Krise in der Wurst-Branche: Versmolder Unternehmen lässt sich nicht beirren

Versmold. Die Nachricht, dass die Premium Food Group (ehemals Tönnies)mehrheitlich das Unternehmen &bdquo;The Family Butchers“ übernehmen möchte, sorgteMitte Juni für Wirbel in der Wurst-Branche allgemein – und im Besonderen in Versmold.TFB als zweitgrößter deutscher Wurstwarenhersteller steckt tief in der Krise, tiefer alszunächst angenommen. Hans-Ewald Reinert zieht sich aus der von seiner Familiegegründeten Fleischwarenfabrik zurück. Wiltmann bald mit Sonderrolle in Versmold Vorausgesetzt das Bundeskartellamt gibt grünes Licht, ist TFB damit das zweiteVersmolder Fleischwarenunternehmen, das vom Marktführer geschluckt wird. Vor gutzehn Jahren kaufte die Zur-Mühlen-Gruppe (in Tönnies-Hand) bereits Nölke, heute HNProduktion, und damit die bekannte Marke Gutfried. Die Peckeloher Franz Wiltmann GmbH & Co. KG wäre künftig einziges noch familiengeführtes großes Fleischwarenunternehmen in Versmold. Das &bdquo;Haller Kreisblatt“ hat sich mit Dr. Ingmar Ingold, der zusammen mit André Behrmann die Geschäfte an der W.-Kleine-Straße führt, zum Gespräch verabredet. Was macht Wiltmann womöglich anders als andere? Wo sieht der Chef Chancen, wo Probleme? Wie will man im Wettbewerb mit den immer größer werdenden Konzernen bestehen? Wiltmann setzt weiterhin allein auf Wurst Einst drei traditionsreiche Fleischwarenfabriken in Familienhand, bald nur noch eine. &bdquo;Stockmeyer zähle ich auch noch dazu“, sagt Ingmar Ingold und verweist auf die Wurzeln in Versmold, wenngleich schon lange in Füchtorf produziert wird. Auch um Stockmeyer herum hat sich mit der Heristo AG eine Unternehmensgruppe gebildet, die geführt vom Versmolder Oliver Risken längst andere Märkte bedient. Feinkost, Fertiggerichte und Tierfutter zum Beispiel. Wiltmann hingegen setzt weiter auf Wurst, ausschließlich auf Wurst. &bdquo;Wir wollen unseren klaren Fokus bewahren“, bekräftigt Ingmar Ingold. Wiltmanns Strategie im Wettbewerb Über den Wettbewerber direkt zu sprechen, sei eigentlich nicht seine Sache. Auch möchte er die Übernahmepläne nicht bewerten. &bdquo;Ich bin kein Kartellrechtsexperte. Die spannende Frage wird sein, wie das Kartellamt den Markt definiert und unterteilt“, sagt Ingold. Mit Blick auf die Krise in der Wurst-Branche und die allgemeinen Rahmenbedingungen sagt der 40-Jährige: &bdquo;Das Beispiel TFB zeigt, dass Größe allein nicht ausreicht, um im Wettbewerb zu bestehen.“ Krise in Versmold: Reaktionen auf TFB-Übernahme durch Premium Food Group Es gebe zwei generelle Strategien: Kostenführerschaft, also günstiger als der Wettbewerber zu sein, sich einen Größenvorteil zu verschaffen, oder Differenzierung. &bdquo;Das ist unser Weg“, sagt der Wiltmann-Geschäftsführer und nennt drei wesentliche Punkte des Differenzierungskurses: die Produkte, eine Marke mit &bdquo;klarem Profil“ und Vertriebsleistungen. Salami-Spezialist in Versmold seit fast 140 Jahren Seit 1887 fertigt Wiltmann Wurst- und Schinkenspezialitäten. Bekannt wurde das Familienunternehmen vor allem durch naturgereifte, luftgetrocknete und geräucherte Dauerwurst. &bdquo;Wir verstehen uns als Salami-Spezialisten und haben den Anspruch, die beste Salami Deutschlands zu machen“, erklärt Ingmar Ingold. &bdquo;Ob wir das einlösen, sollen andere bewerten.“ Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Wiltmann (@wiltmann.de) In Deutschland wird weiterhin viel Fleisch und Wurst gegessen Einen Trend weg von Fleisch und Wurst sieht der Unternehmer nicht. &bdquo;Wurst ist ein fester Bestandteil der deutschen Ernährungskultur. In 97 Prozent aller Haushalte wird Wurst gekauft – davon träumen andere Warengruppen.“ Was sich wandelt, seien Ernährungsgewohnheiten. &bdquo;Der Trend geht zum überlegteren und bewussteren Konsum“, sagt der Geschäftsführer. Den genussorientierten Verbraucher möchte Wiltmann mit seinen Produkten bedienen. Versmolder Unternehmen produziert mehr Bioprodukte &bdquo;Bioprodukte spielen dabei eine immer größere Rolle.“ Inzwischen erwirtschaftet das Peckeloher Unternehmen mehr als 20 Prozent seines Umsatzes in diesem Segment. Gestecktes Ziel ist es, bis 2030 den Anteil auf 30 Prozent zu erhöhen. &bdquo;Bio ist die konsequente Weiterentwicklung unseres Qualitätsgedankens.“ Wachstumspotenzial sieht Ingmar Ingold auch im Bereich Snackprodukte, hier möchte man sich durch Produkt-Vielfalt weiter differenzieren. Mehr zum Thema: Warum Wiltmann und TFB aus Versmold nicht bei der Messe Anuga dabei sind Darum keine Veggie-Produkte aus dem Hause Wiltmann Bewusst ist man bei Wiltmann nicht auf den Veggie-Zug aufgesprungen. Was auch mit der Spezialisierung auf Salami zu tun hat. &bdquo;Gute Salami lebt vom Reifearoma, das lässt sich nicht über Gewürze imitieren“, erklärt Ingold. Der Anspruch des Unternehmens sei es, über die gesamte Produktpalette eine vergleichbare Qualität zu garantieren. Dazu gehört, möglichst wenige Zusatzstoffe zu verarbeiten. Gerade im Veggie-Segment seien diese aber erforderlich. Allgemein sei der Veggie-Markt ein kleiner, der Hype um Wurstersatzprodukte lasse nach. &bdquo;Die Frage ist auch: Was verträgt eine Marke? Wir können nicht alles gleichzeitig machen“, sagt der Geschäftsführer und möchte der Wiltmann-Linie lieber treu bleiben. Direkter Draht zu Supermärkten soll helfen Marken-Profil auf der einen, Qualitätsversprechen auf der anderen Seite. Nummer drei der Differenzierungsstrategie ist die Vertriebsleistung. &bdquo;Wir haben nach wie vor einen Außendienst, der deutschlandweit tätig ist“, sagt Ingmar Ingold. Die Pflege der Kundenbeziehungen hält der Wiltmann-Geschäftsführer gerade in der Partnerschaft mit inhabergeführten Supermärkten für wichtig – und für einen Erfolgsfaktor. Herausforderungen für Wurstproduzenten Wiltmann befindet sich als Wurstproduzent in einer Sandwich-Position: zwischen Schlachtung und Zerlegung in der vorgelagerten Stufe sowie dem Lebensmitteleinzelhandel mit seinen vier großen Playern im nachgelagerten Bereich. Beide Seiten wiederum drängen in den Fleischwarenmarkt, in dem sie eigene Wurstwerke haben. Eine besondere Situation, in der es sich zu behaupten gilt. &bdquo;Wir müssen uns nichts vormachen. Auf diesem Markt wird einem nichts geschenkt“, sagt Ingmar Ingold. Engpässe beim Rohstoff Fleisch Rohstoff-Verfügbarkeit und steigende Preise sind immer wieder Thema – für Wiltmann kein komplett neues Phänomen. In dem Ausmaß aber bisher nicht üblich, wie der Chef sagt. &bdquo;Wir kennen das aus dem Biobereich, erst recht, wenn es um Fleisch aus Fachverbänden geht.