Wo Lehrer im Sommer-Urlaub Mähdrescher fahren: Spezial-Unternehmen aus Werther

Werther-Rotingdorf. Dietrich Schwanhold sitzt hoch oben auf seinem Traktor und schaut über die Rückenlehne nach unten. Dort kniet Marcel Herklotz, gibt ab und zu ein Kommando nach oben, damit Dietrich Schwanhold weiß, wann er den Motor starten oder einen Mechanismus auf dem Traktor auslösen soll. Landwirt Schwanhold war gerade auf dem Feld, als der Drehmechanismus seines Pflugs den Dienst verweigerte. Also fuhr er schnurstracks in die Werkstatt, wo sich Landmaschinenmechaniker Marcel Herklotz sofort um das Problem kümmert. Langfristige Termine machen, das Fahrzeug abgeben und am nächsten Tag wieder abholen - das ist bei Landwirten nicht drin. Die Maschinen müssen laufen, genau dann, wenn sie gebraucht werden. Denn oft muss ein kurzes Wetterfenster ausgenutzt werden. Da kann die Arbeit nicht warten. Während der Mechaniker noch draußen vor der Werkstatthalle am Hydraulikzylinder des Pfluges arbeitet, fährt der nächste Landwirt auf den Hof. &bdquo;Kannst du dir das mal angucken?“, sagt Hannes Dicke-Wentrup und springt vom Traktor. Man duzt sich, man kennt sich. Während Marcel Herklotz noch am Pflug arbeitet, nutzen die beiden Landwirte die Zeit für ein Schwätzchen, packen zwischendurch kurz mit an, wenn der Mechaniker Hilfe braucht. Vom Schreibtisch in die Landmaschinenwerkstatt &bdquo;Das ist hier mit einer Autowerkstatt überhaupt nicht zu vergleichen“, sagt Markus Temming. Der 39-Jährige ist der Chef des Unternehmens Temming Landtechnik. Eigentlich hat er mal Groß- und Außenhandelskaufmann bei Edeka gelernt. Doch seine Abteilung zog um nach Hamburg, und er wollte das weiterführen, was sein Vater aufgebaut hat. Vor fünf Jahren hat er den Betrieb von seinem Vater übernommen. Und musste einige Jahre darauf eine schwere Entscheidung treffen: die Schließung des Lohnbetriebs, einem der zwei Zweige von Temming Landtechnik. Lesen Sie auch: Erfolgsgeschichte in Versmold: Bekannter Entsorger feiert großes Jubiläum Denn angefangen hatte Klaus Temming 1988 mit einem Lohnunternehmen. Es übernimmt für andere landwirtschaftliche Betriebe Ernte, Aussaat oder Düngung der Felder, da die Anschaffung der teuren Mähdrescher, Güllefässer oder anderer Maschinen für einen einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb nicht lohnt. Nach 500 Jahren Landwirtschaft kamen die Maschinen &bdquo;Unsere Hofstelle hier in Rotingdorf hat es schon 1648 gegeben“, sagt Markus Temming. Fast 400 Jahre wurde dort Landwirtschaft betrieben. Auch Klaus Temming hielt viele Jahre noch Schweine und Bullen. &bdquo;Mein Vater hatte damals einen Mähdrescher und hat den Lohnbetrieb nebenbei gemacht.“ 1990 entschied er sich, die Viehhaltung aufzugeben, und setzte voll auf den Lohnbetrieb. &bdquo;Wir hatten unter anderem bis zu sechs Mähdrescher, fünf bis sechs Schlepper und ein Güllefass“, sagt Markus Temming. Als Ende der 1990er-Jahre das alteingesessene Unternehmen Tiede Landtechnik in Werther schloss, eröffnete Klaus Temming selbst eine Werkstatt für Bagger, Land- und Baumaschinen. Vier Angestellte in der Werkstatt und zwei im Lohnbetrieb unterstützten ihn. Doch in der Erntezeit, wenn die Mähdrescher in jeder möglichen Minute - samstags, sonntags, bis spät abends - auf den Feldern im Einsatz sind, reichte das nicht aus. &bdquo;Als Lohnbetrieb arbeitet man immer mit Aushilfen, die diese Spitzenzeiten abdecken“, erklärt Markus Temming. Lehrer nutzten Urlaub zum Mähdrescherfahren Doch nun kann nicht jeder einfach mal so einen mehrere 100.000 Euro teuren Mähdrescher fahren und gleichzeitig die Arbeit so erledigen, dass die Landwirte zufrieden sind. &bdquo;Wir hatten jahrelang ein festes Team für diesen Job, in Hochzeiten 20 Leute. Darunter waren Lehrer und Ingenieure, die bei Claas Landmaschinen entwickelten und sich im Sommer extra Urlaub nahmen, um hier bei uns die Mähdrescher zu fahren“, erzählt Markus Temming. Diese Passion kann Markus Temming bestens nachvollziehen. Er hat selbst, seitdem er 16 ist, im Sommer auf dem Mähdrescher gesessen. &bdquo;Es gibt so eine Feldromantik“, erklärt er die Leidenschaft. &bdquo;Wenn die Sonne untergeht, das Feld abgeerntet ist und der Kunde zufrieden - das ist schon ein tolles Gefühl.“ Hinzu kam der Teamgeist. &bdquo;Wir haben jeden Morgen zusammen gefrühstückt und abends bei meinen Eltern auf der Terrasse gemeinsam gegessen.“ Mehr dazu: Extreme Trockenheit: Versmolder Landwirte sind zum Handeln gezwungen Doch irgendwann wurde das Team kleiner. &bdquo;Zeit ist natürlich ein großes Problem. Andere haben Familie, um die sie sich kümmern müssen. Und Nachwuchs zu finden, der Qualität bietet und gleichzeitig Hektar schafft, ist schwer“, sagt Temming. Hinzu kam, dass durch den Klimawandel die Erntefenster immer kleiner wurden. &bdquo;Und wenn sich dann einer zehn Tage Urlaub genommen hat, von denen es sieben Tage regnet, ist das natürlich ungünstig.“ Ein Abschied, der zuerst weh tat Dann kamen Corona und der Ukrainekrieg, der die Stahlpreise in die Höhe trieb und damit die Kosten für die Maschinen. Aber auch anderes, wie zum Beispiel die Ballenfolie, wurde teurer. &bdquo;Die Marge wurde immer kleiner“, sagt Markus Temming. 2023 traf er dann die schwere Entscheidung, den Lohnbetrieb aufzugeben. &bdquo;Natürlich hat das wehgetan, weil man nicht die Generation sein möchte, die so einen Zweig beendet“, sagt er. Die Maschinen wurden verkauft. Vor wenigen Monaten wurde auch die große Halle an einen landwirtschaftlichen Betrieb aus der Nachbarschaft vermietet. Ebenso die eigenen landwirtschaftlichen Flächen, die bis dahin noch selbst bewirtschaftet worden waren. Markus Temming kann inzwischen aber auch die Vorteile sehen. &bdquo;Es war der richtige Schritt, und mit der Werkstatt sind wir vollkommen ausgelastet“, sagt er. Und für ihn selber sind mit dem Abschied vom Lohnbetrieb der Stress und die langen Tage weniger geworden. &bdquo;Die Lebensqualität ist besser geworden“, sagt er und lächelt. &bdquo;Ich habe dieses und letztes Jahr zum ersten Mal in meinem Leben im Sommer Urlaub gemacht.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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