Nach Rekordregen und Frost: Borgholzhausens Wasserversorgung ist speziell

Borgholzhausen. So hatte sich Fred Peters seinen Kontrollgang zu den städtischen Brunnen nicht vorgestellt. Der Mitarbeiter des Borgholzhausener Bauamtes scheiterte bereits am Zugang. Als Peters am Eingang zum Jammerpatt-Brunnen seinen Schlüssel ins Schloss steckte, bewegte sich zwar der Schlüssel im Zylinder, doch das Tor blieb standhaft. Auch nach ein, zwei Versuchen war das Metalltor nicht zu bewegen. Es war in seiner Verankerung festgefroren. Erst sehr viel Niederschlag, dann extrem niedrige Temperaturen. Was das bewirken kann, erlebte Fred Peters an diesem kalten Morgen hautnah. Rein sinnbildlich könnte dies für das Verhältnis der Stadt Borgholzhausen zum Wasser stehen. Schwierig würde es auch treffen - zumindest wenn man auf die vergangenen Jahre zurückblickt. Der Bergstadt schien buchstäblich das Wasser auszugehen. Sie musste massiv Trinkwasser aus Halle zukaufen, um in den heißen Sommern die Versorgungslage der Bevölkerung zu sichern. Dazu kamen viele - und viele vergebliche - Bohrversuche, um neues Wasser zu erschließen. Überdies stieg zuletzt der Preis für Abwasser auf einen kreisweiten Rekordwert. In den Hitzesommern stößt Borgholzhausen an seine Grenzen Doch der Reihe nach. &bdquo;Die vielen Niederschläge der vergangenen Wochen haben beim Thema Grundwasser schon extrem geholfen", sagt Experte Fred Peters. Beim sogenannten Ruhewasserstand an den Brunnen 1 und 2 nahe dem Wasserwerk oben im Teuto taxiert Peters ein Plus von 15 bis 20 Metern. &bdquo;Da hat sich echt was getan", sagt er und ergänzt: &bdquo;Selbst wenn wir die Pumpen konstant auf Normalbetrieb von neun bis zehn Kubikmetern pro Stunde laufen lassen, fällt der Wasserspiegel aktuell nicht." Ein gutes Zeichen. Die Zahlen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) belegen: Es war rein statistisch in Ostwestfalen-Lippe &bdquo;das nasseste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn", wie der DWD-Meteorologe Thomas Kesseler-Lauterkorn sagt. Der stellvertretende Leiter des Regionalen Klimabüros in Essen geht davon aus, dass es &bdquo;mutmaßlich flächendeckend" in ganz OWL neue Niederschlagsrekorde gegeben habe. &bdquo;Es ist zum Teil mehr als 50 Prozent über dem langjährigen Mittel an Niederschlag gefallen", so der Meteorologe. Das sah in Borgholzhausen in den Sommern 2020 bis 2022 ganz anders aus. &bdquo;Da sind wir an unsere Grenzen gestoßen", bestätigt Peters. Die Förderung musste derart gedrosselt werden, dass die Stadt aus Halle große Mengen Frischwasser zukaufen musste. In den trockenen Hitzejahren waren es 2020 insgesamt 23.560 Kubikmeter, 2021 rund 35.550 und 2022 sogar 52.930. Am Ende also mehr als ein Sechstel des Gesamtverbrauches von 275.000 Kubikmetern. Diese Rekordwerte belasteten zudem den Haushalt finanziell. Erfolgreiche Probebohrungen am Hardenberg In 2023 hat sich die Situation - aufgrund der vielen Niederschläge und das schlechten Sommers - deutlich verbessert. Die Stadt musste nur noch 8.400 Kubikmeter zukaufen - das bedeutet eine Ersparnis gegenüber dem Vorjahr von etwa 100.000 Euro. In diesem Jahr möchte Borgholzhausen in puncto Frischwasser-Gewinnung wieder autark werden. Dabei soll ein