„Ich fühle mich betrogen": Schlammschlacht um Weber-Nachfolge

Halle. Der neue Tag war bereits angebrochen. Sieben Minuten nach Mitternacht zeigte die Uhr, als Jochen Tappmeier das Ergebnis verlas, auf das 101 stimmberechtigte Mitglieder des größten Haller Tennisclubs im Saal des Court-Hotels mehr als fünf Stunden hingefiebert hatten. Der Versammlungsleiter hatte kaum ausgesprochen, da zog sich Heiko Blomeier seine Jacke an – als Zeichen dafür, dass er diesen Ort so schnell wie möglich verlassen wollte. &bdquo;Ich war über 40 Jahre in diesem Verein. Ab heute gehöre ich nicht mehr dazu", sagte er enttäuscht. Im Gesicht von Thorsten Liebich machte sich derweil stille Erleichterung breit. Mit 49:40 Stimmen hatte der seit dem Tod von Gerhard Weber im September 2020 als kommissarischer Vorsitzender agierende Familienvater den Showdown eines denkwürdigen Abends gegen Blomeier für sich entschieden – in geheimer Wahl. Komplett neues Team Für die nächsten drei Jahre fungiert Liebich nun als Vorsitzender des TC BW Halle. Ihm zur Seite steht eine ganz neu zusammengestellte Führungsmannschaft: Jan Werkis ist Liebichs Stellvertreter. Die weiteren Posten besetzen Vera Dolgerloh, Corinna Sötebier (Jugendwarte), Sascha Bartz (Kassierer), Iris Schwärter, Henning David (Sportwarte), Jörg Säger (Technikwart), Ulrike Tappmeier (Festausschuss) und Ekkehard Piepenbrock (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit). &bdquo;Mein Team steht für Nachhaltigkeit. Unsere Aufgabe ist es, den Verein fit für die Zukunft zu bekommen", sagte Liebich. Doppelrolle im Fokus Ob ihm das gelingt, daran werden seine Gegner um Heiko Blomeier und Ralf Weber große Zweifel hegen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit äußerten die zwei jahrzehntelangen Vereinsmitglieder massive Kritik an der Arbeit des geschäftsführenden Vorstands, dem neben Liebich zuletzt noch Annette Staubach und Ulrike Tappmeier als jeweils zweite stellvertretende Vorsitzende angehörten. Im Zentrum ihrer Vorwürfe stand Thorsten Liebichs Doppelrolle: Neben seinem Amt als kommissarischer Vorsitzender ist er seit drei Jahren als Geschäftsführer der DaLi Sports Management GmbH tätig. Jene Agentur hatte im Januar 2021 mit dem TC BW Halle einen Vertrag über die Vermarktungsrechte des Vereins abgeschlossen. Garantiertes Geld für DaLi Unterzeichnet wurde diese Vereinbarung, die der Firma DaLi neben den Sponsoreneinnahmen eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 2.975 Euro pro Jahr aus der Vereinskasse garantiert, von Ulrike Tappmeier und Annette Staubach – laut Blomeier, ohne den Verwaltungsrat davon in Kenntnis zu setzen. &bdquo;Dies ist ganz bewusst geschehen, um für dich den größten Vorteil herauszuholen", so Blomeiers Vorwurf Richtung Liebich. 650 Euro werden vermisst Persönlich auf die Palme brachte Blomeier der Verbleib einer Spende in Höhe von 650 Euro. Diesen Betrag hatte er im Mai 2021 über den – ebenfalls von DaLi vermarkteten – Freundeskreis an den TC BW Halle gezahlt. Angekommen war das Geld beim Verein bis zum Tag vor der Jahreshauptversammlung jedoch nicht. Erst auf seine Nachfrage hätten Liebich und sein Kompagnon Jörg Dausendschön die Summe ausgezahlt. &bdquo;Ich fühle mich betrogen", sagte Blomeier und kündigte eine Strafanzeige an. Liebich räumt Fehler ein Thorsten Liebich räumte diesen und weitere Fehler ein. &bdquo;Es war eine schwere Zeit. Und sicher haben wir in den vergangenen zwei Jahren nicht alles richtig gemacht", sagte er. Gleichzeitig sicherte der neue Vorsitzende den Mitgliedern &bdquo;lückenlose Aufklärung" zu. Er versprach, den Vertrag zwischen DaLi und dem Verein noch vor dessen Ablauf zum 30. September 2023 &bdquo;anzupassen". Und er wiederholte, was bisher auch schon galt: &bdquo;Bei Entscheidungen über den Vertrag bin ich als Vorstandsmitglied raus." Drohung gegen Mitglieder Liebich ließ es sich aber auch nicht nehmen, den Stil zu bemängeln, mit dem seine Kritiker in den vergangenen Wochen gegen ihn mobil gemacht hatten. &bdquo;Es ist zu persönlichen Anklagen und Drohungen gegen Vereinsmitglieder gekommen", berichtete er. In den letzten Tagen vor der Versammlung sei die Situation dann &bdquo;aus dem Ruder gelaufen". Liebich zitierte auf Nachfrage aus einer WhatsApp-Nachricht, in der Blomeier ihn und den gesamten Vorstand am Morgen zuvor zum Rücktritt aufgefordert hatte. Andernfalls werde Ralf Weber die Staatsanwaltschaft informieren. Bei der knappen Mehrzahl der Mitglieder bedankte sich Liebich, &bdquo;dass sie mir am Ende dieses unschönen Abends weiterhin das Vertrauen geschenkt haben". Teilerfolge für Kritiker Die beachtlichen sportlichen Erfolge der Haller Mannschaften im vergangenen Jahr rückten angesichts der Schlammschlacht um die Weber-Nachfolge in den Hintergrund. Heiko Blomeier, in dessen &bdquo;Schattenkabinett" mehrere Mitglieder des bisherigen Vorstands und Verwaltungsrates standen, und Ralf Weber, der dem Verein im Fall von Blomeiers Wahl großzügige finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt hatte, konnten immerhin Teilerfolge verbuchen: So musste die Firma DaLi auf Webers Antrag hin ihren Vertrag mit dem Verein offenlegen. Dieser soll nun auf seine rechtliche Wirksamkeit geprüft und zum nächstmöglichen Zeitpunkt beendet werden. Außerdem stimmten die Mitglieder mehrheitlich dafür, dass die Vermarktung des Freundeskreises und des Vereinsheftes TC-Journal künftig wieder in den Händen des Vereins liegen soll. Mitgliederzahl geschrumpft Eine Satzungsänderung führte zudem zur Auflösung des bisherigen Verwaltungsrates. Stattdessen wird der Vorstand von fünf auf sieben Mitglieder erweitert. Auf sie wartet nun viel Arbeit: Ein Antrag auf Zuschüsse aus dem Landesprogramm &bdquo;Moderne Sportstätten" ist vorbereitet. Rund 70.000 Euro möchte der Verein in eine neue Heizungsanlage und Flutlicht investieren. 10.000 bis 15.000 Euro davon muss er selbst finanzieren – und das bei einem Minus von rund 500 Euro im Geschäftsjahr 2021. Auch die Zahl der Mitglieder ist, gegen den Trend im westfälischen Verband, seit 2019 von 601 auf 554 zum Jahreswechsel 2021/22 gesunken. Seit dem frühen Freitagmorgen ist es noch eines weniger.

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