Kommentar zum Wurstmarkt-Wandel: "Es geht ums Überleben"

Die beiden Privatfleischereien Reinert (Versmold) und Kemper (Nortrup) wollen fusionieren und streben damit einen Spitzenplatz auf dem deutschen Wurstmarkt an. Das hat Konsequenzen.

Vor der Großfusion: Die Privat-Fleischerei Reinert aus Versmold will mit Kemper (Nortrup) zu einem der Branchenriesen avancieren. Natürlich haben diese Pläne Konsequenzen. | © Tasja Klusmeyer

Marc Uthmann
05.10.2019 | 05.10.2019, 10:00

Versmold. Die geplante Großfusion der beiden privaten Fleischwarenhersteller Reinert aus Versmold und Kemper aus Nortrup nimmt HK-Redakteur Marc Uthmann zum Anlass, Gründe und Aussichten einzuordnen:

"Als die Zur-Mühlen-Gruppe im Jahr 2015 Nölke schluckte, da kam der große Wandel in der Wurstbranche erstmals auch in Versmold spürbar an. Mittlerweile ist längst klar, dass die Krise den stolzen Standort »Fleischstadt« nachhaltig verändern wird.

Die Entscheider der großen Familienunternehmen haben diese Entwicklungen richtig prognostiziert. Der Druck im Markt wird immer höher, nicht alle Betriebe haben das überlebt oder werden das meistern. Denn während die Verarbeiter ihren Rohstoff nur von wenigen, mächtigen Schlachtunternehmen wie Tönnies oder Westfleisch beziehen, verkaufen sie an große und knallhart kalkulierende Handelsriesen wie Lidl, Edeka, Rewe, Aldi oder Metro.

Zwischen diesen mächtigen Verhandlungspartnern werden die Fleischwarenhersteller nahezu ausgepresst – zumal ihre eigene Marktstufe eher zersplittert und von vielen mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Doch die Konzentration hat längst begonnen, Übernahmen und Pleiten bestimmen die Nachrichtenlage. Die Tönnies-Tochter Zur-Mühlen hat sich durch ihre Einkaufstour mittlerweile nicht nur zur Nummer eins im Markt, sondern auch zu strategischer Größe aufgeschwungen.

Gleiches streben nun auch Reinert und Kemper mit ihrer angekündigten Fusion an. Ab einer gewissen Größe lässt sich mit den Partnern auf beiden Seiten nun einmal besser verhandeln. Gleichwohl dürfte auch hoher Druck hinter dem geplanten Zusammenschluss stehen: Denn der enorme Anstieg des Schweinepreises allein um 40 Prozent seit dem Frühjahr wirkt sich für die Hersteller existenzbedrohend aus.

Reinert scheut sich nicht vor Veränderungen

Vor allem für Reinert verschärft der nahende Brexit die Krise noch einmal: Die Loxtener haben sich die Insel als wichtigen Exportmarkt erschlossen, von dem ein wesentlicher Teil des Unternehmenserfolges abhängt – gerade weil der deutsche Wurstmarkt schrumpft.

Hans-Ewald Reinert zögert nachweislich nicht, wenn es nötig ist, sein Unternehmen zu verändern: Er hat in die Veggie-Produktion investiert und sich nicht gescheut, das Experiment schnell zu beenden, als es nicht lief. Der Unternehmer setzte mit Fleischprodukten aus antibiotikafreier Aufzucht schnell einen anderen Akzent – weil er weiß, dass er sein Stück vom schrumpfenden Kuchen vergrößern muss, wenn er Reinert in die nächste Generation führen will.

Marc Uthmann - © Nicole Donath, HK
Marc Uthmann (© Nicole Donath, HK)

Die neue Unternehmensgruppe »The Family Butchers« (TFB, 700 Millionen Euro Jahresumsatz) soll sich nun nicht nur im Preiskampf besser behaupten, sondern vor allem Kosten sparen. Diese Fusion muss und wird Arbeitsplätze reduzieren. Die neue Plattform sei derweil offen für weitere Betriebe, heißt es aus Loxten – der Wachstumskurs auf den Spuren von Zur-Mühlen könnte also weitergehen.

Wiltmann setzt auf Bio und Salami

Die Strategie bei Wiltmann sieht anders aus: Mit einem Jahresumsatz von 160 Millionen Euro 2018 sind die Peckeloher kein großer Spieler, aber sie setzen auf einen klaren Kurs: keine Veggie-Produkte, dafür ein wachsendes Bio-Sortiment und viele Spezialitäten, zudem beanspruchen sie die Marktführerschaft bei Salami für sich. Ob diese Nische groß genug ist, um 800 Mitarbeiter zu ernähren, zeigt die Zukunft."