Nach Abriss: Bäckerei-Ära in Versmold ist nun endgültig Geschichte

Versmold. Das vertraute Gesicht der Stadt befindet sich im Wandel. Abriss und Neubau schaffen völlig andere Ein- und Ausblicke. Gerade erst wurde das frühere Altstadthotel dem Erdboden gleichgemacht und in diesem Zuge fiel vor wenigen Tagen in der Nachbarschaft die einstige Backstube der alteingesessenen Familie Hawerkamp der Abrissbirne zum Opfer. Das Geschwisterpaar Karl und Hans Hawerkamp erinnert sich im Zusammenhang mit der Backstube und dem einst dazugehörenden Lebensmittelladen an viele Anekdoten. Für das &bdquo;Haller Kreisblatt“ tauchen die Brüder zusammen mit Inge Hawerkamp, Karls Ehefrau, in die Familiengeschichte an der Traditionsadresse ein. So gut wie jeder ältere Stadtbewohner erinnert sich an den Lebensmittelladen Hawerkamp im heute denkmalgeschützten Fachwerkhaus an der Münsterstraße mitten in der Versmolder Innenstadt. &bdquo;Es ist mit über 400 Jahre das älteste, in Versmold noch erhaltene Bürgerhaus“, schaut Karl Hawerkamp auf die Geschichte des 1602 errichteten Gebäudes. Bekannt ist das Anwesen auch als Haus Oldermann. Der war von 1681 bis 1697 als Pfarrer in Versmold. Er vererbte das Haus an den Kaufmann J. A Oldermann. 1890 kaufte Familie Hawerkamp das schmucke Haus. In dem historischen Altbau waren ein Lebensmittelladen, die Bäckerei und ein Wohnbereich untergebracht. &bdquo;Aus der Geschichte vor dem Hauskauf ist kaum etwas bekannt. Sicher ist, ich bin 1945 in dem Haus geboren worden“, sagt der gelernte Konditormeister Karl Hawerkamp dessen Vater, der Bäckermeister Karl Hawerkamp, bereits 1952 mit nur 49 Jahren starb. Seine jüngeren Brüder, das Zwillingspaar Hans und der inzwischen verstorbene Klaus, stiegen nach der Ausbildung zum Kaufmann ebenfalls in den elterlichen Betrieb ein. &bdquo;Wir hatten früher fünf Bäcker, Auszubildende und Praktikanten“, beschreibt Karl Hawerkamp glorreiche Zeiten. Ein Brötchen kostete damals sechs Pfennig Damals stellten die Bauern ihre Pferde und Kutschen bei Hawerkamps unter und gingen dann zur gegenüberliegenden Petri-Kirche. &bdquo;Anschließend kauften sie bei uns ein“, erinnern sich die Brüder an ihre Kindheit. 1952 wurde der Laden vergrößert und modernisiert. &bdquo;Es gab nur drei Brötchensorten. Eins kostete sechs Pfennig. 1.500 Brötchen gingen täglich über den Ladentisch. Brotsorten gab es nur drei und für Sonn- und Feiertage backten wir Rosinenbrot“, entsinnt sich der 79-Jährige. Aus Platznot entstand 1967 die inzwischen abgerissene Backstube als alleinstehendes Gebäude hinter dem Haupthaus auf dem insgesamt 3.000 Quadratmeter großen Anwesen. &bdquo;Samstags gegen 10 Uhr kamen Nachbarn und ließen in der Backstube ihren Kuchen abbacken. Einige Kuchen wurden schwarz, weil der Zuckergehalt zu groß war und nicht zu unserer Backofenhitze passte“, erinnert sich der Konditormeister. Die Brüder besinnen sich, dass sich unter der Bäckerei ein Keller befand. Darin gab es in den 1970ern legendäre, feuchtfröhliche Feiern mit Fußballern, Handballern und vielen anderen. Nach unüberwindbaren Differenzen in der Familie wurde 1982 die Bäckerei aufgegeben. &bdquo;Die ganze Produktion wurde niedergelegt und der Laden geschlossen“, beschreibt Karl Hawerkamp das Ende einer Familien-Ära. Mit rund 50 Jahren heiratete der ehemalige Kommandeur des Versmolder Schützenvereins seine Inge, die sich heute auch um den Schwager kümmert. Karl Hawerkamp arbeitete bis zum Rentenalter ebenso wie seine Brüder als kaufmännischer Angestellter. Das unverheiratete Zwillingspaar lebte bis zum Tod von Klaus Hawerkamp gemeinsam mit der Mutter im historischen Wohnhaus. Die letzten Lebensjahre verbrachte die Seniorin im Altenheim Katharina-von-Bora-Haus. Sie starb im stolzen Alter von 103 Jahren. Bekanntes Versmolder Haus hatte namhaften Mieter Von 1983 bis 2010 war die untere Etage des Fachwerkhauses Ladenlokal für den Drogeriemarkt Schlecker. Danach standen die Räumlichkeiten vier Jahre leer, bis die Galerie et die bekannte Adresse mit Leben füllte. &bdquo;Das war ein Glücksfall“, freut sich der heutige Hausbesitzer Hans Hawerkamp über seine Mieter und ihre Aktivitäten. Das Bäckerei-Gebäude dahinter blieb nach der Schließung 40 Jahre ungenutzt. &bdquo;2008 haben wir einen Teil des hinteren Anbaus an Kurt Nagel verkauft. Die wertvollsten Maschinen wurden ebenfalls schon veräußert“, sagt Hans Hawerkamp und schaut dabei vom Balkon aus auf den Abrissbagger, der gerade den zum Backofen gehörenden alten Öltank zusammen mit Gesteinsbrocken auf den Lastwagen wuchtet. &bdquo;Vor drei Jahren hat Tobias Nagel den Rest gekauft“, berichtet Hans Hawerkamp, der im Anbau hinter dem Fachwerkhaus zu Hause ist. Er vermutet, dass auf der Fläche nach dem Abriss der Backstube Parkplätze entstehen, nachdem der Tiefgaragenbau für die geplante Neubebauung auf dem Gelände des einstigen Altstadthotels verworfen wurde. Die einstige Backstube ist seit ein paar Tagen nun endgültig Geschichte. Eine Frage beschäftigt die Brüder aber: Was ist aus dem Keller unter der Backstube geworden?

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