Petition gegen Haller Windradplanung: Schon mehr als 1.100 Unterschriften

Halle-Kölkebeck. Der Tag ist für ein Treffen unter freiem Himmel wie gemacht. Etwas Sonne, ein paar weiße Wolken, ein wenig Wind. Und über dem Holztisch am Kölkebecker Jägereck, an dem vier Mitglieder der Bürgerinitiative Barrelpäule/Hörster Feuchtwiesen Platz genommen haben, fliegt nur wenige Meter über den Köpfen der kleinen Gruppe ein Storch. Er bringt Nahrung zum Horst, in dem der hungrige Nachwuchs sitzt. Andreas Bader schaut nach oben und lächelt. Der Hobby-Ornithologe erfreut sich an dem Naturschauspiel; ebenso wie die übrigen Mitstreiter. Eine perfekte Choreographie für den Augenblick. Dann schlägt Kai Bußmann, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, seine Unterlagen auf. &bdquo;Aktuell stehen wir bei 1.109 Personen, die die Petition an den Rat der Stadt Halle unterschrieben haben“, sagt er. &bdquo;Etwa 600 der Unterschriften kommen aus Halle, aber es sind eben nicht die Haller alleine, es geht nicht um die persönliche Betroffenheit“, fügt er an. &bdquo;Die übrigen Unterstützer wohnen in Harsewinkel, Versmold, Bielefeld, Steinhagen, Gütersloh, Borgholzhausen, Herzebrock-Clarholz oder im Kreis Warendorf.“ Alle gemeinsam leisten sie Widerstand gegen die beantragte Änderung des Flächennutzungsplanes, um sechs Windräder in einem Biotopverbund aus FFH- und Naturschutzgebieten in den Haller Ortsteilen Bokel beziehungsweise Stockkämpen, Hörste und Kölkebeck zu errichten. &bdquo;Flächen, denen das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) eine besondere oder herausragende Bedeutung für das Biotopverbundsystem bescheinigt“, fügt Bußmann an. Petition mit Unterschriften soll an Halles Politiker übergeben werden Doch die Bürgerinitiative freut sich nicht nur darüber, dass auf der Liste, die Ende August und damit vor der endgültigen Entscheidung Halles Politikerinnen und Politikern übergeben werden soll, mittlerweile mehr als 1.100 Unterschriften stehen. Nein, es geht auch um die Wertigkeit dieser Unterschriften, um die &bdquo;prominente Unterstützung“, wie Kai Bußmann erklärt. &bdquo;Diplom-Biologin Irma Milka aus Gütersloh zählt zu unseren Unterstützerinnen. Fachlehrerin Elena Ollerdißen aus Bielefeld. Andreas Bader, der Haller Vogelkundler, und sogar Arnold Weßling.“ Kai Bußmann schaut zu seiner Mutter Ulrike Bußmann herüber und lacht. &bdquo;Als ich den Namen in der Onlinepetition gesehen habe, war ich mir erst gar nicht sicher, ob es sich tatsächlich um den Arnold Weßling handelt, den ich kenne.“ Also habe er den CDU-Politiker aus Borgholzhausen angerufen - und sich die Unterschrift bestätigen lassen. &bdquo;Er zögerte nicht einen Augenblick“, berichtet Bußmann aus dem Telefonat, &bdquo;vielmehr unterstrich er direkt, dass er als Mitglied im Regionalrat und in der Arbeitsgruppe Windkraft an Land in OWL mit den Kriterien sehr vertraut sei. Und dass er über Jahrzehnte am Naturschutz in dem betreffenden Gebiet mitgearbeitet habe.“ Die Gruppe nickt sich zu. Stimmen wie diese verleihen ihrer Petition Gewicht. Und natürlich die Umstände, dass sich die Naturschutzverbände gegen die Pläne positioniert hätten. &bdquo;Es geht nicht um persönliche Betroffenheit“ &bdquo;Es geht nicht darum, dass die geplanten Windräder hinter unseren Gartenzäunen stehen“, nimmt Ulrike Bußmann den Ball auf. &bdquo;Wir wehren uns nicht, weil unsere Gärten oder unsere Häuser verschattet würden. Uns treibt nicht die persönliche Betroffenheit um“, betont sie. Unterstützung bekommt sie von Verena Wedemeyer. &bdquo;Wir beispielsweise sind ganz bewusst hier aufs Land gezogen, mitten in die Natur. Uns liegt der Erhalt dieser Naturschutzgebiete ehrlich am Herzen.“ Dasselbe gilt für Andreas Bader, der in Halle wohnt - fernab der zur Debatte stehenden Naturschutzgebiete. Während auch Kai Bußmann ergänzt: &bdquo;Wir sind keine Nimbys.“ (Nimbys als Abkürzung für &bdquo;Not in my backyards“ - nicht in meiner Nachbarschaft.) Dann fasst er noch einmal die inhaltlichen Argumente zusammen, die aus Sicht der Bürgerinitiative gegen die Planungen von sechs Windrädern zwischen 200 und 250 Metern Höhe im Haller Süden durch die Stadtwerke Münster in Zusammenarbeit mit den Technischen Werken Osning (TWO) sprechen. Die Fragen. Die Widersprüche. &bdquo;Bei der Festlegung der Windenergiebereiche im Sachlichen Teilplan Wind/Erneuerbare Energien durch die Bezirksregierung Detmold sollen möglichst große, zusammenhängende Flächen identifiziert werden, um eine räumliche Bündelung von Windenergieanlagen zu erreichen“, zitiert Kai Bußmann. &bdquo;Mit Blick auf die Planung lautet das Fazit des Regionalrates jedoch: Mehrere Verstöße gegen die Leitlinie der Bezirksregierung, keine Berücksichtigung im Teilplan Wind. Nicht zuletzt gebe es im Regierungsbezirk ausreichend Flächen - auch ohne diese hier mit dem hohen Konfliktpotenzial.