Gravierende Mängel in allen Räumen: Haller Berufskolleg droht der Abriss

Halle. Wenn einem der Arzt zum nächstmöglichen OP-Termin rät, die TÜV-Plakette am Auto nach der Untersuchung noch dieselbe Farbe hat wie vorher und der Geldautomat die Kreditkarte einzieht, dürfte jedem klar sein: Die Lage ist ernst. So etwa muss sich Nils Kralemann im März gefühlt haben, als er in seinem zweiten Monat als Leiter des Berufskollegs den Anruf vom Kreis Gütersloh erhielt. Man teilte ihm mit, dass seine rund 1.500 Schülerinnen und Schüler in einem Gebäude mit erheblichem Handlungs- und Sanierungsbedarf unterrichtet werden. Möglicherweise sind sogar der Komplettabriss und ein Neubau der Schule auf dem fast 50.000 Quadratmeter großen Areal die wirtschaftlich sinnvollsten Maßnahmen. &bdquo;Immerhin ist die Schule betriebsbereit. Ich hatte schon befürchtet, dass hier morgen früh keiner mehr aufschließt“, sagte Sandra Jürgenhake, Leiterin der Abteilung Bildung beim Kreis Gütersloh, nach dem Vortrag von Kai Brüchner-Hüttemann im Kreisausschuss für Bildung, der sich ausnahmsweise in der Aula des Haller Berufskollegs traf. Der Bielefelder Architekt hatte zuvor die Untersuchungen seines Büros vorgestellt. In der Präsentation hatte es vorab von Begriffen wie &bdquo;Sanierungsbedarf“, &bdquo;schadstoffbelastet“, &bdquo;unhaltbarer Zustand“ und &bdquo;Totalsanierung“ gewimmelt. Eine Bankrotterklärung für das Gebäudeensemble an der Kättkenstraße, dessen ältester Baukörper aus dem Jahr 1952 stammt. Brüchner-Hüttemann riet als Fazit von einer Komplettsanierung ab und empfahl Komplettabbruch und Neubau. Welcher Weg tatsächlich eingeschlagen wird, müssen die Ausschussmitglieder in den kommenden Monaten festlegen. Sicher ist aber, dass hier eine Investition im hohen zweistelligen Millionenbereich fällig wird. Alles, was man nicht sieht, muss erneuert werden Das ist der Auftakt, wir müssen uns nun auf den Weg machen“, sagte Anke Dreier, Leiterin der Gebäudewirtschaft beim Kreis Gütersloh. Die einzelnen Gebäude auf dem weitläufigen Gelände seien immer mal wieder instandgesetzt worden, aber es fehle die Generalsanierung. &bdquo;Dabei geht es um alles, was man nicht auf den ersten Blick sieht, wie etwa die Heizungsanlage oder den Brandschutz“, sagte Dreier. In der Folge ging Architekt Kai Brüchner-Hüttemann auf die Details ein. Schadstoffe in Böden und Wänden Die Untersuchung ergab, dass viele Wände und Böden asbestbelastet sind. &bdquo;Die Räume könne gefahrlos genutzt werden. Wenn dort aber eine Baustelle entsteht, müssen alle Schadstoffe fachgerecht entsorgt werden“, erklärte Brüchner-Hüttemann. Streng genommen müsste man schon reagieren, sobald jemand ein Loch in die Wand bohrt. Energetischer Zustand Die meisten Fenster in der, so Brüchner-Hüttemann, &bdquo;Schule der langen Wege“ sind 40 Jahre alt und reparatur- und wartungsbedürftig. Zum Teile gebe es dafür gar keine Ersatzteile mehr. Die Gebäudefassaden und Dächer seien überwiegend ungedämmt. &bdquo;Das alles entspricht in keiner Weise dem energetischen Anspruch des Kreises Gütersloh“, sagte der Architekt. Brandschutz Ein Brandschutzkonzept ist nur für den zentralen Eingangsbereich und somit nur in Teilen vorhanden. Es mangelt an Brandschutztüren und die Brandmeldeanlage entspricht nicht mehr der DIN-Norm. Schallschutz und Raumakustik Im zentralen Gebäude aus dem Jahr 1977 gibt es Schallübertragungen aus dem Außenbereich, zudem ist die Akustik in den Fluren schlecht. Gebäudetechnik: Heizung Es gibt zwei Heizzentralen für alle Gebäude. Die eine im Untergeschoss des Hauptgebäudes, die andere in der ehemaligen Realschule. Die Gaskessel können nicht mehr die volle Leistung erbringen, da sonst die zulässigen Abgaswerte überschritten werden. Die Rohrleitungen sind teilweise im Fußbodenaufbau verlegt, was Korrosionen begünstigt und Reparaturen erschwert. Gebäudetechnik: Lüftung Lüftungsanlagen sind zwar