Vorbild Borgholzhausen - von Brillenputztüchern, Regenschirmen und Bohlen

Borgholzhausen. Wir befinden uns im Jahre 2024. Das politische Deutschland ist infiziert mit einem Virus. Das Virus trägt den Namen Selbstdarstellung - einhergehend mit den Nebenwirkungen wie einer Schlammschlacht. Im politischen Deutschland grassieren nach dem Ampel-Aus und vor den Neuwahlen in 2025 Polemik und Beleidigungen. In ganz Deutschland? Nein! Im hohen Norden des Kreises Gütersloh, in unmittelbarer Nähe zu Niedersachsen, lebt das unbeugsame Volk der Piumer in seinem Örtchen Borgholzhausen. Sie hören nicht auf, dem Virus zu widerstehen (auch ohne Impfung). Mit durchschlagendem Erfolg. Die letzte politische Sitzung des Jahres, der Rat der Stadt, war ein Paradebeispiel für gelebte Demokratie, die Deutschland so guttun würde und an der sich die &bdquo;Bundespolitik mal ein Beispiel nehmen darf“, wie es Torsten Indiesteln (SPD) forsch formulierte. Streit in der Sache: ja. Aber immer im Blick: ein sinnvoller Kompromiss. Dabei ist das politische Leben in der Bergstadt Borgholzhausen bisweilen nicht einfach. Fünf Parteien sitzen im Rat - glücklicherweise ohne die politischen Ränder von rechts und links. Insgesamt fünfmal hatten die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden an diesem Abend die Möglichkeit, in ihren Reden zum Haushalt das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und auf Generelles für die Zukunft einzugehen. Ein Setting - wie im Bundestag. Borgholzhausen hat ein Defizit von 4,5 Millionen Euro Bei ihrer Analyse waren sich die Ratsmitglieder im Wesentlichen einig. Salopp formuliert: Die finanzielle Lage ist misslich, weil man weder auf der Einnahmenseite (21 Millionen euro), noch auf der Ausgabenseite (25,5 Millionen Euro) und mit einem kalkulierten Defizit von 4,5 Millionen Euro große Sprünge machen könne. Am Ende bleibe lediglich ein kleiner Betrag für freiwillige Leistungen. Deshalb wünschte sich Indiesteln &bdquo;Entlastungen von Bund und Land, die endlich helfen“. Zum Thema: Das Minus in Borgholzhausens Haushalt wird größer, der Optimismus bleibt Zudem belaste die permanent steigende Kreisumlage die Stadt. Christian Poetting (Borgholzhauser Unabhängige, BU) sprach von &bdquo;immensen Transferleistungen an den Kreis, die uns kaum noch Handlungsspielräume lassen. 10,5 Millionen Euro an den Kreis fressen unsere Einnahmen auf“. Als Quintessenz dieser Gemengelage erarbeiteten Verwaltung und anschließend die Politik in den Fachausschüssen eine Haushaltsvorlage, um deren Deutungshoheit nun in den Reden gerungen wurde. Hier traten die Unterschiede in der Sache deutlich zutage, hier gab es bisweilen konträre Meinungen. Der ein oder andere legte demonstrativ seinen Finger in offene Wunden. CDU-Kritik beim Umgang mit Flüchlingsunterkünften Michael Kalisch (CDU) warf unter dem Motto &bdquo;Pium im Blick“ selbigen auf den vorliegenden Haushalt. Er monierte &bdquo;hohen Aktionismus beim Umgang mit Flüchtlingsunterkünften sowie der zentralen Wärmeversorgung der städtischen Gebäude“. Kalisch ärgerte sich über strategische Fehlentscheidungen wie beim &bdquo;aufwendigen und teuren Rathausumbau“. Er forderte &bdquo;kluge Sparsamkeit“ sowie &bdquo;endlich ausreichende Investitionen in die Infrastruktur“. Um stets einen ungetrübten Blick und eine klare Sicht auf die Dinge zu behalten, verteilte die CDU-Fraktion an alle Ratsmitglieder Brillenputztücher. Die flauschigen Scheibenwischer rundeten die weihnachtlichen Gaben an dem Abend ab. Zuvor hatte es von der Verwaltung