Haller Schulleiter will Turnaround: „Wir brennen für diese Gesamtschule“

Halle. Regentropfen werden an diesem Donnerstagmorgen gegen die Fensterscheiben des Schulgebäudes an der Masch geweht. Drinnen hingegen ist die Stimmung sonnig. &bdquo;Ich bin einfach total gerne hier“, stellt Matthias Geukes gleich zu Beginn des Gesprächs fest. Wenige Wochen hätten ausgereicht, um neben dem ohnehin vorhandenen Ehrgeiz und dem unbedingten Willen, diese Schule in der jetzigen Form zu erhalten, obendrein auch echte Begeisterung bei ihm zu entfachen. Und so berichtet der 47-Jährige darüber, wie er die ersten Wochen an seinem neuen Arbeitsplatz erlebt und was er bereits alles angepackt hat. Und das ist eine Menge. Weil die Zeit drängte, hatte sich Matthias Geukes dem Kollegium der Gesamtschule kurz vor den Sommerferien zunächst nur per Videobotschaft vorgestellt. Und die künftigen Kolleginnen und Kollegen im Gegenzug gebeten, ihm einen kurzen Steckbrief zu senden; praktisch als Urlaubslektüre. Dabei ging es um Fragen wie &bdquo;Was finde ich toll?“, &bdquo;Was würde ich gerne machen?“, &bdquo;Was würde ich verändern?“. In diesen Antworten habe er bereits viel über die Menschen erfahren, mit denen er fortan zusammenarbeiten würde, berichtet der neue Steuermann an der Masch. Und vor allem eine entscheidende Sache registriert: &bdquo;Mit Blick auf den Zusammenhalt hier im Kollegium haben alle miteinander zehn von zehn Punkten vergeben - das hatte ich vielleicht gehofft, aber erwarten konnte ich das nicht“, stellt der Familienvater fest. &bdquo;Das ist natürlich großartig.“ Die persönlichen Begegnungen zum Schulstart hätten diesen positiven Eindruck nur noch verstärkt. &bdquo;Es gibt keine Fluktuation, wir sind vollständig besetzt, unsere sachliche Ausstattung ist mit den Sportanlagen, dem Skatepark, dem neu gestalteten Schulhof oder iPads für alle einfach ausgezeichnet“, sagt Geukes. Um dann zu ergänzen: &bdquo;Wir haben hier sehr viele tolle Schülerinnen und Schüler - hier passiert nicht mehr und nicht weniger als an jeder anderen Schule auch.“ &bdquo;Öffentliche Wahrnehmung der Gesamtschule Halle komplett anders als die Innenansicht“ Demzufolge schaut er auch optimistisch auf die beiden Ziele, die er sich zusammen mit seinem 70-köpfigen Team gesetzt habe: 100 neue Anmeldungen für den nächsten fünften Jahrgang; jene Zahl, an der nicht weniger als die Zukunft der Gesamtschule hängt. Und: die Arbeit an der pädagogischen Geschlossenheit fortführen. &bdquo;Die öffentliche Wahrnehmung ist bei manchen eine komplett andere als die Innenansicht“, lautet das Fazit von Matthias Geukes nach knapp zwei Monaten im Amt. &bdquo;Klar gibt es immer mal wieder Konflikte, wenn 800 Menschen aufeinandertreffen, das ist normal. Aber dann werden die eben bearbeitet.“ Arbeit ist ein passendes Stichwort, denn die hat Matthias Geukes reichlich. Im September hat es bereits einen Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern der Haller Parteien gegeben. &bdquo;Wir haben ein Brainstorming veranstaltet und gemeinsam geschaut, wie wir mit Bedarfen und Bedürfnissen, Stärken und Schwächen umgehen“, fährt der Chef der Gesamtschule fort. Darüber hinaus hat Geukes initiiert, dass es jetzt eine Gruppe gibt, die aktiv Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Während eine Agentur im Auftrag der Stadt Halle für die professionelle Werbung und eine Social-Media-Kampagne verantwortlich zeichnet. Ebenso waren bereits alle vier Haller Grundschulen zu Gast: &bdquo;Wir arbeiten gut zusammen“, betont der Schulleiter. Überhaupt stehe die Gesamtschule dafür, Menschen zu beraten und intensiv zu begleiten: &bdquo;Wir unterrichten Menschen - nicht nur Fächer.“ Dann leitet er zu den Besonderheiten der Schulform über. Die Gesamtschule zeichne aus, dass sie eine individuelle Schullaufbahn ermögliche: &bdquo;Wer in der siebten Klasse noch keine zweite Fremdsprache wählen möchte, kann auch Wirtschaft und Arbeitswelt, Informatik oder Naturwissenschaft wählen“, zählt Matthias Geukes die Alternativen auf. &bdquo;Wir legen Wert auf den Bezug zur Lebenswelt.