Versmolder Stadtwerke-Chef baut sein Unternehmen um und spricht Warnung aus

Versmold. Als Jörg Kogelheide mit dem Laptop unter dem Arm in das Besprechungszimmer kommt, wirkt er tatendurstig wie immer. Gleich wird er die neuen Strukturen der Stadtwerke Versmold auf den Bildschirm werfen und voller Hingabe erklären, was er sich dabei gedacht hat. Doch so entscheidungsfreudig und voller Hingabe der 60-Jährige agiert - mit dem Zustand der Energieversorgung hadert er. Und glaubt auch nicht, dass die Verbraucher von den geplanten Neuerungen für 2025 unbedingt profitieren werden. Ziel der Netzgesellschaft Wie das &bdquo;Haller Kreisblatt“ bereits berichtete, gründen die Stadtwerke Versmold zum 1. Januar 2025 eine neue Netzgesellschaft. Wie sie heißen wird, ist noch nicht klar, was sie tun soll, natürlich schon. &bdquo;Unser Netzbetrieb ist aufgrund der Regulierung und vieler gesetzlicher Vorgaben mittlerweile sehr aufwendig. Die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die Energiebilanzierung sind explodiert“, erklärt Kogelheide. Darum werden die Stadtwerke Versmold ihr Strom- und Gasnetz an die neue Gesellschaft übertragen, die Tochterunternehmen SWV Regional (für Dissen und Bad Rothenfelde) und Stadtwerke Harsewinkel verpachten ihre Netze an das neue Unternehmen. &bdquo;Dann können die Netzaktivitäten dort gebündelt werden - die operativen Gewinne bleiben aber bei den Gesellschaftern.“ In Harsewinkel halten die Stadtwerke Versmold 74,9 Prozent der Anteile am örtlichen Versorger, die SWV Regional sind eine 100-prozentige Tochter. &bdquo;Der Aufbau der Netzgesellschaft wird uns 500.000 bis 600.000 Euro kosten, aber jährlich 350.000 bis 400.000 Euro einsparen, weil Prozesse deutlich einfacher werden“, rechnet Kogelheide vor. Umsetzung ist komplex 35 bis 40 Mitarbeitende wird die Netzgesellschaft haben, die bisher für die Stadtwerke Versmold gearbeitet haben. Da es sich um einen sogenannten &bdquo;gemeinsamen Betrieb“ handelt, wird sich für die Mitarbeitenden nichts ändern. Loslegen wird die Netzgesellschaft - obwohl es sie bald schon gibt - aber erst zum 1. Januar 2026. Der Grund ist aus Sicht von Jörg Kogelheide ärgerlich. &bdquo;Die Softwarebranche ist aktuell völlig überfordert. Und die nötige IT-Infrastruktur wird darum erst Ende des kommenden Jahres zur Verfügung stehen.“ Energieversorger wandelt sich kontinuierlich Dieser Verzögerung zum Trotz - die Stadtwerke arbeiten weiter konsequent an neuen Strukturen. Der heimische Energieversorger mit knapp 80 Mitarbeitenden (Stadtwerke Versmold und Harsewinkel sowie SWV Regional) hat gemeinsam mit den Stadtwerken Georgsmarienhütte und dem Teutoburger Energienetzwerk (TEN) ja bereits die gemeinsame Tochter Edikoo für Abrechnung, Marktkommunikation, Energiedatenmanagement und Messstellenbetrieb gegründet - hier sind noch einmal 70 Mitarbeitende beschäftigt. Nun kommt die Netzgesellschaft hinzu, ebenso wie verschiedene Beteiligungen an Wind- und Solarparks. &bdquo;Als ich 2005 hier anfing, hatten wir einen Jahresumsatz von 20 Millionen Euro - heute sind es knapp 102 Millionen. Das freut mich natürlich, aber wir mussten auch wachsen“, betont Kogelheide. Nur so seien die wachsenden Herausforderungen auf dem Energiemarkt zu meistern. Neue Geschäftsfelder im Blick Was die Netze angeht, sind der Expansion der Stadtwerke natürliche Grenzen gesetzt, also will der Geschäftsführer in anderen Bereichen zulegen. &bdquo;Wir bauen das Dienstleistungsgeschäft beim Wasser aus.