Visitationsregister, dem Steuerregister der Grafschaft Ravensberg, wird von einem Johann Hinrich Tebbenkamp berichtet, der am 24.01.1708 eine Christina Erdsiek heiratet und gleichzeitig seinen Sohn Hermann Hinrich taufen lässt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Händler schon seit über 220 Jahren Irgendwann wurden aus den Köttern und Bauern Tebbenkamp dann Händler. Denn im Hägeraner Familienbuch Bleeke von Pastor Gieseler ist am 28.12.1794 von der Taufe der kleinen Marg. Louise Tebbenkamp die Rede, der Tochter des "Comercianten Friedrich Wilhelm Tebbenkämper". "Commerziant bedeutet Händler", erklärt Ulrich Maaß und somit könne man davon ausgehen, dass der kleine Dorfladen, der bis in die 2000er von Hanna Maßmann betrieben wurde, also mindestens im Jahr 1794 seinen Ursprung hat. 1854 wechselte das Anwesen dann den Besitzer und kam so in die Hände der Familie, der es bis zum Verkauf an die Stadt 2008 gehören sollte. Die hieß damals zwar noch nicht Maßmann, sondern Honsel. Doch der Händler Hermann Heinrich Honsel, der das Anwesen erwarb, war wohl der Urgroßvater von Wilfried Maßmann und sorgte dafür, dass zu dem Laden noch eine Wirtschaft hinzukam. Am 22. Oktober 1858 beantragte Hermann Honsel die Konzession für eine Wein-, Bier- und Kaffeewirtschaft. "Branntwein durfte mit dieser Konzession nicht ausgeschenkt werden", erläutert Ulrich Maaß. Etwa 20 Jahre später ist auch die Bäckerei an dieser Stelle aktenkundig. "Am 13. März 1877 wird die Bäckerei erstmals erwähnt", sagt Maaß, gemeinsam mit einer "Gast- und Schenkwirtschaft", in der nun auch Hochprozentigeres ausgeschenkt werden durfte. Und im Jahr 1885 heiratet dann Honsels Tochter Catharina Caroline standesgemäß einen Bäcker namens Johann Friedrich Maßmann. Trauriges Ende im 150. Jahr als Wirtschaft In verschiedenen Zeitungsannoncen und Aushängen taucht Friedrich Maßmann dann zwischen 1901 und 1918 immer wieder in den Archiven als Schankwirt auf, bis dann Sohn und sein Enkel, Fritz und Wilfried Maßmann, im kollektiven Gedächtnis der heutigen Hägeraner ihren Platz einnehmen. Nach dem Tod von Wilfried Maßmann 2004 führt seine Witwe Hanna die Wirtschaft noch einige Zeit weiter, bis auch sie aus Krankheitsgründen aufgeben muss. 2010 verstirbt sie im Alter von 79 Jahren. Zwei Jahre zuvor hat sie das Gebäude, samt des begehrten Grundstücks an die Stadt verkauft, die daraus 2015 eine Flüchtlingsunterkunft macht. Die wird 2021 nach einem Zimmerbrand aufgegeben und zwei Jahre später dann vom Stadtrat der Abriss des Gebäudes zugunsten eines Parkplatzes für den SV Häger beschlossen. Wie alt tatsächlich das Gebäude ist, und ob es noch Teile aus den ersten Jahrhunderten unter dem grauen Putz gibt, das vermag auch Hobbyhistoriker und Architekt Ulrich Maaß nicht zu sagen. Entsprechende Dokumente dazu hat er bislang nicht gefunden. "wahrscheinlich werden wir das erst sehen, wenn der Abrissbagger die ersten Wände eingerissen hat", sagt er.

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