Trotz Knochenbruch und Corona: Antonia aus Lemgo gewinnt Meistertitel

Lemgo. &bdquo;Mama, da stimmt was nicht“: Es sind die ersten Worte von Antonia nach ihrem schweren Sturz. Ein Sturz, wie er schon so oft passiert ist, nur diesmal konnte sich die damals 13-Jährige nicht mehr rechtzeitig absichern. Ein Sturz, der von jetzt auf gleich jegliche Hoffnung auf den Titel bei den anstehenden Deutschen Meisterschaften im Kunstradfahren zunichtemacht. Aber auch ein Sturz, der den Kampfgeist von Antonia weckt und ihren unermüdlichen Willen, es an die Spitze ihres Sports zu schaffen. Fast täglich trainiert Antonia Blome für ihren großen Traum in der Sporthalle der Grundschule Lemgo-West. Bereits bei ihrem ersten Wettkampf im Alter von gerade einmal drei Jahren steht Antonia gleich auf dem Podest und gewinnt einen Pokal. Mittlerweile hat die heute 15-Jährige mehr als einhundert Auszeichnungen in ihrem Kinderzimmer stehen. Als eine der ganz, ganz wenigen in ihrer Altersklasse und als erste in ihrem Verein, dem Liemer RC, beherrscht Antonia bereits mit zwölf Jahren zudem die Königsdisziplin im Kunstradfahren: den Lenkerhandstand. Hierbei stützt sich die Lemgoerin während der Fahrt auf den Lenker ihres knapp drei Kilo leichten Rads und geht in den Handstand. Ob sie dabei vorwärts oder rückwärts fährt, ist egal, beides kann sie mühelos. &bdquo;Eigentlich braucht man so ein bis zwei Jahre, bis man den Handstand beherrscht“, sagt Antonia. &bdquo;Doch nach drei Monaten hatte ich ihn drauf.“ Antonia bricht sich bei Sturz zwei Mittelfußknochen Im Frühjahr 2022 dann der Sturz. Bei der Lenkerdrehung, bei der Antonia auf dem Lenker steht und sich einmal um 180 Grad dreht, rutscht sie ab. Nur wenige Wochen vor der deutschen Meisterschaft, bei der sie, nach dem dritten Platz im Vorjahr, als Top-Favoritin ins Rennen geht, bricht sie sich zwei Mittelfußknochen, muss eine Schiene tragen und ihr Training unterbrechen. Hinzu kommt eine Corona-Infektion. &bdquo;Ich war megatraurig und konnte es kaum glauben, dass mir das passiert ist“, sagt Antonia. Doch Aufgeben kommt für sie und ihre Mutter, die gleichzeitig auch ihre Trainerin ist und selbst jahrelang erfolgreich Kunstrad gefahren ist, nicht infrage. &bdquo;Wir haben alles versucht, um Antonia wieder fit zu bekommen. Wir haben sogar die Ernährung umgestellt, damit sich das Knochenwachstum beschleunigt“, sagt Wibke Blome. Und tatsächlich: Antonia kann zu den deutschen Meisterschaften antreten. &bdquo;Mein Arzt meinte, der Fuß ist zwar noch angebrochen, aber wenn du möchtest, kannst du wieder aufs Rad.“ Drei Trainingseinheiten bleiben ihr noch, dann wird es ernst. Antonia gewinnt 2022 erstmals die Deutsche Meisterschaft Antonia fährt die Kür ihres Lebens und wird völlig überraschend zum ersten Mal Deutsche Meisterin. &bdquo;Es hat einfach nur Spaß gemacht“, sagt sie. &bdquo;Ich habe überhaupt nicht an meinen Fuß gedacht oder daran, dass ich wieder stürzen könnte.“ Unbeschwert und ohne Druck holt sie satte 108 Punkte, so viele wie nie zuvor. Ein Jahr später kann Antonia ihren Erfolg dann wiederholen. Wieder hat sie schwere Monate hinter sich. &bdquo;2023 war ein mental sehr schwieriges Jahr. Ich war mit keinem meiner Wettkämpfe zufrieden, habe mir unfassbar viel Druck gemacht und wollte diesen Titel unbedingt verteidigen“, sagt die 15-Jährige. Umso glücklicher war sie, als sie wieder ganz oben auf dem Treppchen stehen konnte. 2024 tritt sie dann in einer neuen Altersklasse an und schafft es auf Anhieb auf Platz drei. &bdquo;Da sind so viele starke Konkurrenten und ich freue mich einfach, dass ich mit all denen in den nächsten Jahren Wettkämpfe bestreiten kann“, sagt Antonia. Antonias Karriere in Bildern Kaum finanzielle Unterstützung für Kunstradfahrerin Doch all das ist nicht selbstverständlich. Denn eine finanzielle Unterstützung für den teuren Sport erhalten Antonia oder ihre Familie so gut wie keine. &bdquo;Bei meinem letzten Wettkampf gab es 20 Euro Preisgeld“, sagt Antonia. Die Kosten für ihr Fahrrad (knapp 3.500 Euro) oder auch die Fahrten zu den Wettkämpfen muss sie selbst zahlen. &bdquo;Anders als in Baden-Württemberg gibt es vom Land nichts, vom Bund werden zumindest die Kaderlehrgänge bezahlt, und auch der Kreis steuert etwas bei“, so Wibke Blome. Die Hauptlast trägt aber sie selbst. Pro Saison kommen da schnell mehr als 1.000 Euro zusammen. Auch auf private Sponsoren kann die Familie nicht setzen. &bdquo;Der Sport ist zu unbekannt“, sagt Antonia. Das möchte sie mit ihrem Instagram-Account @toni-artistic_cycling ändern. &bdquo;Der Sport ist so vielfältig, er sieht traumhaft schön aus und fördert die Gemeinschaft. Man fühlt sich einfach wie zuhause auf dem Rad“, sagt Antonia, die Mitte September für knapp zwei Wochen zusammen mit einer Sportlerdelegation vom Bund Deutscher Radfahrer nach Tokio fliegt. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Sportland.NRW (@sportland.nrw) Antonia fehlt häufig auf Partys ihrer Freunde Für ihren Erfolg muss Antonia aber auch ein paar Opfer bringen. In der Schule fehlt sie regelmäßig, und auch Zeit für ihre Freunde hat sie während der Saison nur selten. Geburtstagspartys oder spontane Treffen am Freitagabend finden meist ohne sie statt. Doch das ist okay für sie und auch ihre Freunde. &bdquo;Alle zeigen großes Verständnis, weil sie ja auch sehen, was ich leiste und erreiche“, sagt Antonia. Und: Ihre drei besten Freundinnen fahren ebenfalls Kunstrad, wodurch sie viel Zeit gemeinsam in der Sporthalle verbringen. &bdquo;Für mich ist der Spaß am wichtigsten. Was bringt mir eine Goldmedaille, wenn ich unglücklich bin. Nichts!“, sagt sie. Ihr Ziel sei nicht der Erfolg, sondern, dass sie zufrieden ist und der Sport an Popularität gewinnt. Die größte Hoffnung der 15-Jährigen: &bdquo;Kunstrad hat es verdient, olympisch zu sein.“

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