Gesetz in Arbeit: Kommt jetzt das Wahlalter ab 16 in NRW?

Düsseldorf. Es war ein besonderer Moment, im Spätsommer 2022. Als NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Landtagswahl gewonnen hatte und wenig später im Parlament seine Regierungsrede hielt, da jubelten die Abgeordneten seines neuen grünen Koalitionspartners plötzlich lautstark. Wüst hatte soeben angekündigt, das Wahlalter für Landtagswahlen in NRW auf 16 Jahren absenken zu wollen. Drei Jahre später wird das nun konkret. Wie erklären, was das im Detail bedeutet. Wie kam es zu dem Schritt? Den Grünen ist dieser Schritt besonders wichtig. Sie hatten sich schon lange für ein Absenken des Wahlalters eingesetzt - und dies erfolgreich in den schwarz-grünen Koalitionsvertrag verhandelt. Die CDU tat sich damit bislang eher schwer - trug die Entscheidung im Sommer 2022 aber mit. Wie realistisch ist eine zeitnahe Umsetzung? Jetzt, drei Jahre später, kommt Bewegung in die Sache. Am Dienstag kündigten die Fraktionen von CDU, Grünen, SPD und FDP an, einen Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. Nur die AfD ist außen vor, mit der die Fraktionen keine Zusammenarbeit pflegen. Dass die vier Fraktionen gemeinsam ein Gesetz einbringen, ist eher selten. Meist gibt es eine klare Trennlinie zwischen den Regierungsfraktionen von CDU und Grünen und den Oppositionsfraktionen von SPD und FDP (und AfD). Doch beim Absenken des Wahlalters scheinen sie sich einig zu sein. Das ist deshalb wichtig, weil für die Gesetzesänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nötig ist. CDU und Grüne sind in diesem Fall also auf weitere Stimmen angewiesen. Die scheinen ihnen nun sicher zu sein, weshalb das Absenken des Wahlalters auf 16 in NRW wohl nur noch eine Formsache ist. Im Oktober wollen die Fraktionen den Gesetzentwurf im Landtag einbringen. Wen betrifft das im Detail ab wann? Betreffen wird das junge Menschen im Alter von 16 und 17 Jahren bei den Landtagswahlen. Die finden in NRW alle fünf Jahre statt - der nächste Termin ist im Frühjahr 2027, also in eineinhalb Jahren. Dann - so der Plan - soll es den 16- und 17-Jährigen erlaubt sein, über die Zusammensetzung des Landesparlaments mit abzustimmen. Sie dürfen dann zum Beispiel heimische Landtagsabgeordnete aus ihrer Region wählen, die in das Düsseldorfer Parlament geschickt werden, um dort die Interessen der Region zu vertreten. Gibt es weitere Beispiele für Wählen ab 16? Aus dem Nichts kommt diese Entwicklung nicht. Im Gegenteil: Bei den jüngst durchgeführten Kommunalwahlen in NRW, wo die Bürgermeister, Landräte und Ratsmitglieder gewählt wurden, dürfen 16- und 17-Jährige bereits wählen. Gleiches gilt für die Europawahl, die zuletzt im Sommer 2024 stattfand. In anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Bremen ist das Wählen ab 16 ebenfalls erlaubt. NRW zieht also künftig quasi nach. Wie steht es um Wählen ab 16 bei Bundestagswahlen? Auf Bundesebene, also bei den Wahlen des Deutschen Bundestags, ist das anders. Dort gilt nach wie vor das Wahlalter von 18 Jahren. Es gab aber immer wieder Kontroversen und Versuche, das zu ändern. Zuletzt wollte die gescheiterte Ampel-Regierung das Wahlalter auf 16 absenken, doch da die Union und die AfD das ablehnten, kam es nicht zur nötigen Zweidrittelmehrheit, die es für die Grundgesetzänderung braucht. Man könnte also sagen, dass die CDU in NRW der Bundes-CDU bei dieser Frage einen Schritt voraus ist. Warum tun sich Parteien mit Wählen ab 16 schwer? Die Gründe dafür dürften recht banal sein. CDU, aber auch SPD, werden laut Auswertungen vor allem stark von älteren Menschen gewählt. Ein Beispiel: Bei der NRW-Landtagswahl 2022 wählte jeder zweite Wähler ab 70 Jahren die CDU. Bei den 18- bis 24-Jährigen kam die Partei hingegen nur auf 19 Prozent; die Grünen derweil auf 27. Die älteren Menschen machen den Großteil der Wähler aus. Bei den Bundestagswahlen 2021 betrug der Anteil der Wähler über 50 Jahre laut Studien knapp 60 Prozent, während der Anteil der Wähler unter 30 Jahren bei 14 Prozent lag. Jüngere Menschen haben bei zurückliegenden Wahlen eher anderen Parteien ihr Kreuz gegeben, wie zum Beispiel der FDP, den Grünen, der AfD und zuletzt der Linkspartei. Ihr Wahlverhalten ist wesentlich volatiler - für die einst großen Volksparteien von CDU und SPD macht es das schwieriger. Sind junge Menschen schon reif für eine Wahl? Es gibt natürlich auch immer Stimmen, die die Frage aufwerfen, ob man jungen Menschen im Alter von 16 und 17 Jahren bereits die Verantwortung übertragen darf, die Politik zu wählen. Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor sagte im Zuge der Diskussion vor einiger Zeit, dass das Wahlalter 16 willkürlich sei. Außerdem sei es widersprüchlich, 16-Jährigen das &bdquo;vornehmste Recht des Staatsbürgers“ zuzugestehen, während sie Handy- oder Mietverträge nicht abschließen dürften. Anders sieht das Politikwissenschaftler Thorsten Faas. Eine von ihm veröffentlichte Studie im Jahr 2023 bestätigt, dass diese Altersgruppe hinsichtlich ihrer politischen Reife jungen Erwachsenen ebenbürtig sei. Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann-Stiftung, ist auch deshalb für eine Herabsetzung, weil die Erstwahl der jungen Menschen dadurch noch in die Schulzeit falle ?- und dort im Unterricht thematisiert werde. Vehrkamp sieht darin die Chance, Interesse für Demokratie und Wahlen zu erzeugen. Was hat der Schritt mit der Wahlbeteiligung zu tun? So sehen es auch die vier Fraktionen im NRW-Landtag. &bdquo;Uns ist es wichtig, dass junge Menschen die Möglichkeit bekommen, über ihre Zukunft und ihre Anliegen mitzuentscheiden. Mit der Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre stärken wir die politische Mitbestimmung der Jugendlichen und unsere Demokratie. Bei der nächsten Landtagswahl 2027 werden dann 16- und 17-Jährige wählen können.“ Die Entscheidung dürfte auch als Reaktion auf die geringe Wahlbeteiligung verstanden werden. Zwar nahm die bei den jüngsten Kommunalwahlen in NRW mit knapp 57 Prozent um 5 Prozentpunkte zu. Doch bei der Landtagswahl 2022 lag sie mit 55 Prozent auf einem historischen Tiefstand.

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