Halle. Ihre gelben Köpfchen sind in Halle und Umgebung zurzeit fast überall zu sehen: Das Jacobs-Greiskraut steht in voller Blüte – am Wegesrand, auf der Wiese und bislang auch auf dem zwei Hektar großen Sand-Magerrasen an der Finkenstraße. Doch die Interessengemeinschaft der Künsebecker Bürger (IGKB) und Stephan Borghoff von der Stadt Halle sind der Giftpflanze am Samstag an den Kragen gegangen. Mit Spaten, Handschuhen und festem Schuhwerk folgten 18 Bürger dem Aufruf „Befreit Künske vom JKK". Für das Weidevieh besteht beim Fressen der Pflanze ein Vergiftungsrisiko. Denn der gelbe Korbblüher enthält das Gift Pyrrolizidin, das irreversible Leberschäden bis hin zum Tod verursacht. Im Heu als Trockenfutter wirkt das Gift wegen des fehlenden Wasseranteils sogar noch stärker. Ein Gegenmittel gibt es nicht. Die Pflanze schmeckt jedoch abscheulich und wird vom Vieh daher selten angerührt.
Neben Stephan Borghoff war Friederike Hegemann als Organisatorin mit von der Partie. Beim Ausreißen halfen Kerstin Witte, die Bürgermeisterkandidatin der Grünen, Hartmut Pohl, der Vorsitzende des TV Deutsche Eiche Künsebeck und viele weitere Künsebecker sowie einige Haller. Friederike Hegemann nannte als einen Grund für die Aktion das Vergiftungsrisiko: „Wir haben eine Sicherungspflicht gegenüber den Kindern." Dabei zeigte sie auf den in direkter Nachbarschaft liegenden Bolzplatz. Sie freute sich zudem über die sehr rege Beteiligung.

Stephan Borghoff spendierte einige Handschuhe und fügte einen ökologischen Grund für das Entfernen der giftigen Pflanze hinzu: „Das Jacobs-Greiskraut soll nicht bestandsbildend werden." Ihm ginge es nicht darum, die Pflanze auszurotten, sondern in ihrer ungezügelten Ausbreitung einzudämmen. „Das Jacobs-Greiskraut nimmt den Lückenpflanzen im Sandmagerrasen den Lebensraum", erklärte Borghoff. Es sei ein besonderes Biotop: Labkraut, Thymian, Hasenpfötchen oder die Wiesenscabiose wachsen hier.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde schien der Sandmagerrasen an der Finkenstraße zu einem Großteil von der Giftpflanze befreit zu sein. Nur einige Blattrosetten des Krautes blieben stehen, die noch nicht zur Blüte gekommen waren.
Ebenso achteten die Beteiligten laut Friederike Hegemann auf Raupen des Jakobs-Krautbären, einer Schmetterlingsraupe, die sich speziell auf die Giftpflanze als Nahrung spezialisiert hat. Wer eine Raupe sichtete, sollte das Exemplar der Pflanze ebenfalls stehen lassen. „Die Natur sorgt hier von selbst für Ausgleich", erklärte Borghoff. Denn die Raupe fresse teilweise die ganze Pflanze kahl.
Anschließend marschierte die Gruppe zum Spielplatz Neuer Kamp und entfernte auch dort das Jakobs-Greiskraut.
Kommentar: Ökoaktivismus und Panikmache
"Die Aktion in Künsebeck gehört in die Kategorie Ökoaktivismus. Sinnvoller wäre es gewesen, den Kirschlorbeer oder den Lebensbaum zu bekämpfen. Denn die sind weder heimisch noch ökologisch besonders wertvoll. Das Jakobs-Greiskraut ist hingegen beides: heimisch und wertvoll. In Großbritannien dient es 77 blattfressenden Insekten als Lebensraum, acht davon sind seltene Arten. Von ihrem Nektar leben solitäre Bienen und Schmetterlinge.
Laut des Botanikers Jürgen Feder, den das Haller Kreisblatt um eine Stellungnahme gebeten hat, sei der Kampf gegen das Kraut „totaler Unfug" und die geschürte Angst „die reinste Panikmache". In Niedersachsen gebe es eine Pferdezucht längs der Aller, bei der vor lauter Jacobs-Greiskraut die Pferde kaum zu sehen seien – „und nichts passiert". Die Bezeichnung Jakobskreuzkraut (JKK) ist übrigens falsch. Die Pflanze heißt Jacobs-Greiskraut."
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