vorhanden, aber so alt, dass sie ersetzt werden müssen. Brandschutzklappen sind nicht entsprechend der aktuell gültigen Vorschriften eingebaut, zudem sind sie teilweise in einem äußert schlecht zugänglichen Kriechkeller verbaut. Eine Komplettsanierung ist auch in diesem Bereich dringend notwendig. Gebäudetechnik: Sanitär Auch hier fällt das Wort &bdquo;Totalsanierung“. Aufgrund des Alters gab es hier bereits häufiger Leitungsschäden. Bis auf die Warmwasseraufbereitung in den Sporthallen, die vor rund zehn Jahren erneuert wurde, ist der gesamte Sanitärbereich sanierungsbedürftig. Gebäudetechnik: Elektro Viele Teile stammen noch aus dem Jahr 1952, als das erste Gebäude gebaut wurde. Die übliche Betriebszeit von 40 Jahren ist somit längst überschritten. Auf dem neuesten Stand ist allerdings noch die Sicherheitsbeleuchtungsanlage aus dem Jahr 2023. Die generelle Beleuchtung ist nur in Teilen auf moderne LED-Technik umgestellt. Barrierefreiheit Die gibt es praktisch im gesamten Gebäude nicht. Aufzüge sind nicht vorhanden oder nicht in Funktion. Ein barrierefreies WC gibt es nicht. Positive Aspekte Auch die gab es, wenn auch in geringem Ausmaß. Der Architekt verwies darauf, dass die Schule betriebsbereit ist und lobte das große hochattraktive Gelände mit den vielen Grünflächen. Dies bedeutet aber zugleich auch, dass das Areal sehr gering ausgenutzt wird. Zudem hob er das einzige Gebäude hervor, das vom Abriss verschont werden könnte. Die 1982 erbaute Sporthalle &bdquo;KBS“ kann im Bestand verbleiben, die benachbarte Sporthalle &bdquo;Ravensberg“ sei hingegen &bdquo;technisch und optisch in einem schlechten Zustand“. Klar ist trotz all der Mängel aber auch: Der Standort Halle steht nicht infrage, es wird auch weiterhin ein Berufskolleg geben. Dies machten sowohl der Kreis als auch der Ausschuss deutlich. &bdquo;Der Standort ist wichtig, wir wollen eine Beschulung mit örtlicher Nähe“, sagte Jürgenhake. Zudem sei der Fachbereich Gesundheit einzigartig. &bdquo;Er gehört hier hin“, sagte Jürgenhake. &bdquo;Das ist eine gravierende Einschätzung“, sagte Arnold Weßling (CDU) mit Blick auf den Vortrag des Architekten. &bdquo;Wir brauchen den Standort Halle in vollem Umfang. Die Schule leistet eine hervorragende Arbeit und benötigt somit auch einen leistungsfähigen Standort.“ Man müsse die Sache nun gründlich weiter bewerten und politisch betrachten. &bdquo;Das ist ein ordentlicher Brocken. Der Schulstandort steht jedoch in keiner Weise in Frage“, sagte Thorsten Schmolke (Grüne). Die fünf Berufskollegs im Kreis seien wichtige Säulen. Er wundere sich allerdings ein wenig darüber, dass man angesichts der nun gravierenden Mängel nicht schon vor zehn Jahren darüber gesprochen habe. Bei allen Varianten sind mehrere Millionen Euro fällig Man erhoffe sich in den kommenden Monaten einen Auftrag seitens der Politik und werde dann entsprechend an der Umsetzung arbeiten. Heißt im Klartext, dass in den kommenden Monaten entschieden werden muss, ob ein Abriss mit Neubau, eine Komplettsanierung oder eine Mischung aus beidem der beste Weg ist. Sicherlich hängt die Entscheidung auch von den zu erwartenden Kosten ab. Konkrete Zahlen wurden bisher nicht genannt, Architekt Kai Brüchner-Hüttemann sieht jedoch die Varianten kostenmäßig in etwa auf einer Ebene. &bdquo;Die Schmerzen sind bei uns jetzt nicht ganz so groß, wir wussten ja, was auf uns zukommt“, sagte Schulleiter Nils Kralemann mit Blick auf das Vorabgespräch mit dem Kreis, das ihm das Überraschungsmoment in der Sitzung nahm. Da er aber auch schon früher 13 Jahre lang als Lehrer an der Schule tätig gewesen sei, habe er die Lage ohnehin einigermaßen realistisch einschätzen können. &bdquo;Das sind schlechte Nachrichten, aber sehen Sie es als Chance, den Schulstandort für die Zukunft weiterzuentwickeln“, schloss Brüchner-Hüttemann mit aufmunternden Worten.

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