vierter Brunnen am Hardenberg helfen. Nach erfolgreichen Probebohrungen und der Aussicht auf einen ergiebigen Standort strebt die Kommune an, noch in 2024 den neuen Brunnen zu entwickeln. Ähnlich wie mit dem eingefrorenen Tor am Jammerpatt-Brunnen hatte Fred Peters noch ein zweites bemerkenswertes Erlebnis in den vergangenen Wochen. Das Regenrückhaltebecken an der Sundernstraße war nicht nur vollgelaufen, es war übergelaufen. &bdquo;Das hatten wir noch nicht", gesteht Peters: &bdquo;Und ich hätte auch nicht gedacht, dass das Becken aufgrund von konstant vielem Regen überlaufen könnte." Gewässerschutz für den Violenbach Immerhin verfügt der Betonriese über ein Volumen von 4.200 Kubikmetern - das sind 4,2 Milllionen Liter Wasser. Das Becken ist eigentlich dafür konstruiert, unter anderem Starkregen-Ereignisse abzufedern, nun kam es nach extrem ergiebigem und anhaltendem Niederschlag an seine Grenzen. Fred Peters ordnet ein: &bdquo;Gefährlicher sind die Starkregen-Ereignisse." Er erklärt: &bdquo;Man kann sich das wie bei einer Badewanne vorstellen. Wenn diese allmählich vollläuft, ist der Überlauf langsam. Schüttet man die Wanne mit viel Wasser schnell voll, schwappt das Wasser unkontrolliert über." Genau darum geht es bei der Regenrückhalte-Anlage an der Sundernstraße. Diese soll das Wasser filtern und dann den Ablauf in den Violenbach kontrollieren. Fred Peters bestätigt: &bdquo;Das ist aktiver Gewässerschutz. Wir filtern die Schadstoffe heraus und regeln den Zulauf in den Violenbach." Rekord-Gebühr für Schmutzwasser Warum muss das Regenwasser überhaupt gefiltert und gereinigt werden? Dies ist in einer Borgholzhausener Besonderheit begründet. Der überwiegende Teil des Innenstadt-Bereiches besitzt nämlich ein Mischwassersystem. Das heißt, Frischwasser und Abwasser sind dort nicht getrennt. Regnet es sehr viel, haben Kläranlage und sämtliche andere Reinigungssysteme viel zu tun. Der größte Energieaufwand in diesem Zusammenhang entsteht durch die Pumpen, durch die Belüftung des Abwassers und die Entwässerung des Klärschlammes. Mit diesen Eigenheiten sind die rekordverdächtigen Abwassergebühren allerdings nicht zu erklären. In Pium zahlt der Bürger pro Kubikmeter Schmutzwasser 4,04 Euro. In Werther 3,83 Euro, in Halle sind es lediglich 1,80 Euro, in Versmold 1,99 Euro und in Steinhagen 2,35 Euro. Diese Gebühr in Borgholzhausen war schon immer hoch, aber noch nie derart hoch. Die Gemeinde erklärt dies mit den baulichen Veränderungen im Klärwerk und der Einführung der Klärstufe 4. &bdquo;Wir haben uns 2020 dazu entschieden, rund 2,7 Millionen Euro in die Hand zu nehmen, weil wir damals noch 70 Prozent Fördermittel vom Land erhalten haben", erläutert Fred Peters. Mittlerweile sind die Fördergelder auf 50 Prozent zusammengestrichen worden. Frischwasser, Abwasser, Schmelzwasser Auf viel Niederschlag und strammen Frost folgen die Tage nun steigende Temperaturen. Da kommt in Borgholzhausen neben Frischwasser und Abwasser eine dritte Kategorie von Wasser ins Spiel: Schmelzwasser. Die Stadt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es durch gefrorenes Schmelzwasser in Teilbereichen der Straßen zu Eisbildung kommen kann.

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