Der Wochenkommentar

Alles redet von Olympia - aber was ist uns Sport im Altkreis Halle wert?

In diesen Tagen wird viel über den deutschen Platz im Medaillenspiegel, Sportförderung und die Versäumnisse im System gesprochen. Solche Kritik fällt leicht. Aber tun wir vor Ort überhaupt genug?

Schulsport fristet viel zu oft ein Schattendasein - allen Beteuerungen zum Trotz. | © Symbolfoto: Hendrik Schmidt

Marc Uthmann
17.08.2024 | 17.08.2024, 10:03

Am Ende waren wir wieder bei den leidigen Bundesjugendspielen, über die ich ja schon einmal einen eigenen Wochenkommentar verfasst habe. Thema in Kurzform: Ist es richtig, das System von Ehren-, Sieger- und Teilnahmeurkunden abzuschaffen, also im Schulsport bei Sportfesten nicht mehr nach Leistung zu differenzieren? Aber wie waren meine Kollegen und ich bei unserer leidenschaftlichen Diskussion vor einigen Tagen da nur gelandet?

Es ging um Olympia. Die Spiele in Paris haben viele Menschen gefesselt. Klar, dass da auch der Medaillenspiegel ins Visier gerät. Unter dem Strich hat Deutschland so wenige gewonnen wie seit der Wiedervereinigung nicht - ein neuer Tiefpunkt? Anlass, um gegenzusteuern und endlich mehr in die Sportförderung zu investieren, und zwar schon im Kindesalter? Da hielt ein Kollege beherzt dagegen: Sprach von seinen Erfahrungen mit Leistungsdruck im Schulsport, erzählte, wie Mitschüler gedemütigt worden seien, die eben nicht weit springen und schnell werfen konnten. Und schloss damit, dass der unbedingte Wille, in einer Medaillenrangliste ganz vorne zu liegen und der Druck, schon früh Ziele erreichen zu müssen, vielen jungen Menschen eher schade als nütze.

Schluss also mit der (sportlichen) Leistungsgesellschaft, könnte man daraus folgern. Weg mit diesem Druck, hin zur Akzeptanz des Umstandes, dass Deutschland eben nicht mehr in jeder Rangliste vorne mitmischt. Zumal diese selbstverständliche Annahme ohnehin etwas arrogant daher kommt. Weil andere Sportnationen sich in den vergangenen Jahrzehnten beeindruckend weiterentwickelt haben und es nur normal ist, dass sie uns Medaillen abjagen.

Sporthallen im Altkreis Halle wochenlang zu

Diese Argumentation ist nachvollziehbar, aber da würden wir es uns alle doch ein wenig zu einfach machen. Leistungen erbringen zu wollen, ehrgeizige Ziele zu haben, im Sport erfolgreich zu werden: Dafür sollte sich niemand schämen müssen. Zumal die Hingabe, mit denen Athletinnen und Athleten für ihre Ziele kämpfen, sie auch fürs Leben formt und in ihrer persönlichen Entwicklung voranbringt. Davon profitiert unsere Gesellschaft.

Aber wenn die olympische Begeisterung etwas abgekühlt ist und man auf den Alltag blickt, folgt schnell die Ernüchterung. Sporthallen im Altkreis bleiben in den Sommerferien naturgemäß mehrere Wochen geschlossen - warum eigentlich? -, manche wie die des Berufskollegs in Halle sind in bedauernswertem Zustand. In die Vorfreude auf einen Fußball-Kracher zwischen dem SC Peckeloh und Arminia Bielefeld im Westfalenpokal mischt sich die Sorge, ob dort überhaupt Lautsprecherdurchsagen und Musik erlaubt sind - weil ein Anwohner das vor einem Jahr mit einer Beschwerde beim Kreis erfolgreich unterbunden hat. Immerhin hier soll es nun offenbar eine Ausnahmegenehmigung geben.

Schulsport gibt es bei uns an zwei bis drei Stunden in der Woche - nicht selten vom Ausfall bedroht. Ein echtes Sportgymnasium ist im gesamten Altkreis Halle nicht zu finden, wobei unsere Region dafür vielleicht auch zu klein ist. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass Sport abseits zahlreicher Appelle für mehr Bewegung eben doch nicht die große Lobby hat.

Sportvereine ächzen unter der Bürokratie

Natürlich gibt es die engagierten Lehrerinnen und Lehrer, natürlich gibt es die Kommunen, die in den Sportstättenbau investieren. Aber es gibt eben kein System wie im zentralistischen Frankreich, wo gezielt ab dem Kindesalter über die Schulen gefördert wird. Um wieder auf die Argumentation des Kollegen zurückzukommen: vielleicht mit gutem Grund. An unseren Schulen im Altkreis Halle wird Vielfalt unterrichtet, MINT-Fächer sind genau so wie der sprachliche und musische Bereich wichtig für die individuelle Entwicklung. Aber wenn man in einem Sektor - übrigens egal in welchem - Spitzenleistungen herausbilden will, braucht es eben auch spezielle Förderprogramme.

In Deutschland und besonders stark im Altkreis Halle schultern die Vereine die sportliche Basisarbeit. Diese Dichte an ehrenamtlichem Engagement ist vielleicht sogar weltweit einmalig, stößt aber an bürokratische und personelle Grenzen. Die vielbeschäftigten Funktionäre ächzen unter der Bürokratie und einem Mangel an Übungsleitern. Da wird vieles nur verwaltet, für die Konzentration auf sportliche Höchstleistungen bleibt wenig Raum. Kein Wunder, dass die Borgholzhausener Vereine fusionieren, um die Professionalität zu erhöhen und Jan Bentfeld, der neue Vorsitzende der SG Oesterweg, im HK-Gespräch dringend neue Modelle der Zusammenarbeit anmahnt.

Gezieltere Sportförderung unter Einbeziehung der Vereine muss möglich sein. Natürlich braucht es da bundes- und landesweit koordinierte Programme, aber auch die heimischen Kommunen können ihren Beitrag leisten: Indem sie Sportprojekten gegenüber aufgeschlossen sind und eher ermöglichen als Bedenken hegen. Übrigens: Zur sportlichen Förderung gehört zwingend auch der Fairnessgedanke dazu. Damit vermeintlich „Schwächere“ eben nicht herabgewürdigt werden - es gibt hier kein entweder, oder.