Brötchen-Kauf ohne Bargeld: Borgholzhausener Seniorin (93) geht mit der Zeit

Borgholzhausen. Es ist Freitagvormittag bei der Konditorei und Bäckerei Welpinghus in Borgholzhausen. Am Tresen herrscht ein Kommen und Gehen. Die Kunden und Kundinnen kaufen Brötchen und Kuchen und holen Bestellungen ab. Alle zücken eine Karte zum Bezahlen, denn zunächst testweise gibt es für einen Monat in dem alteingesessenen Geschäft in Piums Zentrum keine Bargeldzahlung mehr. Im Verkaufstrubel hat es sich Margarete Hänel in einer Sitzecke bei Welpinghus gemütlich gemacht. Ihr Rollator steht neben dem Tisch. Am Freitagmorgen hat die Borgholzhausenerin schon einen Arzttermin absolviert und ist anschließend zu Fuß mit der Gehhilfe auf Rädern zu ihrer Stammbäckerei gegangen. Hier kauft sie immer freitags ein; zumeist sechs Brötchen, manchmal auch noch Mohn zum Kuchenbacken. Erstaunlich ist das alles nicht. Erstaunlich ist aber Hänels Haltung zur Kartenzahlung. Im September hat sie ihren 93. Geburtstag gefeiert. Sie stammt aus einer Generation, die mit Bargeld sozialisiert wurde. Scheine und Münzen hatten für diese Generation oft nicht nur einen materiellen Wert, sondern vor dem Hintergrund und der Erfahrung von Krieg, wirtschaftlicher Not und - in Hänels Fall - Vertreibung auch einen ideellen. Eine Bankkarte war für diese Generation noch ein Hilfsmittel aus ferner Zukunft, eine Bezahl-App gar ein Stück aus einem Science-Fiction-Roman. Schon lange Stammkundin in Borgholzhausener Bäckerei Wenn das Gespräch auf Menschen kommt, die stark am Bargeld hängen, sagt die 93-jährige Margarete Hänel: &bdquo;Ich kann das nicht verstehen. Man soll doch mit der Zeit mitgehen.“ Bei Welpinghus haben sie seit dem 1. Oktober, dem Tag, an dem der Test mit dem bargeldlosen Zahlen startete, auch andere Erfahrungen gemacht. Mitarbeiterin Daniela Mallon berichtet von einem Mann, der beim Blick auf das entsprechende Hinweisschild auf dem Tresen auf dem Absatz kehrtmachte. &bdquo;Vergangene Woche hat er das schon genauso gemacht“, sagt sie. Zur Generation von Margarete Hänel gehörte er nicht, er sei deutlich jünger gewesen. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Konditorei Bäckerei Welpinghus (@konditoreiwelpinghus) Früher kaufte sie hauptsächlich bei der nicht mehr existierenden Bäckerei Mohns ein, mittlerweile ist Margarete Hänel schon lange Stammkundin bei Welpinghus. &bdquo;Auch im Edeka bezahle ich mit Karte“, sagt sie. In der Konditorei und Bäckerei nutzt sie seit rund zwei Jahren die Vorteilskarte für Kunden und Kundinnen. &bdquo;Ich lade immer 50 Euro drauf“, sagt die 93-Jährige. Das ist im Geschäft selbst möglich. Ihr Schwiegersohn brachte die Mutter von drei Töchtern darauf, das bargeldlose Angebot zu nutzen. Die Familie profitiere von ihrer Vorliebe mittlerweile auch anderweitig. Zum Geburtstag im September habe es - quasi als Einkaufsgutschein - eine aufgeladene Vorteilskarte von Welpinghus gegeben. &bdquo;Meine Tochter und mein Schwiegersohn sagen immer: So lange du noch klar im Kopf bist, geht das“, sagt Margarete Hänel lachend. Die Befürchtung, bei zu viel Kartenzahlung den Überblick über die Finanzen zu verlieren, habe sie nicht. &bdquo;Das ist nicht so“, sagt Hänel bestimmt. Borgholzhausenerin kam einst aus Schlesien Derart gebettet war die Borgholzhausenerin nicht immer. Vor allem die Jugend war entbehrungsreich. 1932 geboren, wuchs sie im niederschlesischen Kreis Glatz auf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb sie mit ihrer Familie zunächst in der polnisch verwalteten alten Heimat. Erst im Oktober 1946 reiste sie in das in vier Besatzungszonen unterteilte Deutschland aus. Zunächst lebte sie in Magdeburg, ehe sie 1948 zur Zeit der Währungsreform in den drei Westzonen nach Borgholzhausen kam. Auch interessant: Viele Projekte in Borgholzhausener Konditorei: Jetzt soll Agentur helfen Margarete Hänel wurde im Ostwestfälischen sesshaft, heiratete und baute mit ihrem Mann ein Eigenheim. An Schlesien hängt sie trotzdem, war mehrfach in der alten Heimat. &bdquo;Ich liebe es dort“, sagt sie. 63 Jahre lang war sie Mitglied im Bund der Vertriebenen, dessen Bezirksvereinigung sich im Juni wie berichtet auflöste. Die reiche Biografie, aus der sie während des Treffens bei Welpinghus erzählt, belegt: Hier spricht jemand aus der Generation der Nachkriegskinder, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands prägte - zumeist mit dem Einsatz von Bargeld. Doch Margarete Hänel geht auch mit 93 Jahren eben mit der Zeit. Eins aber kommt für sie nicht mehr infrage: &bdquo;Per App werde ich nicht mehr bezahlen.“ Aktuelle Nachrichten bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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