“ So sei man mit Kommunen wie Dissen und Borgholzhausen im Gespräch, sie beim Betrieb ihrer Wassernetze zu unterstützen. Energiewende bleibt Reizthema Jörg Kogelheide hält es weiterhin für richtig, die Energiewende aktiv zu gestalten, hadert allerdings mit der aus seiner Sicht in vielen Bereichen &bdquo;realitätsfernen“ Umsetzung. Ab 2025 sind Energieversorger etwa verpflichtet, allen Kunden einen dynamischen Stromtarif anzubieten. &bdquo;Wir müssen dann eine App zur Verfügung stellen, mit der sich die Strompreisentwicklung am Spotmarkt ablesen lässt. Und wenn der Kunde sich für den dynamischen Tarif entscheidet, wird sein Preis auch dort am Markt viertelstündlich bestimmt.“ Doch zum einen sei der Kunde hier &bdquo;voll im Risiko“, zum anderen sei es doch realitätsfern, dass alle Kunden ihre Waschmaschinen und Trockner künftig dann anstellten, wenn der Spotmarktpreis gerade niedrig sei. &bdquo;Und dafür betreiben wir einen riesigen technischen Aufwand, der die Softwarebranche an die Grenzen bringt“, kritisiert Kogelheide. Und sollten alle wirklich dann nachfragen, wenn der Marktpreis niedrig sei, werde das Netz zusätzlich belastet. &bdquo;Dann steigen die Netzentgelte - und das zahlen wieder die Kunden“, so Kogelheide. Versorger sollen Netz dimmen können Ebenfalls schon ab 2025 geplant: Versorger sollen bei Überlastung in der Lage sein, das Netz zu &bdquo;dimmen“, also Geräte in Haushalten runter zu regulieren oder abzuschalten. Kunden, die sich dazu bereit erklärten, könnten über günstigere Tarife profitieren. &bdquo;Aber die Regeln dafür müssen noch genehmigt werden und es fehlen die technischen Schnittstellen zu den Kunden“, so Kogelheide. Sein Fazit: &bdquo;Die Idee ist richtig, aber es gibt wie in so vielen Fällen keinen vernünftigen Zeitplan. Wir haben dann ein System, das nicht funktioniert - und die Kunden zahlen es.“ Stromnetz muss neu gebaut werden Das größte Problem ist für Jörg Kogelheide allerdings der Erhalt und zukunftsfähige Ausbau des Stromnetzes. &bdquo;Es gibt ständig neue Fördertöpfe für PV-Anlagen, und uns fliegt das Stromnetz auseinander.“ Eins stehe fest: &bdquo;Wir werden ein komplett neues Netz bauen müssen. Und dafür braucht es Kapitalgeber.“ Dass Stromtrassen von Nord nach Süd noch zum Teil erdverkabelt würden und die Kosten explodierten, lässt Kogelheide den Kopf schütteln. Neue Ideen für warme Häuser Was die kommunale Wärmeplanung angeht, lobt Jörg Kogelheide den Gesetzgeber ausnahmsweise mal: &bdquo;Da hat er richtig gehandelt und verschiedene Fristen für verschieden große Kommunen angesetzt.“ Dass es nun Fördermittel für die Wärmeplanung gebe, habe aber leider wieder zu einem Wettstreit geführt - und zur Überlastung der Planer. Immerhin, Versmold legt los und will bis 2028 identifiziert haben, wie man die Wärmeversorgung der Stadt CO2-neutral aufbauen kann. Wobei die Frist von 2045 Kogelheide erneut hadern lässt ... &bdquo;Die Frage für Versmold lautet: Wo kann ich Wärme entnehmen? Aus dem Klärwasser, aus Kühlhäusern, womöglich aus der Erde? Das Potenzial ist begrenzt, um Fernwärmenetze aufzubauen - aber vereinzelt können sicherlich Wärme-Inseln für bis zu 100 Haushalte entstehen.“ Auch hier werden sich die Stadtwerke engagieren - ihr Chef mahnt indes realistische Zeitpläne und Augenmaß an.

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