Fall Flory P.: Angeklagter sieht sich als Opfer eines merkwürdigen Komplotts

Vor dem Bielefelder Landgericht muss sich jetzt der Mann verantworten, der seine Lebensgefährtin Flory P. getötet haben soll. Zunächst wird er psychiatrisch begutachtet.

Prozessbeginn gegen den 36 Jahre alten Nicolae I.: Er steht unter dem dringenden Verdacht, Flory P. getötet zu haben. | © Müller

11.06.2020 | 11.06.2020, 05:25

Borgholzhausen/Bielefeld. Bisher hatte Nicolae I. zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen geschwiegen. Der 36 Jahre alte Rumäne steht unter dem dringenden Verdacht, im Januar in Borgholzhausen seine Lebensgefährtin Flory P. (37) getötet zu haben. Nun muss er sich vor dem Bielefelder Landgericht verantworten – und redet. Was er jedoch zum Prozessbeginn äußerte, war derart überraschend, dass die Kammer eine psychiatrische Untersuchung des Angeklagten veranlasste.

Die Staatsanwaltschaft geht von folgendem Geschehen aus: Am späten Abend vernahmen Anwohner der Straße Am Uphof einen lautstarken Streit des Angeklagten mit seiner Lebensgefährtin. Die Frau verwies I. schließlich der Wohnung, ließ ihn aus unbekannten Gründen jedoch wenig später wieder hinein. Nicolae I. brachte die nicht unerheblich alkoholisierte 37-Jährige sodann zu Boden, wo er mit erheblicher stumpfer Gewalt mehrfach auf den Kopf und das Gesicht der schließlich bewusstlosen Flory P. einwirkte. Im Anschluss verließ I. die Wohnung und überließ seine Lebensgefährtin ihrem Schicksal.

Nachdem ein Bekannter der Frau diese am folgenden Morgen vergeblich zu erreichen versucht hatte, verständigte dieser die Polizei. Die Beamten fanden Flory P. mit schweren Kopfverletzungen, unter anderem einem massiven Schädelhirntrauma, im Flur ihrer Wohnung liegend vor. Sie war aufgrund der Verletzungen und durch das Verschlucken und Einatmen von Blut innerhalb kürzester Zeit gestorben.

Nicolae I. glaubt, dass das Opfer noch lebt

Der Verdacht war seinerzeit schnell auf ihren erst seit wenigen Monaten in Deutschland lebenden Freund I. gefallen. Dieser hatte der Polizei gegenüber zunächst noch angegeben, ein Freier der als Prostituierte arbeitenden P. könne für die Tat verantwortlich sein. Danach äußerte er sich nicht mehr zu dem Geschehen – bis zur Verhandlung vor der X. Großen Strafkammer des Bielefelder Landgerichts.

Es war dabei nicht immer leicht, den sprunghaften Ausführungen des Angeklagten zu folgen, ließen diese doch eine gewisse Stringenz ebenso vermissen wie eine für den Außenstehenden mögliche Nachvollziehbarkeit des soeben Gehörten. Vor Gericht stritt I. nicht nur die ihm zur Last gelegte Tat ab – er geht vielmehr sogar davon aus, dass Flory P. noch lebt. Unter anderem berichtete I., dass es in Rumänien bereits ein Komplott gegen ihn gegeben habe, dessentwegen er eine Zeit lang zu unrecht in eine Psychiatrie gesperrt worden sei. Im Herbst 2019 sei er dann nach Deutschland in die Nähe von Flory P., die er über das Internet kennen gelernt habe, gezogen. „Für mich war es die große Liebe. Ich liebe sie noch immer, weil ich weiß, dass sie noch lebt", äußerte I. vor Gericht.

Psychiatrischer Sachverständiger wird hinzugezogen

An jenem 7. Januar sei es der mit Flory P. verabredete Plan gewesen, dass er ihr die Nase breche. Die Frau, so I. hätte sich dann ans Fernsehen wenden und Geld „von diesen Personen" erhalten können. Wen genau er damit meinte, ließ I. im Unklaren. Er habe also seine Freundin gegen einen Türrahmen geschubst und die Wohnung verlassen. Die auf den Polizeifotos dokumentierte Auffindesituation entspreche nicht seiner Erinnerung – die Lage des Körpers von P. sei arrangiert und die Frau mit Blut beschmiert worden. „Von einer gebrochenen Nase stirbt man nicht einfach", sagte I. vor Gericht. Auch seine anschließende Festnahme sei „von denen" ordentlich geplant worden.Der Vorsitzende Richter Christoph Meiring brachte schließlich deutlich zum Ausdruck, dass er der Version des Angeklagten keinen Glauben schenke: „Das war nicht nur ein Stoß gegen den Türrahmen. Herr I., was ist in der Nacht wirklich passiert?"

Da Nicolae I. jedoch bei seiner kruden beziehungsweise seinen verschiedenen kruden Versionen des Geschehens blieb, unterbrach Meiring die Sitzung. Nach längerer Beratung der Kammer teilte er mit, dass das soeben Gehörte für das Gericht überraschend sei und die Kammer veranlasse, einen psychiatrischen Sachverständigen hinzuzuziehen. Der Prozess wird am 18. Juni fortgesetzt.

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