die obligatorische Piumer Weihnachtstüte gegeben sowie auf den Tischen Plätzchenteller und Teelichter, damit sie &bdquo;uns erleuchten mögen“, wie Bürgermeister Dirk Speckmann zu Beginn der Sitzung augenzwinkernd bemerkte. Heiß diskutierte Ehrenamtssatzung der Freiwilligen Feuerwehr Apropos &bdquo;erleuchten“. Christian Poetting (BU) nahm den Bürgermeister ins Visier ob seiner &bdquo;vollkommen unpassenden Facebook-Aktivitäten“ im Laufe des Jahres. Dafür habe es noch keine öffentliche Entschuldigung gegeben. Im Bezug auf den Haushalt bemühte Poetting eine Analogie zum Wetter: &bdquo;Wir haben keinen Einfluss auf die schlechten finanziellen Rahmenbedingungen, aber wir sind gewappnet mit Regenjacke und Gummistiefeln.“ Überdies zückte Poetting symbolisch einen Regenschirm. Lesen Sie auch: Borgholzhausener Persönlichkeit nimmt überraschend Abschied von seinem Amt Jutta Panhorst (Grüne) betonte in ihrer Rede, die sie als einzige im Stehen hielt: &bdquo;Trotz der angespannten Haushaltslage ermöglichen wir vielfältige freiwillige Leistungen, um unsere Vereine, die Schwachen und die Jugend zu fördern sowie die Kultur und die Öffentliche Mobilität zu unterstützen.“ In diesem Zusammenhang ist besonders die deutlich überarbeitete und heiß diskutierte Ehrenamtssatzung der Freiwilligen Feuerwehr zu nennen. Bauarbeiten im Borgholzhausener Rathaus In die gleiche Kerbe schlug Jürgen Aufderheide (FDP): &bdquo;Die Kommunen sind die Herzkammern der Demokratie. Wir sorgen dafür, dass es noch Leben in der Gemeinde gibt. Nur durch unsere freiwilligen Leistungen bleibt unsere Stadt lebenswert.“ Bei der Entscheidung zu der Ehrenamtssatzung der Freiwilligen Feuerwehr sei man, so Aufderheide, im Vorfeld einige Umwege gegangen, aber schließlich zähle nur das Ergebnis: &bdquo;Wer Umwege geht, lernt die Gegend kennen“, philosophierte er. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Sinnbildlich dazu passten am Eingang des großen Sitzungssaals die Holzbohlen, über die die Politiker ein paar Schritte gehen mussten, um in den Sitzungssaal zu gelangen. Die Bauarbeiten im Rathaus hatten diese Sicherheitsmaßnahme so kurz vor Weihnachten nötig gemacht. Einstimmiges Votum für Borgholzhausener Haushalt Auch die Politiker mussten bisweilen dicke Bretter bohren, um zu einem Konsens zu kommen. Hin und wieder bauten sie Brücken und balancierten auf hölzernen Bohlen. Um es mit dem Simon&Garfunkel-Klassiker zu sagen: Die Holzbohlen waren die &bdquo;Bridge over troubled water“. Die sichere Querung über gefährliches Wasser. Am Ende votierten alle Ratsmitglieder für den vorgelegten Haushaltsentwurf, sodass dieser einstimmig verabschiedet wurde. Überhaupt fielen sämtliche Entscheidungen an diesem Abend einstimmig: zur Feuerwehr, zur Grundsteuer, zur kommunalen Wärmeplanung sowie zu den Straßen-, Müll- und Wassergebühren. Die Demokratie in Borgholzhausen lebt.

Meistgelesen

Eklat in Borgholzhausen: Bürgermeister zeigt sich fassungslos

30 neue Wohnungen in Borgholzhausen geplant - Anwohner sind entsetzt

Nach Eklat in Borgholzhausens Rathaus: Streit um Feuerwehr-Etat geht weiter

Knappe Entscheidung über umstrittenes Wohnprojekt in Borgholzhausen

Zukunft des Bostik-Gebäudes: Borgholzhausener Geschäftsmann hat große Pläne Einer Nutzung des alten Verwaltungsgebäudes an der früheren B68 als Beherbergungsbetrieb erteilte der Kreis Gütersloh eine Absage. Nun gibt es andere Pläne für die Borgholzhausener Immobilie.

Umstrittene Wohnhäuser in Borgholzhausen: So ist der Stand des Projekts An der Sundernstraße/Ecke...