“ Und führt in diesem Zusammenhang unter anderem das Projekt &bdquo;Praxis Leben“ an, bei dem Schülerinnen und Schüler in Klasse 8 ein Dreivierteljahr an einem Nachmittag pro Woche einen bestimmten Betrieb besuchen. Schulleiter: &bdquo;Wir wollen mit unserer guten Arbeit überzeugen“ Während es in der Vergangenheit an der 100er-Grenze hakte und regelmäßig weniger Kinder als gesetzlich vorgeschrieben für die fünften Jahrgänge angemeldet wurden, sehe es in den anderen Jahrgangsstufen anders aus, geht Geukes dann auf die Zahlen ein. &bdquo;Allein zum aktuellen Schuljahresbeginn haben wir insgesamt 49 Mädchen und Jungen in die unterschiedlichen Klassen neu reingepuzzelt“, berichtet der frühere Zweitliga-Handballer. &bdquo;Unter den 700 Schülerinnen und Schülern finden sich insgesamt 100, die nicht auf der Gesamtschule gestartet sind - 70 davon waren zunächst auf einem Gymnasium. Dabei gibt es viele Beispiele, in denen Kinder zunächst keine Gymnasialempfehlung erhalten und hier dann noch das Abitur gemacht haben.“ Matthias Geukes lässt den Blick durch sein Büro gleiten, nimmt die Broschüre &bdquo;100 gute Gründe“ in die Hand und lächelt. &bdquo;Wir brennen hier für diese Schule. Und klar, ich kann ja leider keine Hausbesuche machen - letztlich wollen wir auch niemanden überreden, zu uns zu kommen, sondern überzeugen. Mit unserer guten Arbeit überzeugen, die jeden Tag hier stattfindet.“ Gerade mit Blick auf das Ultimatum der Bezirksregierung, in der nächsten Anmeldewoche unmittelbar nach den Halbjahreszeugnissen mindestens 100 neue Anmeldungen zu bekommen, könne er eine gewisse Unsicherheit nachvollziehen, fügt er dann an. &bdquo;Aber wenn wir jetzt die 100 erreichen, werden diese 100 ganz sicher ihre Gesamtschulkarriere hier machen; die volle Zeit. Und auch hier das Abitur machen können. Daran wird auch nicht gerüttelt.“ Bei einem Informationsabend für Eltern von Viertklässlern gibt es im Schulzentrum an der Masch am Dienstag, 8. Oktober, von 19 bis 21 Uhr weitere Infos. Alle Interessierten sind dort willkommen. Kommentar Ganz neue Möglichkeiten Mit Matthias Geukes ist eine völlig neue Energie in die Gesamtschule Halle eingezogen. Der 47-Jährige hat binnen weniger Wochen neue Netzwerke geknüpft, wesentliche Projekte angeschoben, Menschen begeistert, an Stellschrauben gedreht. Das sind genau die Skills, die es jetzt gebraucht hat, um im Januar das große Ziel zu erreichen: mindestens 100 Anmeldungen für den neuen fünften Jahrgang im Sommer. Geukes vermittelt glaubhaft, wie viel Potenzial in der Gesamtschule steckt - beste Voraussetzungen, um zum Erfolg zu kommen. Und wenn es am Ende aber doch nur 95 Kinder werden? Wäre es dann nur konsequent und richtig, die Gesamtschule trotzdem zu schließen? Die Antwort lautet Nein. Denn hinzu kommt noch ein anderer Punkt, der die Schullandschaft im gesamten Nordkreis Gütersloh in ein Dilemma stürzen würde: So dürften Kommunen wie Werther oder Borgholzhausen keine Kinder aus Halle an ihrer eigenen Gesamtschule ablehnen, wenn es diese Schulform im eigenen Ort nicht mehr gäbe. Die Folge: Noch mehr Losverfahren als bisher; Kinder müssten mehr denn je durch die Gegend fahren - geholfen wäre damit niemandem. Wenn es also tatsächlich nur daran hängen sollte, dass es an der Gesamtschule Halle für den fünften Jahrgang vielleicht nur 90 statt 100 Anmeldungen geben sollte, während danach alles läuft, ist das NRW-Schulministerium gefragt, Lösungen mit Augenmaß zu finden. Für Halle würde diese lauten: Die Gesamtschule bleibt auch ohne diese 100er-Hürde zum Start bestehen. Im günstigsten Fall stellt sich die Frage allerdings gar nicht - und Team Geukes schafft den Turnaround aus eigener Kraft.

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