“ Und auch durch die Stellungnahme des Kreises Gütersloh, die &bdquo;vernichtend“ sei, fühlt sich die Bürgerinitiative bestärkt. &bdquo;Es sei Nachbesserungsbedarf an der Planung beziehungsweise der Unterlagen erforderlich, weil die vorliegenden Unterlagen nicht nur fachlich ungenügend, sondern auch in sich widersprüchlich seien“, fasst die Gruppe zusammen. &bdquo;So widersprüchlich, dass die Untere Naturschutzbehörde die Planung in der vorgelegten Form ablehnt.“ Dass die Stadtwerke Münster angesichts dieser Einschätzungen optimistisch seien, bis Ende 2026 die Anlagen realisieren zu können, wundere sie. Kein Statement gegen erneuerbare Energie oder Windkraft &bdquo;Um auch das noch einmal klarzustellen: Wir sind nicht gegen erneuerbare Energien beziehungsweise gegen Windkraft“, sagt Kai Bußmann. &bdquo;Aber an diesen Standorten zwischen der Barrelpäule als ältestem und den Hörster Feuchtwiesen als größtem Naturschutzgebiet macht das keinen Sinn.“ NRW bräuchte 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkaft. &bdquo;3,1 Prozent wurden bereits ermittelt. Da müssen wir für die Energiewende doch nicht noch Windräder an und in Naturschutzflächen bauen.“ Vögel zwitschern, während er seine Argumente vorträgt. Andreas Bader horcht konzentriert. &bdquo;Das war ein Feldsperling, der ist sehr selten“, sagt er und lächelt wieder. Momente wie diese machen ihn glücklich. &bdquo;Und dann haben wir hier noch den Baumpieper, den Neuntöter, den Specht und den Schwarzspecht ...“ Dabei befinde man sich hier nicht nur im Brutgebiet. &bdquo;Nein“, sagt Bader, &bdquo;viele Vögel kommen von weiter her, das ist auch ihr Nahrungsgebiet.“ Zu den sogenannten Nahrungsgästen gehörten Turmfalken, Mäusebussarde, Rotmilane, Rohrweiher, Steinkauzröhren, kleine Eulen ... Ach, ihm würden noch viel mehr einfallen. &bdquo;Haller Stromnetz ist bereits ausgelastet oder überlastet“ &bdquo;Wir unterstützen den Ausbau erneuerbarer Energien“, hält Kai Bußmann erneut fest. &bdquo;Aber im gesamten Gebiet der Stadt Halle konnte der LANUV keine Windflächen identifizieren. Das bestehende Haller Stromnetz ist bereits ausgelastet beziehungsweise überlastet. Und die erforderlichen zwölf Kilometer Mittelspannungstrassen plus Trafo sind bislang nicht geplant oder werden nicht kommuniziert.“ Der Bankkaufmann legt seine Unterlagen beiseite. Auch wenn Windradplanung lange Jahre nicht seine Kernkompetenz war - längst hat er sich tief in die Materie eingearbeitet. Er kennt die Zahlen und Daten auswendig. Und referiert noch über die Umstände, unter denen Windräder dieser Größenordnung gebaut würden. &bdquo;Es ist eine Grundwasserabsenkung für den Bau der 40 mal 40 mal vier Meter großen Fundamente erforderlich, die die Hausbrunnen gefährdet. Zuwege müssten geschaffen werden, die mit irreparabler Bodenverdichtung und Abholzungen verbunden wären.“ Einen Augenblick schweift sein Blick in die Ferne, wo auf der einen Seite zwei, auf der anderen Seite ein Windrad stehen. Eines davon still. Dann sagt er leise: &bdquo;Das wäre eine Katastrophe für diesen artenreichen Naturraum.“ Das Gespräch neigt sich dem Ende entgegen, aber nicht, ohne dass die Gruppe Alternativen nennt, um innerhalb der Stadt Halle einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. &bdquo;Industrieunternehmen wie Walbusch, Speckmann oder Storck haben bereits große PV-Anlagen installiert beziehungsweise sind in Planung. Auch öffentliche Gebäude wie Schulen, Kitas oder Verwaltungsgebäude bieten sich ebenso an wie Randbegrenzungen öffentlicher Parkplätze, der Bauhof oder die Kläranlage“, zählt Bußmann auf. &bdquo;Des Weiteren stehen in den Ortsteilen drei große Biogas-Anlagen. Hier sollte die Möglichkeit von Randflächen der A33 sowie der Bahnlinie zwischen Künsebeck und Hesseln in Betracht überprüft werden.“ Und dann schauen sich die vier an. Bekräftigen, dass sie nach den jüngsten Stellungnahmen der beteiligten Behörden deutlich zuversichtlicher seien als noch am Anfang der Planungsphase. Und auf die Haller Politik setzen. Auch, weil ungenutzte Windräder in OWL die Verbraucher jetzt schon Millionen kosteten: &bdquo;Windkraft, während keine Leitungen vorhanden sind oder das Netz überlastet wird, führt nur dazu, dass Betreiber, Verpächter und Investoren dank staatlicher Subventionierung und einer Ausfallpauschale bei Stillstand dennoch Gewinne machen. Das muss besser gehen.“

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