“ Im konventionellen Bereich sei die Verknappung, wie man es in diesem Jahr erlebe, eine neue Herausforderung. Neue Haltungsformen und Tierkrankheiten &bdquo;Dafür gibt es nicht nur die eine Ursache“, sagt der Wiltmann-Geschäftsführer. Verschiedene Tierkrankheiten spielten eine Rolle, genauso wie der sinkende Selbstversorgungsgrad mit Fleisch in Deutschland und die Umstellung auf höhere Haltungsformen. Wenngleich er die höheren Tierwohlstandards ausdrücklich begrüße, die Umsetzung habe Auswirkungen. &bdquo;Wenn die Besatzungsdichte im Stall sinkt, dann bricht ein gewisser Markt weg.“ Insbesondere bei Geflügel sei das zurzeit spürbar. Lesen Sie auch: Made in Bockhorst: Versmolder Unternehmen zwischen Trends und Tradition Preise bereiten Wurstherstellern Probleme Verfügbarkeitsprobleme und Kostensteigerungen machen Produzenten zu schaffen. &bdquo;Fleisch ist die hauptwertgebende Zutat für uns – und deshalb sind Preiserhöhungen unabdingbar. Anders können wir das nicht auffangen“, sagt Ingmar Ingold. Mehrkosten mussten an den Handel und damit an den Verbraucher weitergegeben werden. An der Stelle kommt Wiltmanns Marken-Philosophie zum Tragen: &bdquo;Wir müssen Produkte auf den Markt bringen, für die der Verbraucher bereit ist, höhere Preise zu zahlen.“ Insgesamt rechnet der 40-Jährige auch in Zukunft mit weniger Beständigkeit: &bdquo;Wir müssen uns auf volatilere Zeiten einstellen.“ Fokus liegt auf dem deutschen Markt Wiltmanns Fokus liegt klar auf dem nationalen Markt, der Exportanteil ist mit zehn Prozent gering. Die gut 850 Mitarbeitenden in Peckeloh verarbeiten täglich 160 Tonnen Fleisch und erwirtschaften einen Jahresumsatz von mehr als 200 Millionen Euro. &bdquo;Wir definieren uns wenig über diese Zahl“, sagt Ingmar Ingold. &bdquo;Letztlich müssen wir rentabel arbeiten.“ Gelingt das? Es habe durchaus herausfordernde und wechselvolle Jahre gegeben, räumt Ingold ein. Steigende Personalkosten, höhere Energiepreise, Inflation. Das Wort Krise indes hört man im gesamten Gespräch an keinem Punkt. Neues aus der Wirtschaft: Versmolder Unternehmer macht ordentlich Tempo beim Neubau Jährliche Investitionen in Millionen-Höhe Wiltmanns Weg: Investitionen, die die Effizienz steigern. Beispielsweise in Automatisierung, dort wo es Sinn ergebe und es sozialverträglich umsetzbar sei. 2018 hat Wiltmann seinen jüngsten Anbau in Betrieb genommen. Weiteres räumliches Wachstum hat es in den vergangenen Jahren an der W.-Kleine-Straße nicht gegeben. Investiert wurde nach Angaben des Geschäftsführers kontinuierlich in die Modernisierung des Maschinenparks, neue Technik und bessere Arbeitsabläufe. Jährlich fließt ein zweistelliger Millionenbetrag in den Standort, den nach wie vor einzigen des Unternehmens. Ein Beispiel hierfür ist die neue Sprinkleranlage, die im vergangenen Jahr für mehr als fünf Millionen Euro installiert wurde und die maßgeblich zur Standortsicherheit beiträgt. Wiltmann optimiert seine Arbeitsabläufe Ende 2022 hat das Unternehmen das Effizienzprogramm &bdquo;Wiltmann immer besser“ aufgelegt. Im Kern geht es darum, &bdquo;alle Formen von Verschwendung zu vermeiden“, erklärt der Geschäftsführer. Das funktioniere nicht von heute auf morgen, sondern sei ein länger angelegter Prozess. Oder auch so formuliert: &bdquo;Ein Umdenken, das uns für die Zukunft fit macht.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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