Dornröschen-Turm über Steinhagen bietet beste Aussicht der gesamten Region

Bielefeld-Quelle/Steinhagen. Susanne Brinkmanns Funkturm wirkt aus der Zeit gefallen. Der kleine Bruder des Fernmeldeturms Hünenburg oberhalb von Steinhagen und Quelle liegt seit Jahrzehnten im Dornröschenschlaf. Wer ihn alle paar Jahre besucht, wird schwerlich eine Veränderung feststellen können. Bereits seit 18 Jahren verkauft die Bielefelderin im alten Fernmeldeturm Kaffee, heißen Kakao, Schlickereien und Eis. Selbst ältere Ansichtskarten der Türme gibt es. Neben dem Eingang hängt noch immer die handbeschriftete geografische Karte des Landesmuseums für Vor- und Frühgeschichte, das schon seit 1980 &bdquo;Westfälisches Museum für Archäologie“ heißt. An der Tapete über den alten Holzbänken und der Wandvertäfelung findet sich eine gemalte Ansicht vom historischen Drei-Kaiser-Turm, der einst wenige Meter weiter stand. Mindestens ebenso unveränderlich wie die Kioskstube: die Treue ihrer Betreiber. Seit Anfang des Jahrtausends kümmert sich Susanne Brinkmann um die Gäste, zuvor stand ihre Mutter Heidemarie Urth hinter dem kleinen Verkaufsfenster. Die hatte das Amt von ihrem Vater übernommen, dem ursprünglichen &bdquo;Türmer“ Helmut Wiebracht. Portraits von beiden hängen noch heute gegenüber von Snickers, Eiskarte und kleinen Andenken. Der Kiosk hat eine lange Familientradition Der größte Reiz der kleinen Verkaufsstelle liegt sowieso nicht darin, besonders schick, aktuell oder gut sortiert zu sein. Susanne Brinkmann kann mit etwas punkten, bei dem ihr kein Sterne-Restaurant der Umgebung das Wasser reichen kann: mit der besten Aussicht der ganzen Region. Von 340 Metern über Meereshöhe haben die Gäste von der Turmspitze den wohl schönsten Blick über Steinhagen und die Region, der sich vorstellen lässt. Bei bestem Wetter – und guten Augen – lassen sich die Zementwerke in Beckum erkennen und angeblich sogar der Fernsehturm in Münster erahnen. Keine andere Aussichtsplattform in Bielefeld und dem Kreis Gütersloh kann da konkurrieren. Zum Vergleich: Der beliebte Luisenturm in Borgholzhausen mit seiner ebenfalls zeitlosen Gastronomie schafft es nur auf 311 Meter, Besteiger des Bergfrieds der Burg Ravensberg stehen auf 289 Metern Höhe, die Bielefelder Sparrenburg erreicht – mit Turm – nur 212 Meter. Dass sich auf ihrem Fernmeldeturm nichts verändert ist Susanne Brinkmann eigentlich ganz recht. Sie mag es so, wie es ist. Im Großen und Ganzen zumindest. &bdquo;Ich war ja schon als Kind mit meinem Opa hier oben“, erinnert sich die 61-Jährige. Später besuchte sie dann die Mutter auf dem Berg, heute hält sie selbst die Stellung. Oft alleine. Die große Anlage der Deutschen Post nebenan ist verwaist. Der große Funkturm strahlt ferngelenkt vor allem Radioprogramm wie NRW1 und digitales Fernsehen aus. Kaffeewasser im Sechserpack Fast jedes Wochenende sitzt Susanne Brinkmann in ihrem Turm. Das Wasser für den Kaffee trägt sie in Sechserpacks auf den Berg, seit die Leitung irgendwo am Hang gebrochen ist. Ab und zu unterstützt sie ein Freund. Warum sie das tut? Die Familientradition spielt sicher eine Rolle. &bdquo;Außerdem unterhalte ich mich ganz gern“, sagt die Bielefelderin. &bdquo;Man muss das wie ein Hobby sehen.“ Geld verdiene sie beim Kaffee-Verkauf kaum. Auch an den 2,50 Euro, die sie pro Besteigung kassiere, verdiene sie sich keine &bdquo;goldene Nase“, sagt sie. &bdquo;Mit dem Reichwerden wird das hier nix.“ Das sei aber auch in Ordnung so. &bdquo;Hier kommen ja überwiegend sehr, sehr nette Leute vorbei“, weiß Brinkmann aus vielen Jahrzehnten Erfahrung. Wer bei ihr einen Kaffee trinken will, muss einigermaßen zu Fuß sein. Die Zufahrt auf den Berg von Quelle aus ist nur Technikern und der Kioskbetreiberin gestattet. Für alle anderen heißt es: laufen. Spätestens auf der Plattform sind alle begeistert Vom Tierpark Olderdissen führt eine entspannte Zwei-Kilometer-Wanderung zu den Türmen, der Parkplatz von Peter aufm Berge liegt noch etwas näher. &bdquo;Es kommen auch immer wieder Leute, die das gar nicht kennen, obwohl sie in Quelle wohnen“, lacht Susanne Brinkmann. &bdquo;Wenn die dann reinkommen, sind sie begeistert. Spätestens, wenn sie auf der Plattform stehen.“ Jeden Sonntag öffnet der Dornröschen-Turm von 12 bis 17 Uhr seine Stahltür. Vorausgesetzt das Wetter taugt zum Wandern. Im Winter schließt Susanne Brinkmann etwas früher. Eingeweihte erkennen den geöffneten Kiosk an zwei Hinweisen: An der Zufahrt oberhalb von Quelle steht ein kleines Holzhäuschen, dort stellt die &bdquo;Türmerin“, wenn sie ankommt, ein Hinweisschild auf. Außerdem gibt es seit einiger Zeit einen selbst gebauten Fahnenmast, an dem sie die Flagge hisst. Eine Veränderung könnte sie sich nach all den Jahren allerdings schon noch vorstellen. &bdquo;Das noch mal jemand die Brücke verschönert wäre nett. Vielleicht mit einem hellen Landschaftsbild. Die ist wirklich nicht gerade hübsch.“ Auch wenn oft nur wenige Wanderer den Weg zu ihrem versteckten Kiosk im weit sichtbaren Turm finden, denkt die Betreiberin ganz sicher nicht ans Aufhören. &bdquo;Wenn der Turm nicht zusammenfällt, bin ich hier. Und danach sieht es nicht aus.“

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