Praxis schließt: Beliebte Tierärztin in Werther muss nach Corona aufgeben

Werther. Es ist ein Abschied voller Wehmut für Britta Götting. Leicht ist ihr die Entscheidung keineswegs gefallen. Am 30. Juni wird Werthers Tierärztin zum letzten Mal die Türen ihrer Praxis öffnen und die großen und kleinen Krankheiten ihrer vierbeinigen Patienten behandeln. Freiwillig macht sie das nicht. Aber ihre eigene Gesundheit geht vor. Das Frühjahr 2021 war für die heute 62-Jährige ein Wendepunkt in ihrem Leben. Eine Corona-Infektion, die so schwerwiegend verlief, dass sie für Britta Götting beinahe den Tod bedeutet hätte, hat für die Tierärztin gesundheitliche Langzeitfolgen. So stark, dass sie sich nicht mehr in der Lage fühlt, ihre Praxis, an der sie so hängt, weiterzuführen. Im Jahr 2000 war sie in die seit 1996 bestehende Praxis von Kollegin Janine Baumgarte miteingestiegen. Tierärztin wollte sie schon werden, seit sie vier Jahre alt war. Nach der Schule machte die Bünderin jedoch erst in Brackwede eine Ausbildung zur Tierarzthelferin. &bdquo;Dort gefiel es mir so gut, dass ich dann nach der Ausbildung noch zehn Jahre dort geblieben bin“, sagt Britta Götting. Nach dem Studium ging es in die Tierklinik In der Brackweder Praxis lernt sie Janine Baumgarte kennen, die dort als angestellte Ärztin arbeitet. Der Plan, dass die beiden einmal zusammen praktizieren wollten, war gemacht. &bdquo;Für mich eine Motivation, mein Studium zu beginnen und schnell durchzuziehen.“ Mit 30 Jahren geht sie nach Berlin, um Tiermedizin zu studieren. &bdquo;Man sagt zwar immer, Humanmedizin sei das schwerste Studium. Aber dort muss man nur eine Anatomie und einen Stoffwechsel lernen. Für Tiermedizin muss man das für jede Tierart. Und bis zum Ende des Studiums gibt es keine Differenzierung zwischen Medizin für Groß- oder Kleintiere“, erklärt sie. Mehr dazu: Exklusiver Service: Werthers Tierärztin bietet Hausbesuche bei Patienten an Theoretisch hätte Britta Götting nach dem Studium auch Rinder und Pferde behandeln können. &bdquo;Aber kein Bauer hätte mich ernst genommen, wenn ich morgens einen Wellensittich operiert hätte und nachmittags zum Rind gefahren wäre“, sagt sie lachend. Sie spezialisiert sich auf Kleintiere und geht nach einer Station in der Tierklinik Bramsche nach Werther. Gemeinsamer Neubeginn in der Engerstraße Da die Praxis Baumgarte an der Rosenstraße zu klein für zwei Ärztinnen ist, ziehen sie in die neu errichtete Praxis an der Engerstraße, die sie nach ihren Vorstellungen baulich gestalten können. Ein dauerhafter Job in einer Tierklinik sei für Britta Götting nie eine Option gewesen, sagt sie. &bdquo;Ich brauche auch den Kontakt zu den Besitzern der Patienten. Das liebe ich so an meiner kleinen Dorfpraxis.“ Dass diese Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht, erfährt sie nach ihrer schicksalhaften Erkrankung 2021. Im Jahr zuvor war Janine Baumgarte in Ruhestand gegangen und Britta Götting alleine für die Praxis verantwortlich. Nur sechs Monate nach der Übernahme schlägt das Coronavirus zu. Lesen Sie auch: Wertheraner seit Corona-Impfung schwer krank: Niemand kann ihm helfen Vier Monate bleibt die Praxis geschlossen. &bdquo;Als ich nach der Reha am ersten Tag wieder in der Praxis war, war hier so ein Zulauf. So viele Patientenbesitzer kamen mit Blumen und Karten“, sagt sie und kann die Tränen der Rührung auch vier Jahre später noch nicht zurückhalten. Rabiate Katze sprang bis unter die Decke Ebenso präsent sind noch die Erinnerungen an viele ihrer Patienten. 9.455 verschiedene Tiere hat sie allein in den vergangenen zehn Jahren – nur so lange werden die Daten in der Kartei aufbewahrt – behandelt. Besonders in Erinnerung ist ihr und Mitarbeiterin Sonja-Christin Tiegel zum Beispiel die wild lebende Katze geblieben, die zur Kastration in die Praxis gebracht worden war. Nachdem sie aus der Narkose aufgewacht war, &bdquo;war sie so rabiat, dass sie die Wände hochgegangen ist und die Tapeten abgerissen hat“, erzählt Britta Götting und zeigt die eindrucksvollen Kratzspuren, die fast bis zur Decke reichen. Oder Dackel Finja, der bei jedem Besuch in der Praxis voller Vorfreude auf die erwarteten Leckerchen jaulte und wie ein Flummi auf- und absprang. Die 2,50 Meter lange Boa, die in Abschnitten geröntgt werden musste, oder der Fisch, den sie mithilfe von Betäubungsmittel im Wasser, in seinem Aquarium operiert hat. Aber auch die negativen Seiten des Berufs verschweigt Britta Götting nicht. Und das sind für sie nicht die langen Arbeitszeiten und die Bereitschaftszeiten in der Nacht oder am Wochenende. Sondern eher die Ansprüche der Tierbesitzer, die Kritik an den Behandlungspreisen oder die ein oder andere Google-Bewertung. &bdquo;Da opfert man sich auf, um dann so einen drüber zu kriegen“, sagt sie über die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Kritik. &bdquo;Wussten Sie, dass Tierärzte die höchste Suizidrate haben?“, fügt sie an. Einblicke in das Leben der Tierbesitzer &bdquo;Aber zum Glück überwiegen die anderen Begegnungen“, sagt sie dann wieder in der gewohnt fröhlichen Art und erzählt von Enkelkindern oder Ehekrisen, an denen sie die Besitzer und Besitzerinnen ihrer Patienten teilhaben lassen. Dass sie sich nun alle eine andere Tierarztpraxis suchen müssen, bedauert Britta Götting. Denn eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger hat sie trotz intensiver Bemühungen nicht gefunden. &bdquo;Das ist wie bei den Hausärzten. Tiermediziner gibt es genug, aber keiner möchte sich mehr die Verantwortung einer eigenen Praxis aufbürden“, sagt die 62-Jährige und beklagt ein allgemeines Praxensterben in der Umgebung. In Werther wird es ab dem 1. Juli keine Tierarztpraxis mehr geben und die Tierbesitzer müssen nach Halle, Brockhagen, Jöllenbeck, Melle, Spenge oder Borgholzhausen ausweichen. Einen neuen Mieter für die Räume gibt es noch nicht. Und wie wird Britta Götting den neuen Lebensabschnitt gestalten? &bdquo;Zur Ruhe kommen, runterfahren und um die Gesundheit kümmern“, sagt sie. Und dann: reisen. &bdquo;Ich träume davon, mal einen Winter im Warmen zu verbringen – ich habe da an Marokko gedacht“, sagt sie und atmet noch einmal tief durch bei dem Gedanken an die Zukunft ohne tierische Patienten. &bdquo;Auf unserem Wohnmobil steht: Man kann den Wind nicht ändern, aber man kann die Segel anders setzen.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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