Anwohner kämpfen weiter: Abfuhr der Mülltonnen sorgt für Ärger

Einige Haushalte der Kleistraße müssen ihre Mülltonnen an einen zentralen Sammelpunkt bringen. Anwohner sehen den Grund in einer Baustelle, die Stadt sieht das anders.

Bis hierhin müssen die Anwohner der Kleistraße, die sich an dieser Stelle gabelt, ihre Mülltonnen bringen. Hier kann das Müllfahrzeug noch wenden. | © Uwe Pollmeier

Uwe Pollmeier
09.11.2020 | 09.11.2020, 15:50

Halle. Brigitte und Klaus Schütze wohnen seit 1966 in ihrem Haus in Eggeberg. Im Alter zeigen sich nun aber langsam die Nachteile der idyllischen Lage an der Kleistraße.

Weit und breit gibt es weder einen Supermarkt noch einen Arzt. „Eine vernünftige Busverbindung gibt es auch nicht. Wir müssen alles mit dem Auto erledigen", sagt Brigitte Schütze. Da sie an einer Augenerkrankung leide, könne sie selbst nicht fahren und sei auf ihren Mann angewiesen. Die Probleme im Alltag der beiden über 80-Jährigen sind seit ein paar Wochen um ein Kapitel reicher.

Der Wendeplatz am Ende der Kleistraße ist gemäß der aktuellen Richtlinien auch ohne parkende Autos zu klein. - © Uwe Pollmeier
Der Wendeplatz am Ende der Kleistraße ist gemäß der aktuellen Richtlinien auch ohne parkende Autos zu klein. (© Uwe Pollmeier)

Gerade die schwere Papiertonne macht Probleme

„Wir müssen seit einigen Monaten unsere Mülltonnen an einem etwa 200 Meter entfernten Sammelplatz aufstellen", erklärt Brigitte Schütze. Die Tonnen, die jahrzehntelang vor ihrer Haustür abgeholt werden, müssen nun dorthin gebracht werden, wo sich die Kleistraße gabelt.

„Das ist nicht so einfach", schildert Brigitte Schütze die Situation: „Gerade die Papiertonne ist sehr schwer. Die letzten Meter geht es sehr bergab. Wenn die Straße nass oder glatt ist, kann ich die Tonne kaum halten."

Ausnahmeregelung wird zum Regelfall

Anfangs hielten sie dies für eine Ausnahmeregelung, da am Ende der Straße und somit unmittelbar am Wendekreis ein Haus renoviert wurde. Nun sei aber die Baustelle schon seit einigen Wochen wieder verschwunden, das Müllfahrzeug kommt trotzdem nicht mehr, sondern leert die rund 15 Tonnen der Anwohner nun am neuen Sammelpunkt aus. Dort könne, so die Stadt, das Fahrzeug wenden. Spuren auf einem Grundstück zeigen jedoch, dass die Räder der Fahrzeuge mitunter auch hier notgedrungen den Asphalt verlassen und über die Grünfläche rollen. „Die Stadt vertröstet uns immer wieder", sagt Brigitte Schütze. Schon mehrfach hätten sie bei der Stadt auf die Situation hingewiesen und auch alle Nachbarn stünden auf ihrer Seite.

Die Baustelle sei, so teilt die Stadt Halle den Anwohnern mit, nicht der Hauptgrund für die Umstellung gewesen. Zwar habe sie verursacht, dass das Müllfahrzeug nicht mehr auf dem Wendekreis drehen konnte, Hauptgrund für den nun neu festgelegten Abholplatz sei aber die verschärfte Gesetzeslage. „Der Wendekreis am Ende der Kleistraße ist ein bisschen zu schmal", bestätigt Stephan Borghoff, Umweltbeauftragter der Stadt Halle.

„Wir sind dabei und geben so schnell nicht auf" 

Zwar habe sich dieser nicht durch die Hausrenovierung verändert, jedoch seien die Vorschriften für das Fahren der Müllfahrzeuge mittlerweile verschärft worden. „Es gibt neue Richtlinien hinsichtlich der gesetzlichen Unfallversicherung", sagt Borghoff. So muss etwa das Rückwärtsfahren von Müllfahrzeugen möglichst vermieden werden. Eine Sackgasse ohne Wendekreis kann somit praktisch nicht mehr befahren werden.

Man habe bereits mit den Anwohnern gesprochen und werde diesen Weg auch weiter gehen. „Wir versuchen eine Lösung zu finden", verspricht Borghoff. Gespräche bezüglich eines möglichen Grunderwerbs mit einem der abseits der Straße wohnenden Grundstückseigentümer seien bisher erfolglos verlaufen. Die Vorstellungen über den Kaufpreis lagen wohl zu sehr auseinander. „Wir sind dabei und geben so schnell nicht auf", betont Borghoff erneut.

Kleineres Müllfahrzeug könnte Probleme lösen

Eine Lösungsmöglichkeit wäre ein kleineres Müllfahrzeug, welches schon mal vor einigen Monaten für die schmale Kiskerstraße ins Auge gefasst wurde. „Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wäre der Einsatz eines solchen Fahrzeugs nicht möglich", sagt Borghoff. Der in Halle tätige Entsorger PreZero habe solch ein Fahrzeug am Standort Porta Westfalica. „Der Einsatz dieses Fahrzeugs in Halle würde pro Tag Kosten in Höhe von rund 1.000 Euro verursachen", sagt Borghoff. Zudem müsste das Fahrzeug aufgrund seines begrenzten Volumens nach 30-minütiger Einsatzzeit stets zur Umladestation fahren, um danach neue Müllmengen aufnehmen zu können.

INFORMATION


Rückwärtsfahren geht nur in Ausnahmefällen

Laut Unfallverhütungsvorschrift der Unfallkasse NRW darf Müll nur abgeholt werden, „wenn ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist". Diese Vorschrift gilt bereits seit 1979. Anlieger müssen somit ihre Tonnen bis zur nächstgrößeren Straße bringen. Nach vier tödlichen Unfällen im Bundesgebiet wurde 2016 festgelegt, dass Müllwagen nur noch in Ausnahmesituationen rückwärts fahren dürfen. Seit 2017 gilt zudem eine bundesweite Richtlinie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), die dieses Vorgehen bekräftigt. Dennoch kam es im Januar 2018 zu einem tragischen Unglücksfall, als ein 88-Jähriger in Verl-Kaunitz von einem rückwärtsfahrender Müllwagen tödlich verletzt wurde.